2008-04
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Gesellschaft<br />
Wenn 351 Euro zum Leben reichen müssen ...<br />
Armut ist in unserem Land wieder zum Thema geworden.<br />
Altersarmut ist bereits ein soziales Problem.<br />
Die Senkung des Rentenniveaus, die Zuzahlungen für<br />
die Gesundheitsleistungen und letztlich die Regelsätze<br />
der „Hartz-IV-Gesetzgebung“ im Amt für Grundsicherung<br />
(früher Sozialamt) haben auch in Siegen ältere Menschen<br />
materiell und psychisch in Not gebracht. In den vergangenen<br />
Monaten haben Kirche und Diakonie, Einrichtungen wie<br />
„ALTERAktiv“ und der „Seniorenbeirat“ einen Stadtrundgang<br />
„Auf den Spuren der Armut“ unternommen.<br />
Erich Kerkhoff, Vorsitzender des Vereins „ALTER-<br />
Aktiv“, verwies dabei auf den gravierenden Unterschied<br />
zwischen den Opfern der Altersarmut und den Menschen,<br />
die im Alter nicht davon betroffen sind. Dem Rückzug in<br />
Passivität und Vereinsamung, mit Folgen psychischer und<br />
gesundheitlicher Beeinträchtigung, steht die lebendige<br />
Teilnahme am öffentlichen Leben, Mut zum Neubeginn<br />
im „dritten Lebensalter“, gegenüber. Da gibt es ein breites<br />
Spektrum von Angeboten, zum Beispiel im Mehrgenerationenzentrum<br />
Martini in der St.-Johann-Straße, mit vielseitigem<br />
Programm von „ALTERAktiv“. Praktische Hilfen<br />
durch die Diakonie mit dem Kleiderladen stehen allen<br />
Seniorinnen und Senioren offen. Aber auch hier sind es<br />
die verschämten Armen, die sich aus Scheu nicht aus der<br />
Anonymität wagen und die letzte sich bietende Hilfe, den<br />
Antrag auf Grundsicherung, aus Unkenntnis, Hilflosigkeit,<br />
Scham und Resignation nicht in Anspruch nehmen. Verschämte<br />
Arme wurden auf den „Spuren der Armut“ – wie<br />
der Name bereits verrät – nicht aufgespürt.<br />
Wir werden immer älter: „Unser Leben währet 70 Jahre,<br />
wenn es hoch kommt währet es 80, und wenn es köstlich<br />
gewesen ist, dann ist es Mühe und Arbeit gewesen.“<br />
Ein Bibelwort, das durch die Jahrhunderte seine Gültigkeit<br />
behalten hat, könnte durch den demografischen Wandel<br />
in unserer Zeit anders betrachtet werden, zum Beispiel so:<br />
„Wenn es hoch kommt, währet es 90 oder 100 Jahre –<br />
und wenn es köstlich gewesen ist, dann war es nicht von<br />
der Hartz-IV-Gesetzgebung betroffen.“<br />
Unser Ex-Bundespräsident Rudolf Herzog unkte im<br />
Frühjahr in den Medien: „Ich fürchte, wir sehen die Vorboten<br />
einer Rentnerdemokratie, in der am Ende die Älteren<br />
die Jüngeren ausplündern.“<br />
Ein erstaunlicher Satz, vor allem bei dem Gedanken an<br />
Rentner, die Arbeitslosengeld II oder gebräuchliches Hartz<br />
IV erhalten.<br />
Der „durchblick“ sprach mit Horst Fischer, Leiter des<br />
Fachbereichs Soziales, Familien, Jugend, Wohnen. Er ist<br />
zugleich auch der Demografiebeauftragte der Stadt Siegen<br />
und kann zukunftsweisende Einblicke in die Entwicklung<br />
der Altersstruktur der Siegener Bevölkerung geben. Fischer<br />
dazu: „In weniger als 20 Jahren werden mehr als 50 % der<br />
Siegener Einwohnerschaft älter als 60 Jahre sein. In Siegen<br />
gibt es schon jetzt 4.000 Häuser, in denen der jüngste Be-<br />
Demnächst: „Tafel auf Räder?“<br />
Praktische Soforthilfe gegen Hunger kann nicht<br />
amtlich geregelt werden. Es gibt keine Behörde, die Essenskörbe<br />
verteilt oder Tische und Tafeln deckt, aber es<br />
gibt bundesweit 800 Tafeln, Einrichtungen gegen den<br />
Hunger. In Siegen füllen ehrenamtliche Helfer seit zehn<br />
Jahren Körbe, Taschen und andere Behälter von Menschen,<br />
die Hilfe brauchen mit Lebensmitteln. Etwa 4000<br />
Gäste kommen wöchentlich Dienstag und Donnerstag<br />
zum Fabrikgebäude am Hammerwerk 1 in Weidenau.<br />
Die Schlange vor der Ausgabestelle wird immer länger.<br />
Aber es gibt auch Bedürftige, die nicht in der Lage sind<br />
zu kommen um die Hilfe dieser segensreichen Einrichtung<br />
in Anspruch zu nehmen. Es sind Gehbehinderte,<br />
Rollstuhlfahrer, oder aus anderen Gründen ans Haus<br />
Gefesselte, darunter viele von Altersarmut Betroffene,<br />
die die Hilfe dieser Einrichtung nicht in Anspruch nehmen<br />
können. Der Vorstand der Tafel sucht nun gemeinsam<br />
mit „ALTERAktiv und dem Sozialamt motorisierte<br />
„Tafelfreunde“, die bereit wären den Paketboten zu spielen<br />
so dass auch hier geholfen werden kann. Im nächsten<br />
durchblick mehr dazu.<br />
An den immer länger werdenden Warteschlangen vor den Aus<br />
50 durchblick 4/<strong>2008</strong>