Marseille, Calanques, Côte Bleue (Auszug, Blick ins Buch)
Reise- und Wanderführer mit den schönsten Stadt- und Küstenwanderungen Marseilles
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Ulrich Fuchs<br />
<strong>Marseille</strong> –<br />
ein Modell für Europa?<br />
Gastbeitrag von Ulrich Fuchs,<br />
Programmdirektor <strong>Marseille</strong>-Provence 2013<br />
Wenn eine Reisegruppe im Mai 2017 am<br />
Flughafen <strong>Marseille</strong> landet, um die Pro -<br />
vence zu besuchen und aus „Bedenken<br />
we gen der Sicherheit“ einen weiten Bo -<br />
gen um die zweitgrößte Stadt Frank -<br />
reichs macht, dann kann man das als<br />
Ausdruck provinzieller Borniertheit se -<br />
hen. Es macht aber zugleich deutlich,<br />
dass Klischees in den Köpfen der Men -<br />
schen sehr langlebig sind und dass sich<br />
veränderte Realitäten nur sehr gemächlich<br />
im Alltagsbewusstsein niederschlagen.<br />
Denn natürlich ist <strong>Marseille</strong> nicht<br />
we niger „sicher“ als eine andere vergleichbare<br />
europäische Metropole zwischen<br />
Wien und Brüssel – zugegebenermaßen<br />
ist vielleicht etwas mehr Acht -<br />
samkeit im Alltag erforderlich als in<br />
Klagenfurt oder Schwäbisch-Gmünd.<br />
Aber welch eine Vergeudung, <strong>Marseille</strong><br />
links liegen zu lassen, gibt es doch von<br />
Berlin abgesehen kaum eine andere<br />
Stadt in Europa, die sich in den letzten<br />
zehn bis fünfzehn Jahren so grundlegend<br />
und so positiv verändert hat! Das hat sich<br />
bis zur „New York Times“ herumgesprochen,<br />
die <strong>Marseille</strong> zur „secret capital of<br />
France“ erklärt hat. Der Weg aus der<br />
Krise der 80er und 90er Jahre des letzten<br />
Jahrhunderts war allerdings lang und<br />
steinig. Wie kaum einer anderen Stadt<br />
Frankreichs machte der Hafenstadt zu -<br />
nächst das abrupte Ende der französischen<br />
Kolonialherrschaft über Nordafrika<br />
und die damit verbundene Einwan -<br />
derung der „pieds noirs“ zu schaffen.<br />
Hinzu kam wie überall in Europa der<br />
130<br />
Bedeutungsverlust der Hafenwirtschaft<br />
als Folge der Ölkrise der 90er Jahre.<br />
Arbeitslosigkeit, Misswirtschaft, politischer<br />
Klientelismus taten ein Übriges.<br />
Erst als die französische Regierung mit<br />
dem Projekt „Euroméditerranée“ milliardenschwere<br />
Investitionen in die urbane<br />
Erneuerung brachliegender Hafengebiete<br />
und maroder Stadtviertel beschloss, be -<br />
gann die Wende. Ein Meilenstein auf diesem<br />
Weg zu einer attraktiven Stadt am<br />
Mittelmeer war das Jahr 2013, als Mar -<br />
seille und die nähere Region „Kultur -<br />
haupt stadt Europas“ waren. 680 Millio -<br />
nen Euro wurden im Vorfeld in die kulturelle<br />
Infrastruktur investiert, weitere<br />
Maßnahmen zur Wiedergewinnung des<br />
öffentlichen Raums für die Bevölkerung<br />
und die Besucher der Stadt kamen hinzu.<br />
Ein ganzes Jahr lang bot „<strong>Marseille</strong>-Pro -<br />
vence 2013“ ein attraktives Kulturpro -<br />
gramm, welches das lokale, nationale<br />
und internationale Publikum begeisterte.<br />
Neben den Zahlen belegen die Reaktio -<br />
nen der <strong>Marseille</strong>r und der (inter)nationalen<br />
Gäste den nicht zu leugnenden<br />
Erfolg dieses Projekts. Seit 2013 ist nicht<br />
mehr nur die Provence, sondern auch ihre<br />
größte Stadt eine kulturtouristische Des -<br />
tination ersten Ranges in Europa. Das erste<br />
nationale Museum Frankreichs außerhalb<br />
von Paris – das MuCEM („Musée des Civili -<br />
sations de l’Europe et de la Méditer -<br />
ranée“) zieht nicht nur aufgrund seines<br />
Programms, sondern auch wegen der einzigartigen<br />
Architektur Hunderttausende<br />
von Besuchern an. Das Kulturhauptstadt -