Schmerztherapie 2/2007 - Schmerz Therapie Deutsche Gesellschaft ...
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Finanzanalyse<br />
Einsparungen durch eine verbesserte Versorgung<br />
(weniger Krankenhausaufenthalte, weniger<br />
Transporte etc.) nicht berücksichtigt. Bei<br />
AAP und SAP ist bei konservativer Schätzung<br />
eine Reduktion der Krankenhausbehandlungskosten<br />
um zwei Drittel zu erwarten und<br />
realistisch.<br />
Unter Zugrundelegung der Durchschnittskrankenhauskosten<br />
aus der TK-Analyse<br />
in Höhe von 9482,62 € pro drei Monate<br />
(geteilt durch 90) entspricht dies durchschnittlichen<br />
Tageskosten von 105 € für stationäre<br />
Behandlung am Lebensende.<br />
Bei einer Einsparung von zwei Drittel der<br />
Krankenhauskosten durch eine spezialisierte<br />
ambulante Palliativversorgung entstehen Einsparungen<br />
von 70 € (2/3 von 105 €) pro Tag.<br />
Die Tagestherapiekosten würden sich auf<br />
192 € (Tagestherapiepauschale 262 € minus<br />
70 € Einsparungen) reduzieren.<br />
Tagestherapiekostenpauschale<br />
AAP/SAP mit Einsparungen 192 €<br />
Tagestherapiekosten Regelversorgung<br />
bisher 178 €<br />
Differenz +14 €<br />
Mehrkosten pro Monat 420 €<br />
Bei einer zu geschätzten zu versorgenden<br />
Zahl von 100 000 Patienten pro Jahr<br />
entstehen hier bei Berücksichtigung der realisierbaren<br />
Einsparungen Mehrkosten in Höhe<br />
von 42 Millionen € für eine verbesserte Versorgung<br />
mit AAP und SAP am Lebensende.<br />
3. Kostenstruktur integrierte<br />
Versorgung palliativ<br />
Dieses flächendeckende dezentrale integrierte<br />
Versorgungskonzept (IVP) versorgt seit Februar<br />
2006 unheilbar Kranke in der Lebensendphase<br />
in Wiesbaden und Umgebung.<br />
Die mit der TK vereinbarte Tagespauschale<br />
im PalliativNetz Wiesbaden-Taunus<br />
beläuft sich auf 185 € für die komplette<br />
Versorgung am Lebensende und wird ab<br />
Einschreibung des Patienten in das Konzept<br />
berechnet. Diese umfasst alle medizinischen,<br />
pflegerischen, medikamentösen<br />
und auch stationären Maßnahmen inklusive<br />
Palliativstation oder stationäres Hospiz. Dem<br />
Versorgungsnetz obliegt demnach die komplette<br />
Budgetverantwortung im Sinne des<br />
Managed-Care-Prinzips.<br />
Die in der Regelversorgung anfallenden<br />
Kosten am Lebensende, wie oben bereits<br />
aufgeführt, belaufen sich auf 178 € pro Tag<br />
in den letzten drei Lebensmonaten. Die Mehrkosten<br />
pro Patient pro Tag im IPV-Konzept im<br />
Verhältnis zu den Kosten in der Regelversorgung<br />
belaufen sich demnach auf 7 € für eine<br />
20<br />
optimale Versorgung unheilbar Kranker am<br />
Lebensende.<br />
Tagesbasiertes Globalbudget<br />
IVP-Modell 185 €<br />
Tagestherapiekosten<br />
Regelversorgung 178 €<br />
Differenz + 7 €<br />
Mehrkosten pro Monat 210 €<br />
Bei einer geschätzten zu versorgenden Zahl<br />
von 100 000 Patienten pro Jahr entstehen hier<br />
bei kompletter Budgetverantwortung Mehrkosten<br />
in Höhe von 21 Millionen € für eine<br />
verbesserte Versorgung am Lebensende.<br />
4. Kostenstruktur krankenhauskoordiniertes<br />
ambulantes Palliativkonzept<br />
(KAP)<br />
Dieses krankenhauskoordinierte integrierte<br />
Versorgungskonzept (KAP) versorgt seit August<br />
2006 unheilbar Kranke in der Lebensendphase<br />
in Wiesbaden und Umgebung. Die<br />
dort anfallenden Honorare und Kosten pro<br />
Patient setzen sich wie folgt zusammen:<br />
Bei einer zu erwartenden Verminderung<br />
von zwei Drittel der Krankenhauskosten<br />
durch diese spezialisierte ambulante Palliativversorgung<br />
entstehen analoge Einsparungen<br />
