01.02.2018 Aufrufe

stahlmarkt 2.2018 (Februar)

Aus dem Inhalt: Stahlhandel & Stahl-Service-Center, IT im Stahlmarkt / Digitalisierung, Metallbearbeitung

Aus dem Inhalt: Stahlhandel & Stahl-Service-Center, IT im Stahlmarkt / Digitalisierung, Metallbearbeitung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

6<br />

SEITENBLICK<br />

Kaufen statt gründen<br />

Manchmal kann Secondhand auch erste Wahl sein: Wenn potenzielle<br />

Jungunternehmer vor dem Sprung in die Selbstständigkeit zurückschrecken,<br />

kann die Übernahme eines etablierten Betriebs eine Alternative sein. So<br />

lässt sich das Risiko besser kalkulieren. Kaufangebote gibt es reichlich.<br />

Jürgen Junker hatte immer den Traum,<br />

ein eigenes Unternehmen zu führen. Eine<br />

Neugründung kam für ihn allerdings nie in<br />

Frage. »Wenn man wie ich eine Selbstständigkeit<br />

im produzierenden Gewerbe<br />

anstrebt, stellt man schnell fest, dass der<br />

Markt vielfach bereits gesättigt ist. Deshalb<br />

habe ich mich nach einem bereits bestehenden<br />

Be trieb umgesehen,<br />

der für eine<br />

Übernahme geeignet<br />

war«, sagt Junker.<br />

Er hatte eine<br />

ungefähre Größenordnung<br />

vor Augen,<br />

war aber nicht auf eine bestimmte Branche<br />

fixiert. »Fest stand für mich nur, dass es ein<br />

Betrieb im produzierenden Gewerbe sein<br />

sollte.«<br />

Vor drei Jahren übernahm er die Mott<br />

Metallwaren und Bühnenbau GmbH in Tauberbischofsheim,<br />

ein Familienunternehmen<br />

mit knapp 100-jähriger Tradition. Inhaber<br />

Torsten Mott wollte den Betrieb aus Altersgründen<br />

abgeben und war auf der Suche<br />

nach einem Nachfolger. Der Kontakt kam<br />

über nexxt change zustande, eine internetbasierte<br />

Unternehmensbörse, die vom Bundesministerium<br />

für Wirtschaft und Energie,<br />

der KfW Bankengruppe, den deutschen<br />

Industrie- und Handelskammern sowie weiteren<br />

Partnern aus Industrie und Handwerk<br />

unterstützt wird.<br />

Wie Junker geht es vielen potenziellen<br />

Jungunternehmern, die lieber etwas Etabliertes<br />

kaufen wollen als eine Neugründung<br />

in Angriff zu nehmen: Sie können aus einem<br />

großen Angebot wählen. Denn der Markt<br />

»<br />

In der Industrie kommen fünf<br />

Alt-Inhaber auf einen potenziellen<br />

Unternehmenskäufer.<br />

für zur Übergabe anstehende Unternehmen<br />

befindet sich in einer Schieflage. Es gibt<br />

deutlich mehr Seniorunternehmer, die über<br />

Börsen wie die Deutsche Unternehmerbörse<br />

(DUB) oder über Einschaltung ihrer örtlichen<br />

IHK einen Nachfolger suchen als ernsthafte<br />

Interessenten. nexxt-change verzeichnet<br />

aktuell lediglich 2.075 Kaufgesuche. Dem<br />

stehen 6.635 zum<br />

Verkauf stehende<br />

Unternehmen ge -<br />

genüber.<br />

Und der Angebotsüberhang<br />

wird<br />

noch größer werden.<br />

Wenn sich die geburtenstarke Babyboomer-Generation<br />

im Laufe der nächsten zehn<br />

bis 15 Jahre aus dem Berufsleben zurückzieht.<br />

Die nachfolgenden Generationen sind<br />

deutlich kleiner. Nach einer Analyse der KfW<br />

planen jährlich etwa 200.000 Un ternehmer,<br />

ihre Firma (die meisten in einer Umsatzgröße<br />

zwischen 500.000 € und 1 Mill. € Jahresumsatz)<br />

an einen Nachfolger zu übergeben oder<br />

zu verkaufen – Tendenz steigend.<br />

Dazu passt eine Untersuchung des Instituts<br />

für Mittelstandsforschung, wonach<br />

aktuell in jedem Jahr lediglich etwa 27.000<br />

kleine und mittlere Unternehmen tatsächlich<br />

den Inhaber wechseln. Die Übergabe an<br />

einen Interessenten wie Junker, der lieber<br />

eine bestehende Firma übernimmt statt<br />

selbst zu gründen, ist dabei nur selten eine<br />

Option. Im KfW-Gründungsmonitor 2017<br />

heißt es: »Die Übernahme eines bestehenden<br />

Unternehmens oder die tätige Beteiligung<br />

an einem solchen sind für viele Gründer<br />

offensichtlich weniger attraktiv. Auf<br />

Übernahmegründer entfiel 2016 ein Anteil<br />

von 9 %, auf Beteiligungsgründer 14 %.«<br />

Dabei hat die Unternehmensnachfolge<br />

viele Vorteile. Im Idealfall hat sich das Alt-<br />

Unternehmen bereits einen prominenten<br />

Platz auf dem Markt erkämpft. Es verfügt<br />

über ein bewährtes Geschäftsmodell und<br />

ein gutes Standing – allesamt Pluspunkte in<br />

Verhandlungen mit möglichen Geldgebern.<br />

Hinzu kommt, dass Organisation und Ar -<br />

beitsabläufe nicht erst zeit- und ressourcenintensiv<br />

aufgebaut werden müssen. Möglicherweise<br />

steht auch der Alt-Unternehmer<br />

noch einige Zeit mit Rat und Tat zur Verfügung.<br />

Auf der anderen Seite lauern auch viele<br />

Gefahren. Der Jungunternehmer hat keine<br />

Zeit, in seine Rolle hineinzuwachsen. Er<br />

besitzt vom Start weg eine Führungsposition<br />

und übernimmt volle Verantwortung. Obendrein<br />

hat er ein großes Investment zu schultern,<br />

schließlich erwirbt er den Betrieb meist<br />

als Ganzes. Bestehende Strukturen können<br />

sich auch als nachteilig erweisen, wenn sie<br />

nicht mehr zeitgemäß sind und möglicherweise<br />

gegen den Widerstand des Personals<br />

angepasst werden müssen. Auch sind Konflikte<br />

mit dem Alt-Unternehmer nicht auszuschließen,<br />

wenn der zunächst in irgendeiner<br />

Form mit an Bord bleibt.<br />

Zu den größten Stolpersteinen der Unternehmensnachfolge<br />

zählt nach Beobachtung<br />

des Deutschen Industrie- und Handelskammertages<br />

(DIHK) die Finanzierung. Für eine<br />

Übernahme benötigen Gründer meist we -<br />

sentlich mehr Geld als für eine Neugründung.<br />

Was nach Feststellung des Instituts für<br />

Entrepreneurship, Mittelstand und Familienunternehmen<br />

(EMF-Institut) viele Gründer<br />

nicht wissen: Nachfolgern stehen ebenso<br />

viele öffentliche Kredite und Zuschüsse zu<br />

wie Neugründern. Es kann also eine Überlegung<br />

wert sein, über den Erwerb eines<br />

Betriebs den Sprung in die Selbstständigkeit<br />

zu wagen. ber (sm 180205915)<br />

<strong>stahlmarkt</strong> <strong>2.2018</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!