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2008-04

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Historisches aus dem Siegerland<br />

Humanist und Reformator<br />

Philipp Melanchthon (1497–1560)<br />

Sein Einfl uss auf das Schulwesen und Religion in Siegen<br />

Wir sind zum<br />

Gespräch miteinander<br />

geboren.<br />

Melanchthon (Bild)<br />

Die Kirchenreformation bedeutete Erneuerung der Kirche<br />

unter Rückgriff auf die Ursprünge. Grundgedanke war<br />

die Erneuerung der Kirche im Sinne urchristlicher Reinheit<br />

zur Überwindung der Missstände. Sie führte, gegen<br />

die Absicht der Reformatoren, zur Spaltung der universalen<br />

mittelalterliche Kirchen in vom Papsttum unabhängige<br />

Kirchengemeinschaften.<br />

Es ging ein neuer<br />

Geist durch die<br />

Welt. Das griechische<br />

Menschheitsideal<br />

(humanitas) war in<br />

Italien plötzlich wiedererstanden<br />

beim<br />

Lesen der Schriften<br />

der griechischen Denker<br />

und Dichter, beim<br />

Betrachten der griechisch-römischen<br />

Bauten und Bildwerke. Renaissance und<br />

Humanismus traten ihre Herrschaft an. Und diese Geistesströmungen<br />

drangen von den Fürstenhöfen Italiens zu Beginn<br />

des 16. Jahrhunderts über die Alpen auf die deutschen<br />

Universitäten, und von den Universitäten, sobald diese erst<br />

humanistische Lehrer ausgebildet und ins Leben gesandt<br />

hatten, auch in Schulen und Haus. Gleichzeitig entstand in<br />

Deutschland die durch Martin Luther ausgelöste religiöse<br />

Bewegung, gegen das Papsttum und kirchliche Institutionen<br />

für eine „reformierte“ Kirche. Humanismus und Reformation<br />

wirkten sich nachhaltig auf die politisch- soziale<br />

Entwicklung, die intellektuelle Kultur und selbst auf das<br />

Alltagsleben von Bauern, Bürgern und Adel der deutschen<br />

Gesellschaft aus. Renaissance und Humanismus bedeutete<br />

das Wiederaufleben des klassischen Altertums, bedeutete<br />

die Anerkennung des Menschen als eines Berechtigten und<br />

als des Höchsten in der Welt, forderte das Recht der Individualität<br />

und ihre Befreiung vom scholastischen Denken<br />

des Mittelalters. Sie brachten das Aufhören der mittelalterlichen<br />

Gebundenheit, bisher gültige Bindungen an Staat<br />

und Kirche lockerten sich und die Betonung der menschlichen<br />

Individualität, nach dem Vorbild der Antike, setzte<br />

sich durch. Die Renaissance drückte sich vor allem in den<br />

Künsten aus, die die Sinne ansprechen: Architektur und Malerei.<br />

Der Humanismus bezeichnete die wissenschaftliche,<br />

literarische Seite dieser Strömung. Für die Humanisten galt<br />

das antike Kultur- und Menschenbild als Wunsch und Zielvorstellung.<br />

Durch das Studium antiker Literatur und Philosophie<br />

glaubten die Humanisten zu den Quellen echten<br />

Menschentums zurückgekehrt zu sein. Sprachliche Bildung<br />

galt für sie als Weg zu diesem Menschentum.<br />

Einer der bedeutendsten deutschen Humanisten des 16.<br />

Jahrhunderts war Philipp Melanchthon. Er wurde 1497 als<br />

Philipp Schwarzerd in Bretten in der Kurpfalz geboren. An<br />

der Stelle des Geburtshauses wurde zwischen 1897 und 1903<br />

ein Gedächtnishaus im neugotischen Stil gebaut. Nach dem<br />

Tod des Vaters, eines kurfürstlichen Waffenmeisters, kam<br />

Philipp mit elf Jahren zu seiner Großmutter nach Pforzheim<br />

und stand dort unter der Obhut seines Großonkels, dem<br />

berühmten Humanisten Johannes Reuchlin (1455–1522),<br />

der ein hervorragender Kenner des Griechischen und Hebräischen<br />

war. Philipp war sehr sprachenbegabt, mit zwölf<br />

Jahren las und sprach er Latein, Griechisch und konnte Hebräisch.<br />

Reuchlin gab Philipp als Anerkennung für seine<br />

Sprachkenntnisse den Humanistennamen „Melanchthon“<br />

(griechische Übersetzung für „schwarze Erde“). Mit zwölf<br />

Jahren hörte er Vorlesungen über fast alle Wissensgebiete<br />

an der Heidelberger Universität, studierte später in Tübingen,<br />

mit sechzehn Jahren gab er eine griechische Grammatik<br />

heraus, mit siebzehn Jahren hielt er an der Universität<br />

Vorlesungen und im Jahre 1518, als er 21 Jahre alt war,<br />

erhielt er einen Ruf als Griechischprofessor an die Philosophischen<br />

Fakultät, der im Jahre 1502 vom Kurfürst Friedrich<br />

III., der Weise, gegründeten Universität in Wittenberg.<br />

Bis zu seinem Tod wirkte er hier als Erzieher und Lehrer,<br />

reformierte die Universität im humanistischen Sinne und<br />

wurde Mitstreiter und engster Mitarbeiter von Martin Luther,<br />

der auch ein Mann humanistischer Bildung war. Seit<br />

1509 war Martin Luther Professor der Theologie an der<br />

Universität von Wittenberg und wurde 1517, als er seine<br />

Thesen gegen den Ablass veröffentlichte – eine revolutionäre<br />

Kampfschrift gegen die römische Kirche – zum Mittelpunkt<br />

des geistlichen Lebens. Der Freundesbund Luthers<br />

und Melanchthons hat das deutsche Geistesleben umgestaltet.<br />

Luther wirkte mehr für Kirche und Staat, Melanchthon<br />

mehr für Universität und Schule.<br />

Melanchthon betrachtete die Bildung und Erziehung der<br />

Jugend als seine wichtigste Aufgabe. Er war der Meinung,<br />

dass Bildung nur durch sprachlich-literarische Ausbildung<br />

erreicht werden kann. Nur sie bringt den Menschen eruditio<br />

(„Bildung“, wörtlich übersetzt: „Ent-Rohung“). Durch<br />

sie vermag der Mensch geordnet zu denken und sich klar<br />

und sachgemäß auszudrücken. Ein gebildeter Mensch wird<br />

26 durchblick 4/<strong>2008</strong>

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