VorhAng AuF i STuDie Zum Freili<strong>ch</strong>TTheaTer iN Der DeuTS<strong>ch</strong>S<strong>ch</strong>weiZ 04 TheaTer-ZyTig 1001
Text und Bilder: Hannes Zaugg-Graf Die vorliegende Studie von Liliana Heimberg, Stefan Koslowski, Yvonne S<strong>ch</strong>midt und Simone Strauf ist das Ergebnis eines Fors<strong>ch</strong>ungsprojekts «Brennpunkt: <strong>Theater</strong> mit ni<strong>ch</strong>t professionellen Darstellenden». Sie passt in den Trend der letzten Jahre, Kultur au<strong>ch</strong> als Teil unseres Selbstverständnisses und der Traditionen zu verstehen. Au<strong>ch</strong> wenn sie si<strong>ch</strong> mit der besonderen Form des Freili<strong>ch</strong>ttheaters bes<strong>ch</strong>äftigt, so lassen si<strong>ch</strong> do<strong>ch</strong> etli<strong>ch</strong>e Aussagen au<strong>ch</strong> auf das Amateurtheater im Allgemeinen übertragen. Die Studie ist in drei Hauptteile gegliedert. Ein erster Teil befasst si<strong>ch</strong> mit dem Spiel, der Regie und der Autors<strong>ch</strong>aft des <strong>Theater</strong>s mit ni<strong>ch</strong>t professionellen Darstellenden. In einem zweiten Teil werden die regionalwirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Aspekte von Freili<strong>ch</strong>tinszenierungen beleu<strong>ch</strong>tet. Da diese Produktionen meist wesentli<strong>ch</strong> grösser als normale Inszenierungen sind, haben sie s<strong>ch</strong>nell einmal eine überregionale oder gar nationale Ausstrahlung, was natürli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Bedeutung erhöht. In einem dritten Teil gehen die AutorInnen auf die kulturpolitis<strong>ch</strong>en Aspekte ein und re<strong>ch</strong>nen dabei au<strong>ch</strong> ziemli<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong> mit der gängigen Kulturförderung ab. STuDie Zum Freili<strong>ch</strong>TTheaTer iN Der DeuTS<strong>ch</strong>S<strong>ch</strong>weiZ i VorhAng AuF «I<strong>ch</strong> glaube, dass an Orten, die ni<strong>ch</strong>t ganz so von einem zynis<strong>ch</strong>en Kulturbetrieb überfüttert sind, wie das in vielen Grossstädten der Fall ist, sondern wo <strong>Theater</strong> no<strong>ch</strong> ein den Ort beherrs<strong>ch</strong>endes Ereignis ist, wo die Spielenden und die Zus<strong>ch</strong>auenden so viel Gemeinsamkeit haben: An sol<strong>ch</strong>en Orten ereignet si<strong>ch</strong> eher no<strong>ch</strong>, dass si<strong>ch</strong> der Satz TUA RES AGITUR (übertragener Sinn: Es geht di<strong>ch</strong> an) einstellt. In dem sehr rei<strong>ch</strong>en und vielfältigen Laientheater, das vor allem die Deuts<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>weiz hat, steckt ganz viel soziale Identitätsfindung. In den Spielen - viellei<strong>ch</strong>t ni<strong>ch</strong>t in jedem Dorfs<strong>ch</strong>wank - aber in der Inners<strong>ch</strong>weiz zum Beispiel, spürt man viel stärker als in einem unendli<strong>ch</strong>en Überangebot von kulturellen Ereignissen einer Stadt: «Da ges<strong>ch</strong>ieht etwas für uns und mit uns.» Wenn man das Potential der Laienspieler so nutzt, dass es ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> ein Spiel mit Klis<strong>ch</strong>ees und mit eingefahrenen Mustern ist, sondern mit diesen Kommunikationsmitteln so umgeht, dass die Leute etwas neu denken oder über si<strong>ch</strong> hinaus wa<strong>ch</strong>sen, oder zu einem tieferen Einblick kommen, dann ist das eine enorme Chance. <strong>Theater</strong> kann Identität stiften. Im Kollektiven. Auf dem Land oder an mittelgrossen Orten tut es das viel unverkennbarer. Deswegen interessiert mi<strong>ch</strong> das au<strong>ch</strong> als <strong>Theater</strong>mann, an sol<strong>ch</strong>en Orten die grosse gemeinsame <strong>Theater</strong>feier zu veranstalten.» 