2008-04
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se. Sie ist von unzähligen Bienen bevölkert. Er fasst die Wabe<br />
vorsichtig am Rand an, um keine der Einwohnerinnen zu<br />
zerdrücken. Seine Bewegungen sind langsam und gemessen.<br />
Ganz anders die Bienen. Es ist ein quirliges Volk, jedes<br />
einzelne Insekt hat seine Aufgabe und will diese anscheinend<br />
so rasch wie möglich erledigen. Stechen gehört nicht<br />
zu den Gewohnheiten der Pollensammler. „Eine Biene, die<br />
auf einer ruhigen Hand sitzt, sticht nicht“, sagt Erhard Groß.<br />
Und das ist der Schlüssel. Jede schnelle oder hektische Bewegung<br />
beunruhigt<br />
das Volk. Bienen<br />
spüren den Stress<br />
eines Imkers, der<br />
unter Anspannung<br />
seine Aufgabe erledigt.<br />
Daher sind sie<br />
gute Lehrer in Sachen<br />
„Ruhe“. Der<br />
Umgang mit ihnen<br />
lehrt zwangsläufig<br />
ruhiges und<br />
konzentriertes Arbeiten.<br />
Zwar sind<br />
die Völker mittlerweile<br />
auf Sanftmut<br />
gezüchtet, doch das<br />
wird sich demjenigen<br />
verschließen,<br />
der mit ihnen nicht<br />
bedachtsam und<br />
wohlüberlegt umgeht.<br />
Und so ergibt<br />
sich unwillkürlich,<br />
dass der Imker Erhard<br />
Groß immer<br />
ausgeglichener<br />
wird und endlich<br />
vom Scheitel bis zur Sohle Gelassenheit ausstrahlt. Er weiß,<br />
warum das so ist: „Die Bienen haben mich erzogen.“<br />
„Auf dem Heimweg trafen die Männer auf einen Schweinehirten,<br />
der da gemächlich bei seiner Herde lag, vergnüglich<br />
sein Essen verzehrte und mit seinem Kinde spielte. Das<br />
sahen die Männer des Königs mit Erstaunen, traten herzu<br />
und fragten den Mann, wie es käme, dass er so vergnüglich<br />
wäre und hätte doch nur ein so geringes Auskommen?<br />
Meine lieben Herren, sprach der Sauhirt, das kommt daher,<br />
weil ich mit dem, was ich habe, zufrieden bin.“<br />
„Ich kann stundenlang im Garten sitzen und den Bienen<br />
zuschauen“, sagt Erhard Groß und ergänzt: „Hier ist es so<br />
schön, hier fühle ich mich wohl und hier habe ich ständige<br />
Erholung. Über jeden Tag kann ich mich freuen. Eine Urlaubsreise<br />
ist für mich ganz und gar überflüssig, weil ich<br />
nirgendwo so gut ausspannen kann wie hier daheim bei den<br />
Personen<br />
Die Honigbiene<br />
Betrachtungen von Erhard Groß<br />
Sie leben zu Zehntausenden auf engstem Raum zusammen und<br />
doch funktioniert ihr Miteinander reibungslos. Denn der Staat der<br />
Honigbiene wird unglaublich schnell und fein abgestimmt, über<br />
Duftmoleküle gesteuert, die die Königin der Biene aussendet.<br />
Das Leben einer Arbeiterin im Staat der Honigbiene ist kurz, aber<br />
abwechslungsreich. Während der ersten Wochen macht sie Innendienst<br />
im Bienenstock. Sie reinigt die Zellen, nimmt der Flugbiene<br />
die gesammelten Pollen ab, stampft diese Pollen und füttert die<br />
Brut. Später versieht sie Wächterdienste am Flugloch und übernimmt<br />
erste Flugübungen. Erst ab dem 22. Lebenstag darf sie den<br />
Stock verlassen, um Nektar und Honigtau zu sammeln.<br />
Ihre Kolleginnen unterrichten sie in der Bienensprache, dem<br />
Rund- und Schwänzeltanz, über die besten Nektarpflanzen. In<br />
einem Garten oder Park mit blühenden Sträuchern und Blumen<br />
kannst du sehen, dass eine Honigbiene immer nur die Blüten einer<br />
einzigen Pflanzenart besucht. Die Hummel dagegen bummelt von<br />
einer Pflanzenart zur anderen. Darum ist das Pollenhöschen der<br />
Biene immer einfarbig, das der Hummel manchmal kunterbunt.<br />
Und deswegen ist die Bienenzucht einer der schönsten und edelsten<br />
Freizeitgestaltungen, birgt sie doch in sich die Wunder der<br />
Natur und vermittelt uns das Empfinden unseres Schöpfers.<br />
Bienen.“ Vor einigen Jahren hat er einmal aufgeschrieben,<br />
was ihm bei seiner Passion wichtig erscheint. Er gibt mir<br />
die Aufzeichnungen mit den Worten: „Eigentlich wollte ich<br />
das den hiesigen Zeitungen zusenden, doch daraus ist bisher<br />
nichts geworden.“<br />
Etwas bedrückt ihn trotz der vorherrschenden Fröhlichkeit:<br />
„Der Nachwuchs fehlt und ich fürchte, die Bienenzucht<br />
geht in den Keller.“ Derlei Mitgliederklagen sind heute bei<br />
vielen Freizeitbeschäftigungen nicht ungewöhnlich. Für<br />
den einen oder anderen<br />
mag ein Nachteil<br />
sein, dass die Imkerei<br />
in der Natur<br />
stattfindet und unabhängig<br />
vom Wetter<br />
ausgeübt werden<br />
muss. Wer sich daher<br />
in der Natur nicht<br />
wohlfühlt oder gar<br />
Angst vor krabbelnden<br />
Tieren hat, kann<br />
kein Imker sein.<br />
So ist es gut,<br />
wenn die Bienenzüchter<br />
zusammenhalten.<br />
Sie wissen<br />
um die Wichtigkeit<br />
ihrer Passion. Als<br />
Erhard Groß durch<br />
seine Krankheit ausfällt,<br />
übernehmen<br />
zwei Kollegen viele<br />
Monate lang wie<br />
selbstverständlich<br />
die Arbeit an seinen<br />
mittlerweile noch<br />
zwanzig Völkern.<br />
„Die Stöcke müssen erhalten bleiben und du musst weiter<br />
Imker sein“, so lautete ihre Begründung.<br />
Die Geschichte vom Hemd des Zufriedenen endet nicht<br />
so gut wie die Geschichte von Erhard Groß. Zwar hatten<br />
die ausgesandten Männer endlich einen Zufriedenen gefunden,<br />
doch dann stellte sich heraus, dass dieser gar kein<br />
Hemd besaß:<br />
„So gern ich Euch, meine lieben Herren, in Eurem Anliegen<br />
möchte zu Willen sein, so ist es mir doch nicht möglich;<br />
denn Zufriedenheit habe ich wohl, aber kein Hemd am<br />
Leibe. Als die Männer diese Worte des Sauhirten vernahmen,<br />
erschraken sie und gaben nun ganz die Hoffnung auf,<br />
ein Hemd zu finden, wie es dem Könige Not tat. So musste<br />
denn der König seine Sorgen ferner tragen und voll Unruhe<br />
oft Nächte lang auf seinem Bette liegen, ohne dass der<br />
Schlaf in seine Augen kam, und konnte ihm nicht geholfen<br />
werden.“<br />
Ulli Weber<br />
24 durchblick 4/<strong>2008</strong>