stahlmarkt 2.2018 (Februar)
Aus dem Inhalt: Stahlhandel & Stahl-Service-Center, IT im Stahlmarkt / Digitalisierung, Metallbearbeitung
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SEITENBLICK<br />
Kaufen statt gründen<br />
Manchmal kann Secondhand auch erste Wahl sein: Wenn potenzielle<br />
Jungunternehmer vor dem Sprung in die Selbstständigkeit zurückschrecken,<br />
kann die Übernahme eines etablierten Betriebs eine Alternative sein. So<br />
lässt sich das Risiko besser kalkulieren. Kaufangebote gibt es reichlich.<br />
Jürgen Junker hatte immer den Traum,<br />
ein eigenes Unternehmen zu führen. Eine<br />
Neugründung kam für ihn allerdings nie in<br />
Frage. »Wenn man wie ich eine Selbstständigkeit<br />
im produzierenden Gewerbe<br />
anstrebt, stellt man schnell fest, dass der<br />
Markt vielfach bereits gesättigt ist. Deshalb<br />
habe ich mich nach einem bereits bestehenden<br />
Be trieb umgesehen,<br />
der für eine<br />
Übernahme geeignet<br />
war«, sagt Junker.<br />
Er hatte eine<br />
ungefähre Größenordnung<br />
vor Augen,<br />
war aber nicht auf eine bestimmte Branche<br />
fixiert. »Fest stand für mich nur, dass es ein<br />
Betrieb im produzierenden Gewerbe sein<br />
sollte.«<br />
Vor drei Jahren übernahm er die Mott<br />
Metallwaren und Bühnenbau GmbH in Tauberbischofsheim,<br />
ein Familienunternehmen<br />
mit knapp 100-jähriger Tradition. Inhaber<br />
Torsten Mott wollte den Betrieb aus Altersgründen<br />
abgeben und war auf der Suche<br />
nach einem Nachfolger. Der Kontakt kam<br />
über nexxt change zustande, eine internetbasierte<br />
Unternehmensbörse, die vom Bundesministerium<br />
für Wirtschaft und Energie,<br />
der KfW Bankengruppe, den deutschen<br />
Industrie- und Handelskammern sowie weiteren<br />
Partnern aus Industrie und Handwerk<br />
unterstützt wird.<br />
Wie Junker geht es vielen potenziellen<br />
Jungunternehmern, die lieber etwas Etabliertes<br />
kaufen wollen als eine Neugründung<br />
in Angriff zu nehmen: Sie können aus einem<br />
großen Angebot wählen. Denn der Markt<br />
»<br />
In der Industrie kommen fünf<br />
Alt-Inhaber auf einen potenziellen<br />
Unternehmenskäufer.<br />
für zur Übergabe anstehende Unternehmen<br />
befindet sich in einer Schieflage. Es gibt<br />
deutlich mehr Seniorunternehmer, die über<br />
Börsen wie die Deutsche Unternehmerbörse<br />
(DUB) oder über Einschaltung ihrer örtlichen<br />
IHK einen Nachfolger suchen als ernsthafte<br />
Interessenten. nexxt-change verzeichnet<br />
aktuell lediglich 2.075 Kaufgesuche. Dem<br />
stehen 6.635 zum<br />
Verkauf stehende<br />
Unternehmen ge -<br />
genüber.<br />
Und der Angebotsüberhang<br />
wird<br />
noch größer werden.<br />
Wenn sich die geburtenstarke Babyboomer-Generation<br />
im Laufe der nächsten zehn<br />
bis 15 Jahre aus dem Berufsleben zurückzieht.<br />
Die nachfolgenden Generationen sind<br />
deutlich kleiner. Nach einer Analyse der KfW<br />
planen jährlich etwa 200.000 Un ternehmer,<br />
ihre Firma (die meisten in einer Umsatzgröße<br />
zwischen 500.000 € und 1 Mill. € Jahresumsatz)<br />
an einen Nachfolger zu übergeben oder<br />
zu verkaufen – Tendenz steigend.<br />
Dazu passt eine Untersuchung des Instituts<br />
für Mittelstandsforschung, wonach<br />
aktuell in jedem Jahr lediglich etwa 27.000<br />
kleine und mittlere Unternehmen tatsächlich<br />
den Inhaber wechseln. Die Übergabe an<br />
einen Interessenten wie Junker, der lieber<br />
eine bestehende Firma übernimmt statt<br />
selbst zu gründen, ist dabei nur selten eine<br />
Option. Im KfW-Gründungsmonitor 2017<br />
heißt es: »Die Übernahme eines bestehenden<br />
Unternehmens oder die tätige Beteiligung<br />
an einem solchen sind für viele Gründer<br />
offensichtlich weniger attraktiv. Auf<br />
Übernahmegründer entfiel 2016 ein Anteil<br />
von 9 %, auf Beteiligungsgründer 14 %.«<br />
Dabei hat die Unternehmensnachfolge<br />
viele Vorteile. Im Idealfall hat sich das Alt-<br />
Unternehmen bereits einen prominenten<br />
Platz auf dem Markt erkämpft. Es verfügt<br />
über ein bewährtes Geschäftsmodell und<br />
ein gutes Standing – allesamt Pluspunkte in<br />
Verhandlungen mit möglichen Geldgebern.<br />
Hinzu kommt, dass Organisation und Ar -<br />
beitsabläufe nicht erst zeit- und ressourcenintensiv<br />
aufgebaut werden müssen. Möglicherweise<br />
steht auch der Alt-Unternehmer<br />
noch einige Zeit mit Rat und Tat zur Verfügung.<br />
Auf der anderen Seite lauern auch viele<br />
Gefahren. Der Jungunternehmer hat keine<br />
Zeit, in seine Rolle hineinzuwachsen. Er<br />
besitzt vom Start weg eine Führungsposition<br />
und übernimmt volle Verantwortung. Obendrein<br />
hat er ein großes Investment zu schultern,<br />
schließlich erwirbt er den Betrieb meist<br />
als Ganzes. Bestehende Strukturen können<br />
sich auch als nachteilig erweisen, wenn sie<br />
nicht mehr zeitgemäß sind und möglicherweise<br />
gegen den Widerstand des Personals<br />
angepasst werden müssen. Auch sind Konflikte<br />
mit dem Alt-Unternehmer nicht auszuschließen,<br />
wenn der zunächst in irgendeiner<br />
Form mit an Bord bleibt.<br />
Zu den größten Stolpersteinen der Unternehmensnachfolge<br />
zählt nach Beobachtung<br />
des Deutschen Industrie- und Handelskammertages<br />
(DIHK) die Finanzierung. Für eine<br />
Übernahme benötigen Gründer meist we -<br />
sentlich mehr Geld als für eine Neugründung.<br />
Was nach Feststellung des Instituts für<br />
Entrepreneurship, Mittelstand und Familienunternehmen<br />
(EMF-Institut) viele Gründer<br />
nicht wissen: Nachfolgern stehen ebenso<br />
viele öffentliche Kredite und Zuschüsse zu<br />
wie Neugründern. Es kann also eine Überlegung<br />
wert sein, über den Erwerb eines<br />
Betriebs den Sprung in die Selbstständigkeit<br />
zu wagen. ber (sm 180205915)<br />
<strong>stahlmarkt</strong> <strong>2.2018</strong>