von 70 € pro Tag und Patient, die<br />
Tagestherapiepauschale vermindert sich auf<br />
150 € (220 € minus 70 € Einsparungen).<br />
Tagestherapiekosten KAP-Modell 150 €<br />
Tagestherapiekosten Regelver-<br />
sorgung 178 €<br />
Differenz –28 €<br />
Einsparungen pro Monat 840 €<br />
Bei einer geschätzten zu versorgenden<br />
Zahl von 100 000 Patienten pro Jahr entstehen<br />
hier Einsparungen von 84 Millionen € für<br />
die Versorgung am Lebensende.<br />
Vergleich der Kostenstrukturen<br />
Zusammengefasst hier die verschiedenen<br />
Kostenberechnungen:<br />
Aktuelle Tagestherapiekosten<br />
Regelversorgung 178 €<br />
Tagestherapiekostenpauschale<br />
mit AAP/SAP ohne Einsparungen 262 €<br />
Tagestherapiekostenpauschale<br />
mit AAP/SAP mit Einsparungen 192 €<br />
Tagestherapiekostenpauschale IVP 185 €<br />
Tagestherapiekostenpauschale KAP 150 €<br />
Zusammenfassung<br />
Die Mehrkosten einer verbesserten allgemeinen<br />
(AAP) und spezialisierten ambulanten<br />
Palliativversorgung (SAP) werden weitgehend<br />
kompensiert durch die zu erwartenden<br />
Einsparungen von Fehl- und Überversorgung<br />
am Lebensende.<br />
Das Modellprojekt „integrierte Versorgung<br />
am Lebensende (IVP)“ des Palliativ-<br />
Netzes Wiesbaden-Taunus umfasst alle Elemente<br />
einer AAP und SAP und ist weitgehend<br />
kostenneutral zu den bisher in der Regelversorgung<br />
entstehenden Kosten. Erste Auswertungen<br />
belegen, dass die tagesbasierte<br />
Kostenpauschale mit globaler Budgetverantwortung<br />
in dieser Höhe der zu lösenden<br />
Aufgabe gerecht wird. De facto ist mit einer<br />
Umleitung der bisher anfallenden Kosten in<br />
eine strukturierte Palliativversorgung eine flächendeckende<br />
Betreuung unheilbar Kranker<br />
am Lebensende möglich!<br />
Die verbesserte Palliativversorgung im<br />
KAP-Modell wird erkauft auf dem Boden der<br />
sogar verschärften Fortsetzung der Unterfinanzierung<br />
und der fortgesetzten Selbstausbeutung<br />
aller Mitwirkenden in der Regelversorgung!<br />
Die AAP wird nicht nur nicht<br />
gefördert, sondern dezidiert geschwächt,<br />
indem der ambulanten Versorgung bei höheren<br />
Anforderungen keine substanziellen<br />
zusätzlichen Geldmittel zur Verfügung gestellt<br />
werden. Eingesparte Gelder fließen an<br />
die beteiligten Krankenkassen!<br />
Sparmodell droht!<br />
Der Abschluss von Vorverträgen mit weiteren<br />
onkologischen Kliniken an Schwerpunktkrankenhäusern<br />
in Hessen, die zum Teil weder<br />
über eine palliative Qualifikation noch eine<br />
Anbindung an ambulante Versorgungsstrukturen<br />
verfügen, düpiert die dort vor Ort seit<br />
Jahren hospizlich und palliativ Tätigen wie<br />
auch die gesamte hausärztliche Versorgung,<br />
die bei dieser Regelung einmal mehr leer<br />
ausgehen! Aus einer angekündigten verbesserten<br />
ambulanten Versorgung wird ein Sparmodell<br />
der beteiligten Krankenkassen in Hessen<br />
(AOK/DAK/BEK/IKK)!<br />
Die Intention der Politik, Geldmittel für<br />
eine verbesserte allgemeine und spezialisierte<br />
ambulante Palliativversorgung zur<br />
Verfügung zu stellen, wird von diesen Krankenkassen,<br />
wie am Beispiel KAP-Modell<br />
gezeigt, durch erhebliche Einsparungen auf<br />
Kosten der ambulanten Regelversorgung in<br />
ihr Gegenteil verkehrt. Auch der integrative<br />
Ansatz, bestehende Strukturen mit in die<br />
Ausgestaltung einzubeziehen, wie im GKV-<br />
WSG gefordert, wird mit diesem rein krankenhausbasierten<br />
Ansatz ausgehebelt.<br />
Thomas Nolte,<br />
Wiesbaden<br />
dr.nolte@schmerzzentrum-wiesbaden.de<br />
SCHMERZTHERAPIE Nr. 2/<strong>2007</strong> (23. Jg.)