Schmerztherapie 2/2007 - Schmerz Therapie Deutsche Gesellschaft ...
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Bildarchiv Freynhagen<br />
Onkologie/Palliativmedizin<br />
Angst, Depression, Appetitlosigkeit, Dehydratation,<br />
Gewichtsverlust, Juckreiz oder unwillkürlicher<br />
Speichelfluss häufige und die Lebensqualität<br />
extrem einschränkende Symptome<br />
bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen.<br />
Diese werden vielfach unterschätzt,<br />
ihre Behandlung wird vernachlässigt oder nur<br />
unstrukturiert durchgeführt. Durch ein differenziertes<br />
<strong>Therapie</strong>konzept lässt sich bei den<br />
meisten Patienten auch bei diesen Symptomen<br />
eine zufriedenstellende Symptomkontrolle<br />
erzielen. Zum Einsatz kommen<br />
meist sog. Adjuvanzien. Sie richten sich gegen<br />
Symptome des Tumors bzw. der Grunderkrankung<br />
oder auch gegen Nebenwirkungen<br />
der <strong>Therapie</strong>. So ist z. B. im Rahmen<br />
einer Opioidtherapie initial in einer Häufigkeit<br />
von 20–30% mit dem Auftreten von Übelkeit<br />
und Erbrechen zu rechnen. Gegen die rein<br />
opioidbedingte Übelkeit entwickelt sich nach<br />
etwa zehn Tagen eine Toleranz. Während dieser<br />
Zeit ist eine entsprechende antiemetische<br />
Prophylaxe für die Lebensqualität sehr wichtig.<br />
Übelkeit und Erbrechen beim Tumorpatienten<br />
können abgesehen von der Behandlung<br />
mit Opioiden vielfältige andere Ursachen<br />
haben. Eine Auswahl an therapeutischen Optionen<br />
zeigt Tabelle 4. Auch wenn sich die<br />
verschiedenen Opioide in ihrer obstipierenden<br />
Wirkung tendenziell unterscheiden (umfangreiche<br />
Erfahrungen mit der neuen Kombination<br />
Oxycodon/Naloxon stehen noch aus),<br />
stellt Obstipation die hartnäckigste Nebenwirkung<br />
von Opioiden dar, gegen die sich auch<br />
keine Toleranz entwickelt. Eine adjuvante Behandlung<br />
mit Laxanzien muss also in aller<br />
Regel kontinuierlich erfolgen [4, 26]. Dabei<br />
kann z. B. nach dem in Abb. 2 gezeigten Stufenschema<br />
vorgegangen werden.<br />
Die Angst vor dem Sterben oder nur die<br />
Angst davor, im Sterben allein gelassen zu<br />
werden, ist ein häufiger Trigger auftretender<br />
Abb. 2 Stufenschema der Laxanzientherapie.<br />
16<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Macrogol<br />
4<br />
Symptome, die immer zwingend berücksichtigt<br />
werden muss. Hier sind meist nicht<br />
nur Medikamente, sondern darüber hinaus<br />
persönliche Zuwendung und empathische<br />
Begleitung wesentliche Voraussetzungen für<br />
den <strong>Therapie</strong>erfolg.<br />
Invasive Tumorschmerztherapie<br />
Jede Behandlung sollte gleichzeitig so effektiv<br />
und so wenig invasiv wie möglich sein.<br />
Invasive Behandlungsverfahren sind, schöpft<br />
man die zur Verfügung stehenden konservativen<br />
Verfahren rational aus, nur bei sehr wenigen<br />
Tumorschmerzpatienten indiziert.<br />
In der Finalphase eines Tumorleidens<br />
ist die Resorption oral oder transdermal zugeführter<br />
Pharmaka oft nicht mehr gewährleistet.<br />
8<br />
