2008-04
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Personen<br />
meinsam mit seinem von ihm selbst ausgebildeten Sohn<br />
ein Stuck- und Putzgeschäft eröffnet, wird alles das,<br />
was bislang seinen ruhigen Gang hatte, unendlich viel<br />
schwieriger. Das kleine Familienunternehmen wagt sich<br />
an alle Herausforderungen, endlich sogar an historische<br />
Fassaden, bei denen viele andere zuvor das Handtuch<br />
geworfen hatten. Vater und Sohn verschaffen sich dank<br />
sauberer Ausführungen einen guten Ruf bei Architekten<br />
und Bauämtern. Dass eine Selbstständigkeit auch mancherlei<br />
Nachteile hat, zeigt sich indes recht bald. Die von<br />
der miesen Zahlungsmoral mancher Kunden angeführten<br />
Plagegeister stellen sich ein. Vor allem nachts sind sie<br />
unterwegs, die kleinen Unruhestifter. Sie machen ihm<br />
das Leben sauer, sie piesacken und sie drangsalieren ihn.<br />
Zuerst nur manchmal, dann immer häufiger. Mal wecken<br />
sie ihn um vier Uhr, bisweilen noch früher. Der Kampf<br />
um die Preise, der ständige Termindruck, die ewigen Anrufe<br />
der Bauherren und die anhaltende Hektik zermürben<br />
und machen dünnhäutig.<br />
„Es war einmal ein reicher König, dem machte das Regieren<br />
so viel Sorgen, dass er darum nicht schlafen konnte<br />
die ganze Nacht. Das ward ihm zuletzt so unerträglich, dass<br />
er seine Räte zusammenrief und ihnen sein Leid klagte. Es<br />
war aber darunter ein alter, erfahrener Mann, der erhob<br />
sich, da er vernommen, wie es um den König stand, von<br />
seinem Stuhle und sprach: Es gibt nur ein Mittel, dass wieder<br />
Schlaf in des Königs Augen kommt, aber es wird schwer<br />
zu erlangen sein; so nämlich dem Könige das Hemd eines<br />
zufriedenen Menschen geschafft werden könnte und er das<br />
beständig auf seinem Leibe trüge, so halte ich dafür, dass<br />
ihm sicherlich geholfen würde.“<br />
Schon als Kind und als Jugendlicher hat Erhard Groß<br />
eine Schwäche für die Imkerei. Es ist vierzig Jahre her,<br />
da meldet er sich bei einer Imkerschule in Bayern an und<br />
reist gen Süden. Bei Bad Birnbach erfährt er, wie man<br />
Imker wird, was man für den Anfang benötigt, welcher<br />
Aufwand ansteht und welche Utensilien erforderlich<br />
sind. Als er das notwendige Wissen besitzt, ziert schnell<br />
ein großes Bienenhaus den Garten. Das Schmuckstück<br />
zieht auf Anhieb die bewundernden Blicke der Imkerkollegen<br />
auf sich. Nach Feierabend verbringt Erhard Groß<br />
zahlreiche Stunden bei den Immen. Er kann das abwechslungsreiche<br />
Hobby recht gut neben der Arbeit betreiben.<br />
Irgendwann stehen zusätzliche „Beuten“ aus Kunststoff<br />
im Garten. So nennen die Imker einzeln aufgestellte Bienenstöcke.<br />
Und letztlich wird ein zweites Bienenhaus<br />
im Freudenberger Ortsteil Hohenhain erstellt. Der Honig<br />
vom dortigen Waldesrand schmeckt anders und die Erträge<br />
sind höher. Jetzt hat er rund vierzig Bienenvölker zu<br />
betreuen. Sofort merkt er, wenn in einem Stock irgendetwas<br />
nicht stimmt und er ist mächtig stolz darauf, dass<br />
ihm noch nie ein Volk eingegangen ist. Als er sich einmal<br />
mit seinem Honig an einem Qualitätswettbewerb beteiligt,<br />
erobert er prompt die Goldmedaille. Die Urkunde<br />
hierzu hängt auf dem Flur neben etlichen zum Verkauf<br />
bestimmten Gläsern mit Honig.<br />
Nach der Firmengründung ändert sich manches. An<br />
vielen Abenden fehlt zu seinem großen Leidwesen die<br />
notwendige Zeit für das Steckenpferd. Es muss doch<br />
klappen, denkt er, ich muss die Bienen doch versorgen.<br />
Er nimmt seine Liebhaberei, die eigentlich schon lange<br />
eine Leidenschaft ist, sehr ernst. Rasch wird an den<br />
Werktagen das erledigt, was unerlässlich ist. Alles andere<br />
bleibt viel zu häufig bis zu den Wochenenden liegen. Das<br />
macht zusätzlich unzufrieden, und die Unannehmlichkeiten<br />
des Arbeitstages gehen ohnedies nicht aus dem<br />
Kopf. Er hadert insgeheim oft mit den Gegebenheiten.<br />
Eine Besserung wird erst nach dem Eintritt in den Ruhestand<br />
möglich sein. Und tatsächlich beginnt ab diesem<br />
Tag die Wende.<br />
„Da das der König vernahm, beschloss er, dem Rate des<br />
klugen Mannes zu folgen und wählte eine Anzahl Männer,<br />
die sollten das Reich durchwandern und schauen, ob sie<br />
nicht ein Hemd finden könnten, wie es dem Könige Not<br />
tat. Sie fragten von Haus zu Haus, von Hütte zu Hütte, sie<br />
gingen in das nächste Dorf und weiter von da, sie kehrten<br />
bei Armen und bei Reichen ein, aber keinen fanden sie, der<br />
ganz zufrieden war. Da kehrten die Männer traurig wieder<br />
um und begaben sich auf den Heimweg.“<br />
Erhard Groß nimmt mich mit in den Garten. Hier steht<br />
das Bienenhaus und hier befinden sich auch etliche von<br />
oben zu öffnende Kunststoff-Beuten. Im Mund hat er eine<br />
Imkerpfeife<br />
und bläst den<br />
Rauch in eine<br />
der Beuten.<br />
Die sich vor<br />
Feuer fürchtenden<br />
Bienen<br />
nehmen<br />
den Rauch<br />
rasch wahr,<br />
sie beginnen<br />
instinktiv,<br />
sich auf eine<br />
Flucht vorzubereiten<br />
und suchen<br />
eilends die<br />
Honigwaben<br />
auf. Eine<br />
dieser Waben<br />
nimmt<br />
Erhard Groß<br />
nun aus dem<br />
Gehäu- <br />
Der Imker bläst den Rauch in eine<br />
der Beuten<br />
2 Fotos: Uli Weber<br />
durchblick 4/<strong>2008</strong> 23