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Cruiser im Sommer 2013

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CRUISER Edition <strong>Sommer</strong> <strong>2013</strong><br />

Gesundheit<br />

Hygienisch, praktisch, gut:<br />

Der Oralsex ist zum beliebtesten<br />

Vergnügen geworden.<br />

Doch in letzter Zeit leidet<br />

sein Ruf. Wie sicher ist<br />

er wirklich? Kann man davon<br />

auch Krebs bekommen?<br />

Er hat eine steile Karriere hinter sich: Während der schl<strong>im</strong>msten Zeit<br />

von HIV und Aids, als es noch keine wirksamen Medikamente gab, wurde<br />

der Oralsex zum verlässlichen Kumpel der Schwulen. Wer richtig bläst,<br />

so versprechen dies die offiziellen Broschüren, ist auf der sicheren Seite.<br />

Plötzlich ist der Arsch out. Der Mund wird zur einzigen Öffnung, in die<br />

man ohne Gummi eindringen darf, und die Zunge zu einem neu entdeckten<br />

Sexualorgan.<br />

Everybody’s Darling<br />

Für Heterosexuelle ist der Oralsex schon lange eine praktische Alternative<br />

zum genitalen Geschlechtsverkehr: keine Diskussion über die verlorene<br />

Jungfräulichkeit, keine Gefahr von ungewollten Schwangerschaften.<br />

Und weil der Blow-Job nicht der Fortpflanzung dient, ist er streng genommen<br />

gar kein Sex – so jedenfalls sehen es <strong>im</strong>mer mehr US-Amerikaner<br />

und einer ihrer Präsidenten. Der Oralsex ist überall beliebt, vor allem<br />

aber unter den Schwulen: Gemäss der Schweizer Umfrage «Gay Survey»<br />

blasen nun schon 95 Prozent, ein eindrückliches Lippenbekenntnis.<br />

«Wir Menschen nehmen eben gerne Dinge in den Mund», meint der Psychoanalytiker<br />

und Satiriker Werner Schneider. Zuerst die Mutterbrust,<br />

dann feste Nahrung, Daumen, Bauklötze, Puppenbeine – <strong>im</strong> Erwachsenenalter<br />

kommt noch dies und jenes hinzu. Die mit unzähligen Nervenzellen<br />

ausgekleidete Mundschle<strong>im</strong>haut will berührt, gestreichelt und<br />

gestossen werden.<br />

Kommt jetzt der Krebs?<br />

Und nun diese Hiobsbotschaft: Der US-Schauspieler Michael Douglas behauptet,<br />

sich be<strong>im</strong> Oralsex seinen Zungenkrebs geholt zu haben. Geht<br />

das überhaupt? Ist der Mundverkehr doch nicht unproblematisch? «Krebs<br />

durch Oralverkehr ist möglich», antwortet der Infektiologe Dominique<br />

Braun vom Universitätsspital Zürich, «das Risiko ist aber sehr klein.» Ursache<br />

dafür ist das humane Papillomavirus (HPV), das be<strong>im</strong> Oralverkehr<br />

und anderen sexuellen Kontakten übertragen wird. Viele Männer, die<br />

Sex mit Männern haben, sind mit diesem Virus in Kontakt gekommen.<br />

In den meisten Fällen verläuft die Infektion harmlos. Gewisse HPV-Typen<br />

können jedoch an einigen Körperstellen, also am Anus, Penis oder in der<br />

Mund- oder Rachenhöhle, chronische Infektionen verursachen, woraus<br />

wiederum ein Krebsleiden entstehen kann. Im Mund- und Rachenbereich<br />

ist dies gemäss Braun allerdings äusserst selten: Jährlich erkranken zwei<br />

bis drei Personen von 100 000 an einem solchen Krebs, davon ist weniger<br />

als die Hälfte auf HPV zurückzuführen. Die Wahrscheinlichkeit, wegen<br />

des Blasens an einem Tumor <strong>im</strong> Mund oder Rachen zu erkranken, ist also<br />

etwa so gering wie jene von fünf Richtigen <strong>im</strong> Mittwochslotto.<br />

Ist das Immunsystem angeschlagen, müsse man etwas vorsichtiger sein,<br />

sagt Braun. HIV-positiven Personen rät der Infektiologe, auffällige Wunden<br />

oder Warzen <strong>im</strong> Mund, <strong>im</strong> genitalen und analen Bereich bei einem<br />