Manuelle Ausräumung<br />
7<br />
Rizinusöl<br />
6<br />
Senna & Paraffin & Amidotrizoesäure<br />
5<br />
Macrogol & Senna & Paraffin<br />
& Suppositorien & Einlauf<br />
Macrogol & Senna & Paraffin<br />
Macrogol & Senna<br />
Macrogol & Natriumpicosulfat<br />
PHN<br />
postherpetische Neuralgie<br />
Nach: Klaschik E et al., Support Care Cancer 2003;11:679–685<br />
Tabelle 4: Antiemetika (Auswahl)<br />
Substanzgruppe Substanz Dosis Wirkdauer Wirkort Hinweis<br />
(Beispiel) (mg) (h)<br />
Antihistaminika Dimenhydrinat 100–200 8 B, C Aufhebung der<br />
prokinetischen Wir-<br />
kung von Metoclo-<br />
pramid und Neuro-<br />
leptika<br />
Neuroleptika Butyrophenon 0,3–0,5–1 8–12 C Zentralnervöse<br />
Nebenwirkungen<br />
Anticholinergika Scopolamin-TTS 1,5 72–96 B Verstärkte Obsti-<br />
(1 Pflaster) pationsneigung<br />
Prokinetika Metoclopramid 10 4–5 G, C Extrapyramidale NW<br />
5-HT3-Antagonist Ondansetron 4–8 4–8 B Bei chemotherapie-<br />
induzierter Übelkeit,<br />
verstärkter Obstipa-<br />
tionsneigung<br />
Glukokortikoide Dexamethason 4–8 6–24 B Ulkusprophylaxe<br />
Cannabinoide Tetrahydro- Individuell 8–12 ZNS BTM-pflichtig<br />
cannabinol<br />
B Brechzentrum, C Chemorezeptortriggerzone, G Gastrointestinaltrakt; TTS Transdermales <strong>Therapie</strong>system<br />
Dann sollte die Applikationsform entsprechend<br />
geändert werden. Dabei sind<br />
die Äquivalenzdosierungen verschiedener<br />
Applikationsformen zu beachten (Tab. 5).<br />
Mittlerweile werden neben der subkutanen<br />
Medikamentengabe häufig tragbare batteriegetriebene<br />
Spritzenpumpen eingesetzt,<br />
um Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung,<br />
die eine orale Medikation nicht<br />
mehr zu sich nehmen können, mit einer<br />
kontinuierlichen Infusion (z. B. als patientenkontrollierte<br />
Analgesie, PCA) zu versorgen.<br />
Auch die epidurale oder intrathekale Applikation<br />
von Opioidanalgetika in Kombination<br />
mit Lokalanästhetika oder Clonidin kann im<br />
Einzelfall erwogen werden. Klassische Indikationen<br />
bestehen in der <strong>Therapie</strong> viszeraler<br />
Abdominalschmerzen und neuropathischer<br />
<strong>Schmerz</strong>en.<br />
Invasive Verfahren können eingesetzt<br />
werden bei speziellen Tumorentitäten wie<br />
z. B. die Neurolyse des Plexus coeliacus als<br />
Ultima ratio beim fortgeschrittenen Pankreaskarzinom<br />
oder bei ausgeprägter abdomineller<br />
Metastasierung eines Ovarialkarzinoms.<br />
Weitere Optionen sind u. a. Sympathikusblockaden<br />
bei therapierefraktären neuropathischen<br />
<strong>Schmerz</strong>en, z. B. durch Infiltration<br />
von Nervenplexus oder -wurzeln (u. a. bei<br />
Mammakarzinomen mit Infiltration des Plexus<br />
brachialis) oder durch Einbruch von Tumoren<br />
oder Filiae in den Spinalkanal. Auch Begleit-<br />
erkrankungen wie z. B. eine ausgeprägte<br />
Lymphabflussstörung mit sympathisch unterhaltenem<br />
<strong>Schmerz</strong> oder eine Zosterneuralgie<br />
können den Einsatz invasiver Verfahren<br />
SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)<br />
Mod. nach [4]