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2008-04

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Gesellschaft<br />

der Familie Traber hat eine lange Tradition aus Stolz und<br />

Leidenschaft, die über Jahrhunderte hinweg nur aufrechterhalten<br />

werden konnte, weil ein tiefes und festes Familienband<br />

aus Vertrauen und Erfahrung von Generation zu<br />

Generation geknüpft wurde. Ein Zusammenhalt, der von<br />

jedem Familienmitglied von Kindheit an eine eiserne Disziplin,<br />

harte Arbeit mit viel Fleiß und Ausdauer und eine verantwortungsbewusste<br />

Zuverlässigkeit verlangt, um die stets<br />

präsenten hohen Risiken, die mit der vielfältigen Kunst der<br />

Hochseilartistik verbunden sind, kalkulierbar und damit so<br />

gering wie möglich zu halten. Auch wenn in der langen<br />

Tradition dem Ruf der Hochseilartistik nicht jedes Familienmitglied<br />

gefolgt ist, der bedingungslose Zusammenhalt<br />

innerhalb der Familie Traber, das Füreinander-da-sein, das<br />

sich hundertprozentig auf den anderen verlassen können,<br />

all diese Eigenschaften sind Familientugenden, die in unserer<br />

heutigen Gesellschaft aus vielerlei Gründen zunehmend<br />

verloren gehen. Von daher gesehen steht die Familie<br />

Traber in unserer Zeit beispielhaft für ein gut funktionierendes,<br />

intaktes und gelebtes Familienleben. „Wir Trabers<br />

haben den Beruf des Seilkünstlers gewählt, ganz recht: Die<br />

Familie hat ihn gewählt und alle sitzen in einem Boot. Das<br />

gemeinsame Schicksal, sich auf den anderen zu verlassen,<br />

dieses Band hält uns stärker zusammen, als dies vielleicht<br />

bei einer Familie der Fall ist, in der jeder jeden Tag etwas<br />

anderes erlebt.“ 1) An dieser Stelle sei erwähnt, dass es<br />

heute zwei Traberfamilien gibt, die das Hochseilerbe weiterführen,<br />

die Familie Johann Traber, bei der wir zu Gast<br />

waren, mit ihrer „Original Johann Traber Show“, und die<br />

Familie Falko Traber, ein Bruder von Johann Traber senior,<br />

mit der „Falko Traber Hochseilshow“. (Nachzulesen unter<br />

www.traber-show.de sowie www.sky-walker.de)<br />

Ein Leben mit der Angst<br />

„Das Außerordentliche ist das Normale, das ist, glaube<br />

ich, eine zutreffende Einordnung für das, was wir tun.“ 1)<br />

Und zu diesem außerordentlichen Normalen zählt auch die<br />

Angst. Sie ist der ständige Wegbegleiter der Hochseilartisten<br />

und somit auch der Familie Johann Traber. In seinem<br />

Buch spricht Johann Traber senior ganz offen über diese<br />

Angst. Und sie ist begründet, hat er doch in seiner über<br />

50-jährigen Berufserfahrung als Hochseilartist nicht nur<br />

Hunderte von Beinahe-Abstürze erlebt, sondern auch ungezählte<br />

Unfälle mit schweren körperlichen Verletzungen,<br />

bis hin zu tödlichen Abstürzen. Den letzten tödlichen Absturz<br />

erlebte die Familie Traber 1995 in Baden-Baden. Der<br />

befreundete Artist Lutz Schreyer, der, ausgestattet mit einer<br />

Helmkamera, hinter dem Bruder von Johann Traber, Falko,<br />

lief, um den neuen Längenweltrekord auf dem Seil „live“<br />

zu filmen, plötzlich strauchelte und 24 Meter in die Tiefe<br />

stürzte. „... es sind natürlich auch die Abstürze, die unser<br />

Artistenleben prägen. Die Unwägbarkeit, sicher übers<br />

Seil zu kommen, diese Unwägbarkeit gibt es. Es ist ein<br />

verdammt gefährliches Spiel, das wir treiben, auch wenn<br />

man viel Routine hat.“ ... „machen wir uns nichts vor. Wir<br />

können Abstürzen nicht ausweichen, auch wir nicht, die<br />

wir strikt professionell arbeiten“ .... „Auch als Vater und<br />

Trainer meiner Kinder ist die Angst für mich ein ständiger<br />

Begleiter ... sind unsere Kinder auf dem Seil unterwegs,<br />

besteht ein unsichtbares Band zwischen uns. Doch wir haben<br />

Angst, natürlich haben wir Angst. Wir wollen uns nie<br />

loslassen, denn wir können nur als Familie überleben.“ 1)<br />

Menschen wie die Familie Johann Traber, die ständig im<br />

Grenzbereich zwischen Leben und Tod, zwischen buntem<br />

Artistenkostüm und weißem Totenhemd ihren Lebensunterhalt<br />

verdienen, müssen es von Kindheit an lernen mit<br />

dieser Angst umzugehen. Sie in den Griff zu bekommen ist<br />

ein ständiger Prozess, der nie endet, solange der Beruf des<br />

Hochseilartisten ausgeübt wird, und nicht selten verbirgt<br />

sich hinter der Aussage des Artisten, er habe „Respekt vor<br />

der Höhe“ in Wahrheit die Angst vor der Tiefe. „Hochseilartistik<br />

ist ein ganz besonderes Geschäft – und das ist<br />

keine Hochstapelei. Wenn ich manchmal über Aktionen<br />

16 durchblick 4/<strong>2008</strong>

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