Spezialisten abklären zu lassen. Eine Impfung gegen HPV ist möglich, wie<br />

gut sie vor Krebs schützt, ist jedoch umstritten. Zudem wirkt die Impfung<br />

vor allem dann, wenn sie vor der ersten sexuellen Aktivität erfolgt. Also<br />

<strong>im</strong> Knabenalter.<br />

Gute Bilanz bei HIV<br />

Der Krebs ist also eher unwahrscheinlich. Entwarnung gibt es auch bei<br />

HIV: Der Oralsex ist ziemlich sicher, was auch zahlreiche epidemiologische<br />

Studien belegen. Wer sich blasen lässt, geht null HIV-Risiko ein, wer<br />

bläst, ein sehr kleines. Die gute alte Regel «kein Sperma in den Mund, kein<br />

Sperma schlucken» gilt zwar noch <strong>im</strong>mer. Gemäss Bundesamt für Gesundheit<br />

(BAG) sind HIV-Infektionen auf diesem Weg jedoch sehr selten.<br />

In der Schweiz wird daher die PEP nach Oralverkehr mit Abspritzen nicht<br />

mehr generell empfohlen. «Am weitaus riskantesten ist der ungeschützte<br />

aktive und passive Analverkehr mit einem unbehandelten HIV-positiven<br />

Partner», sagt Axel J. Schmidt, Epidemiologe und Arzt bei Checkpoint<br />

Zürich. Dies gilt insbesondere be<strong>im</strong> Sex mit Partnern, die sich frisch mit<br />

dem HI-Virus angesteckt haben und es selbst noch nicht wissen.<br />

Hartnäckiger Tripper<br />

Wie schneidet der Oralverkehr schliesslich bei anderen sexuell übertragbaren<br />

Infektionen (STI) ab? Leider nicht sehr gut: Tripper und Syphilis<br />

sind auf dem Vormarsch, sie werden be<strong>im</strong> Oralsex ziemlich rasch weitergegeben.<br />

Beide Infektionen können zwar behandelt werden, was jedoch<br />

nicht <strong>im</strong>mer einfach ist. Denn in letzter Zeit tauchen <strong>im</strong>mer häufiger<br />

Tripper-Bakterien auf, die gegen viele Antibiotika resistent sind. Seit<br />

Kurzem wird der Tripper deshalb gleichzeitig mit zwei Antibiotika aus<br />

verschiedenen Wirkungsklassen behandelt.<br />

Dass man sich be<strong>im</strong> Oralsex eine STI holen kann, wird oft übersehen,<br />

übrigens auch von Ärzten. «Sexuell aktive Personen sollten deshalb bei<br />

Wunden und Entzündungen an Lippen und <strong>im</strong> Mundbereich <strong>im</strong>mer auch<br />

an eine STI denken», rät der Infektiologe Braun. Und manchmal merkt<br />

man trotz einer Infektion gar nichts. Deshalb empfiehlt das Bundesamt<br />

für Gesundheit bei wechselnden Partnern mindestens einen jährlichen<br />

HIV- und STI-Check, je mehr Partner, desto häufiger. Bei den Checkpoints<br />

ist man diesbezüglich gut aufgehoben: Sie beraten umfassend und bieten<br />

je nach sexueller Vorliebe die entsprechenden Tests und Abstriche an.<br />

Wichtig ist eine rasche Behandlung, auch der Sexualpartner. Unbehandelte<br />

STI haben mitunter gravierende gesundheitliche Folgen und erhöhen<br />

das Risiko, sich zusätzlich mit dem HI-Virus anzustecken.<br />

Gesunden Sex gibt’s nicht<br />

Ist der Oralsex also doch heikel? Formulieren wir es mal so: Vorsorge ist<br />

gut, eine perfekte Mundhygiene aber unmöglich. Den völlig gesunden<br />

Sex gibt es nicht, auch wenn wir dies lange geglaubt haben. «Nach den<br />

ersten Aids-Fällen stand Sexualität ganz unter der Fuchtel der Gesundheit»,<br />

sagt der Psychoanalytiker Schneider. Die Schwulen waren dabei<br />

vorbildlich. Dank Safer Sex konnten sie die HIV-Epidemie eindämmen.<br />

Doch dann sind die anderen Geschlechtskrankheiten zurückgekommen.<br />

«Sexuell übertragbare Infektionen überträgt man nun mal be<strong>im</strong> Sex»,<br />

resümiert Schneider, «wir können nicht jederzeit und über alles einen<br />

Gummianzug legen.»<br />

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