2008-04
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Friedhof: Stätte der Begegnung und der Trauer<br />
Bestattungsformen wandeln sich<br />
Wenn ein Mensch stirbt, so sind dessen Angehörige,<br />
Verwandte und Freunde zunächst sehr betroffen. Das gilt<br />
umso mehr, wenn es sich bei dem Verstorbenen um einen<br />
jungen Menschen handelt. Eine Welt zerbricht und die<br />
nächsten Angehörigen verfügen am wenigsten über einen<br />
klaren Kopf um wichtige Entscheidungen zu treffen. Um<br />
solchen Situationen vorzubeugen, schließen manche Menschen<br />
schon zu Lebzeiten ein individuelles Leistungs- und<br />
Vorsorgepaket ab. Die Hinterbliebenen müssen dann nur<br />
noch das Unternehmen über den Todesfall informieren.<br />
Ein Sache, die ansteht, ist die Frage der Grabstätte.<br />
Friedhöfe als Stätten der letzten Ruhe sind Orte der Trauer<br />
und Stille, aber auch der Hoffnung. Im Friedhofswegweiser<br />
der Stadt Siegen werden sie sogar als Orte des Lebens und<br />
der Begegnung bezeichnet: „Viele Menschen schätzen insbesondere<br />
aufgrund des alten Baumbestandes die Siegener<br />
Friedhöfe als grüne Erholungsräume …“ Es vollziehen sich<br />
Begegnungen zwischen Trauernden und Spaziergängern.<br />
Auch ein Teil der Stadtgeschichte wird auf den Stadtteilfriedhöfen<br />
lebendig.<br />
Der Seniorenbeirat unserer Stadt hat sich im März dieses<br />
Jahres in einer seiner Sitzungen mit dem Thema „Sterbefall<br />
– was ist zu tun?“ beschäftigt. Mitarbeiter der städtischen<br />
Friedhofsverwaltung informierten zu den Siegener Friedhöfen<br />
sowie den Kosten und Gebühren für den Trauer- und Bestattungsfall.<br />
Auch wurde über die neuesten Entwicklungen<br />
informiert. So ist die Zahl der Urnenbeisetzungen erneut<br />
gestiegen und machte im vergangenen Jahr 59 % der Bestattungen<br />
im Siegener Stadtgebiet aus. Auch der demogra-<br />
Gesellschaft<br />
Andachtsplatz in dem Friedhofswald am Hermelsbacher Friedhof<br />
fische Wandel macht sich bemerkbar.<br />
Da die Kinder oft wegziehen, können<br />
sie sich nicht mehr um die Grabpflege<br />
kümmern. Das hat zur Folge, dass die<br />
Nachfrage nach Familiengräbern abnimmt,<br />
dafür aber die Erdbestattung in<br />
Reihengräbern zugenommen hat. Auch<br />
Rasengräber werden immer beliebter,<br />
eine anonyme Bestattung ist nur auf<br />
dem Lindenbergfriedhof möglich.<br />
Eine relativ neue Möglichkeit ist der<br />
Platz unter Bäumen: ein Friedhofswald,<br />
manchmal auch Friedwald genannt. So<br />
gibt es in Siegen seit 2007 diese Bestattungsmöglichkeit<br />
in einem Wald<br />
oberhalb des Hermelsbacher Friedhofs.<br />
Der Friedhofswald liegt in einem alten<br />
Rotbuchenbestand mit einigen Eichen<br />
und Kirschbäumen und stellt von seiner<br />
Lage her eine Oase der Ruhe dar.<br />
Wesentlich für den Friedhofswald ist,<br />
dass er einen pietätvollen Ort der Stille<br />
für Bestattungen anbietet. Im Siegener<br />
Friedhofswald wird ein Andachtsplatz freigehalten, auf<br />
dem ein Holzkreuz als christliches Symbol steht.<br />
Die neuartige Bestattungsform, ursprünglich eine Idee<br />
aus der Schweiz, spricht hierzulande immer mehr Menschen<br />
jeden Alters an. So können sich einer neueren Umfrage<br />
zufolge 57 % der Bevölkerung vorstellen, außerhalb<br />
eines herkömmlichen Friedhofs beigesetzt zu werden. Die<br />
Demoskopen folgern daraus: „Dieses Ergebnis zeigt deutlich,<br />
dass einer der traditionsreichsten Bereiche menschlichen<br />
Lebens hinsichtlich der Rituale und Wertvorstellungen<br />
in starkem Umbruch begriffen ist.“ Ein Kriterium sich<br />
für eine solche Beerdigungsform zu entscheiden ist auch,<br />
dass man ein Grab nicht pflegen kann oder möchte – diese<br />
Aufgabe übernimmt hier die Natur. Auch die Kosten spielen<br />
eine Rolle: Eine Baumbestattung kann deutlich preiswerter<br />
ausfallen als ein klassisches Begräbnis. So spricht eine Befragte<br />
aus, was heute offensichtlich viele denken: „Ich halte<br />
die klassische Grabpflege für wenig zeitgemäß. Und wird<br />
sie nicht häufig weniger im Andenken an einen Verstorbenen<br />
als vielmehr zur Zufriedenheit anderer Grabbesucher<br />
betrieben? Eine Grabstätte im Wald, ruhen am Fuß eines<br />
Baumes, über die Asche wieder in die Natur eintreten – das<br />
gefiel uns viel besser.“<br />
Oft wird gesagt, der Friedhof sei ein Ort für Tote, doch<br />
für die Hinterbliebenen spielt er ebenfalls eine erhebliche<br />
Rolle. Am Grab hat der Trauernde die Möglichkeit seinem<br />
Schmerz durch aufwendige Grabpflege Ausdruck zu verleihen.<br />
Dabei muss er sich jedoch an gewisse Vorschriften<br />
halten, die in den Friedhofssatzungen festgelegt sind. Das<br />
46 durchblick 4/<strong>2008</strong><br />
Foto: Grünflächenamt der Stadt Siegen