1 . Spiel – regie – Autors<strong>ch</strong>aft In einem ersten Teil geht die Studie auf das eigentli<strong>ch</strong>e «künstleris<strong>ch</strong>e Personal» einer Freili<strong>ch</strong>tinszenierung ein. Einerseits die Darstellenden, die zum Teil jeden Sommer auf andere soziale Kontakte verzi<strong>ch</strong>ten und teils weite Anfahrtswege für das Mitma<strong>ch</strong>en in einer Produktion auf si<strong>ch</strong> nehmen. In einer breit angelegten quantitativen Befragung <strong>unter</strong> etli<strong>ch</strong>en Inszenierungen der Sommer 2007 und 2008 wurden Darstellende na<strong>ch</strong> den Motivations- und Wuns<strong>ch</strong>fragen in Zusammenhang mit ihrem Mitwirken befragt. Aus den rund 400 ausgewerteten Fragebogen ergab si<strong>ch</strong> ein Bild des «typis<strong>ch</strong>en» Freili<strong>ch</strong>tdarstellenden. Um der Fors<strong>ch</strong>ung aber ni<strong>ch</strong>t nur mittels Statistik gere<strong>ch</strong>t zu werden, wurden 11 ausgewählte Darstellende zusätzli<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> vertieft interviewt. Dabei wurde das Augenmerk vor allem au<strong>ch</strong> auf den Zugang zur Rolle gelegt. Interessanterweise wurden die Interviews alle zusätzli<strong>ch</strong> mit Video aufgenommen. Au<strong>ch</strong> wurden die elf Personen gebeten, einen Auss<strong>ch</strong>nitt aus ihrer Rolle mehrmals vorzuführen, damit dies aus vers<strong>ch</strong>iedenen Blickwinkeln festgehalten werden konnte. Grund für dieses Vorgehen war <strong>unter</strong> anderem au<strong>ch</strong>, herauszufinden, ob gewisse Vorstellungen – um ni<strong>ch</strong>t zu sagen Vorurteile – über das Amateurtheater wirkli<strong>ch</strong> zutreffen. In der quantitativen Untersu<strong>ch</strong>ung waren nämli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> Leute aus dem Berufstheater befragt worden, wel<strong>ch</strong>e zu einem grossen Prozentsatz davon ausgingen, dass si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t professionelle Darstellende auf der Bühne vor allem selbst spielen. Aufgrund dieser Vorgehensweise konnten die Fors<strong>ch</strong>enden beweisen, dass si<strong>ch</strong> kaum ein Unters<strong>ch</strong>ied feststellen lässt. Was aber no<strong>ch</strong> viel wi<strong>ch</strong>tiger ist: Da au<strong>ch</strong> Umfragen <strong>unter</strong> dem Publikum dur<strong>ch</strong>geführt wurden – Praxispartner für die Fors<strong>ch</strong>ungsarbeit war <strong>unter</strong> anderen das Lands<strong>ch</strong>aftstheater Ballenberg – konnte au<strong>ch</strong> festgestellt werden, dass si<strong>ch</strong> das Publikum gar ni<strong>ch</strong>t dafür interessiert, ob die Darstellenden nun professionell ausgebildet sind oder ni<strong>ch</strong>t. In erster Linie will das Publikum nämli<strong>ch</strong> <strong>unter</strong>halten werden. Fazit dieses Untersu<strong>ch</strong>ungsteils: Es gibt keinen Typus von Amateurtheaters<strong>ch</strong>affenden. Dur<strong>ch</strong> ihre speziellen und vielfältigen Fähigkeiten und Kenntnisse, die Amateure ins Spiel einbringen, berei<strong>ch</strong>ern sie ni<strong>ch</strong>t nur das Spiel, sondern gerade im Freili<strong>ch</strong>ttheater quasi als Mitautoren au<strong>ch</strong> deren Inhalte. Die Regie im Freili<strong>ch</strong>ttheater TheaTer-ZyTig 1001 Volker Hesse 05