GARTENGESCHICHTEN ••• an seine Kindheit, an Beete und Beerenbüsche. »Da bin ich mit groß geworden, das hat sich eingegraben.« Ein Plan reifte heran, die beiden zogen einen Gartenplaner zu Rate. Der staunte und gab ganz freimütig zu: »Ich habe noch nie einen Zier- in einen Gemüsegarten umgewandelt, immer nur umgekehrt.« Der Gemüsegarten der Gottschlichs nahm Gestalt an – und auch dies ist ungewöhnlich – an der Nordseite des Grundstücks, noch dazu zur Straße hin, wo andere ihren Vorgarten haben. »Aber das war tatsächlich der freieste Platz«, erinnert sich Eugen Gottschlich. Und so kommt es, dass Besucher nicht von einem Rosenrondell, Golfrasen oder Staudenrabatten empfangen werden, sondern von blühenden Erbsen oder den weißen Dolden des Baldrians im Kräuterbeet. Statt einer Hecke aus Hainbuche oder Thuja hat Eugen Gottschlich parallel zum Fußweg ein Obstbaumspalier gezogen. Bis zu vier Mal im Jahr stutzt er den Neuaustrieb zurecht, um das Wachstum in geordnete Bahnen zu lenken. Auch dies ist ein Trick, warum es das Ehepaar schafft, sich praktisch die gesamte Erntezeit hindurch mit frischem Obst und Gemüse aus seinem Minigarten zu versorgen. Das gelingt manchmal fast zu gut. »Dann essen wir Salat schon zum Frühstück«, sagt Birgit Gottschlich. Und überhaupt: »Eigentlich essen wir den ganzen Sommer über Salat, nur einen Hefekloß gibt es auch einmal ohne.« Auch wir dürfen vom Ernteglück der Gottschlichs zehren. Der Kopf Bataviasalat – die Jungpflanzen kaufen die beiden leidenschaftlichen Hobbygärtner vom Biolandhof Heidegarten in Teichgut – ist gut und gern doppelt so groß wie sonst ein Kopfsalat. Das Geheimnis steckt sicher in sorgsamer Pflege, aber irgendwie wächst alles größer und gesünder heran, seitdem die Gottschlichs eine professionelle Bewässerung rund ums Haus verlegt haben. Selbst bei Temperaturen von 30 Grad und das über einen längeren Zeitpunkt bleibt ihr Grundstück eine grüne Oase, ohne dass hier rund um die Uhr Beregner laufen. Über die verlegten Leitungen wird das kostbare Wasser tröpfchenweise direkt an den Boden abgegeben: schonend für die Ressource Wasser und schonend für die Pflanzen, die nicht von kaltem Brunnenwasser erschlagen werden. Auf jedem Quadratzentimeter ist zu sehen, mit wie viel Perfektionismus das Ehepaar zu Werk geht. Aber es gibt Grenzen. Den Wettlauf mit dem kommerziellen Gemüseanbau treten sie gar nicht erst an. »Ich brauche keine Ernte auf Biegen und Brechen, deshalb spritzen wir auch nicht«, sagt Eugen Gottschlich. Beide essen, wie sie sagen, »total gern Gemüse«. Bei ihnen wird es zur Delikatesse und ersetzt oft die Fleischmahlzeit. Fleisch aus Massentierhaltung kommt ohnehin nicht auf den Tisch. »Die Bilder im Fernsehen sind kaum zu ertragen«, sagt Eugen Gottschlich. »Aber wenn ich das nicht will, dann muss ich die Konsequenzen tragen.« Für ihn und seine Frau heißt das, dass sie nur wenig Fleisch kaufen, und wenn doch, dann aus Biohaltung vorzugsweise vom Bauckhof. »Da zahle ich dann aber auch 25 bis 30 Euro für ein Kilo Hähnchenbrust.« Also gibt es auch mal Marillenknödel. Oder einen Nudelauflauf mit Gemüse der Saison. Bei unserem Redaktionsbesuch im Mai ist die Auswahl schon überraschend groß, aber auch noch nicht umwerfend. Tomaten, Zucchini, Kartoffeln oder Kohl gibt es noch nicht. Dafür aber Mangold und Spinat, Schnittknoblauch und Lauchzwiebeln und … Salat! Außerdem gemischte Beerenauslese aus dem eigenen Garten in der Kühltruhe. Birgit Gottschlich legt los. Vegetarisch ist für das Ehepaar eine leichte Übung, uns zuliebe haben sie sich nun aber sogar eine vegane Menüvariante ausgedacht. Eugen Gottschlich nimmt sich eine Plastikabwaschschüssel und verschwindet im Garten. Mangold und Spinat will er ernten. Seine Frau holt außerdem ••• Meisterbetrieb 32 <strong>Calluna</strong> I SOMMER 2018
DAS GEWÄCHSHAUS WAR EINE GUTE ANSCHAFFUNG Die Größe des Batavia-Salatkopfes ist rekordverdächtig. Im Gewächshaus beginnt bereits im März die Erntesaison. Auf Feldsalat und Spinat folgen Tomaten und Paprika. Mitte Mai blühte vor dem Gewächshaus schon der Schnittlauch. SOMMER 2018 I <strong>Calluna</strong> 33