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Literarische Anekdoten von Horst Pirwitz<br />
Ein junger Lyriker sandte einem Münchner<br />
Verieger sein erstes Manuskript mit Gedich<br />
ten. In seinem Begleitschreiben fragte er den<br />
Verleger: „Sind es nicht duftige Verse, un<br />
glaublich leicht, durchsichtig und zart?"<br />
„Sie haben ganz recht", antwortete der Ver<br />
leger in dem Brief, mit dem er das Manu<br />
skript zurückgab, „ihre Verse sind so leicht,<br />
daß sie den leichtesten Druck nicht überste<br />
hen würden".<br />
Ein bekannter Lustspielautor begann seine<br />
Karriere nicht in seinem später so einträg<br />
lichen Fach, sondern mit einem Drama, das<br />
den etwas sentimentalen Titel „Frost im Früh<br />
ling" trug. Er war einigermaßen überrascht,<br />
als das Stück in einer Zeitung als „Prost dem<br />
Prüfling" angekündigt wurde. <strong>Der</strong> Verfasser<br />
schickte natürlich eine Berichtigung, die sein<br />
Erstlingswerk am nächsten Tage als „Trost<br />
dem Täufling" ankündigte. Darauf resignierte<br />
der Autor und schrieb nur noch Lustspiele.<br />
Eine kleine Stadt wollte auch ihren berühm<br />
ten Mann haben. Die Wahl fiel auf einen<br />
längst verstorbenen, sehr mittelmäßigen Hei<br />
matdichter. In der Begründung des Bürger<br />
schaftsausschusses, dem der Bibliotheksrat<br />
vorstand, hieß es: „Über mehr als sechzig<br />
Jahre ist er seiner Berufung, unsere Heimat<br />
zu besingen, treu geblieben. Da ihn von den<br />
Lebenden niemand mehr kennt und seine<br />
Werke seit Jahrzehnten nicht mehr aufgelegt<br />
wurden, können wir es nunmehr wagen, ihn<br />
als großen Sohn unserer Stadt zu feiern."<br />
Wohl ein halbes Dutzend Mal richtete der<br />
Herausgeber einer kleinen literarischen Zeit<br />
schrift an Bernard Shaw die Bitte um einen<br />
Beitrag — vergeblich. Endlich, nach dem sieb<br />
ten Versuch, erhielt er vom Dichter folgenden<br />
mit der Schreibmaschine geschriebenen Brief<br />
ohne Unterschrift: „Werter Herr, mein Schwei<br />
gen hätte Sie darüber belehren können, daß<br />
ich nicht gewillt bin, etwas zu veröffentlichen.<br />
was nur von sehr wenigen Menschen gelesen<br />
werden wird. Auch habe ich nicht die Absicht,<br />
durch mein Autogramm das Leben ihres Blat<br />
tes um eine weitere Nummer zu verlängern.<br />
GBS." Diese drei initialen genügten aber, um<br />
für den Brief doch bald einen gutzahlenden<br />
Liebhaber zu finden.<br />
Den Schallplattenfreunden empfohlen ...<br />
Ludwig van Beethoven Missa solemnis<br />
Eiektroia Nr. 91 489/90 — Stereo — 2 Platten<br />
zu je 30 cm.<br />
Eine Aufnahme von dem bedeutendsten sacralen<br />
Werk der Musikgeschichte zu machf \<br />
hat Produzenten und Dirigenten immer wiedc.'<br />
gereizt. Die vorliegende neue Aufnahme<br />
leitet Otto Kiemperer. Ihm standen das<br />
Neue Philharmonia Orchester, London, nebst<br />
Chor zur Verfügung sowie ein ausgezeich<br />
netes Solistenquartett (Elisabeth Söderström,<br />
Marga Höffgen, Waldemar Kmentt und Martti<br />
Taiveia). Auf das Werk selbst des näheren<br />
einzugehen, können wir uns in diesem Zusam<br />
menhang ersparen. Jeder kennt die unbe<br />
strittene Stellung der Missa, von der Beet<br />
hoven selbst sagte, sie sei „für die Ewigkeit<br />
geschrieben", in der gesamten Literatur gibt<br />
es kaum ein vergleichbares Werk, das eine so<br />
starke Aussagekraft besitzt. Die gewaltigen<br />
Ausmaße des Werkes, verbunden mit der gei<br />
stigen Tiefe der Gedanken, haben von jeher<br />
den Hörer fasziniert. Otto Kiemperer, der sich<br />
sein ganzes Leben mit der Missa solemnis be<br />
schäftigte, ist einer der Berufenen für eine<br />
kongeniale Interpretation, die er mit einem<br />
Höchstmaß an Werktreue gestaltet. An die So<br />
listen wie an den Ohor werden ungewöhnliche<br />
Anforderungen gestellt, die ähnlich wie in der<br />
9. Sinfonie den vokalen Rahmen zu sprengen<br />
drohen. Diese Schwierigkeiten sind bei der Au* v<br />
nähme dank ihrer hohen technischen Vc ß<br />
kommenheit überwunden worden. Auch von<br />
der Relativität des Klangvoiumens her läßt die<br />
Aufnahme keinen Wunsch offen. Sie ist eine<br />
seltene Bereicherung der Standardwerke des<br />
Musikfreundes, der in dem beigegebenen Heft<br />
knappe, aber inhaltsreiche Erläuterungen der<br />
Missa und ihres musikalischen Aufbaues findet,<br />
[entn. „Lied und Chor"]<br />
Herausgeber: KMGV-Vermögens-Verwaltungs-Gesellschaft mbH., Köln, Maurltlussteinweg 59, «Haus Woikenburg»<br />
Schriftleitung: u. allein. Anz.-Annahme: Heinz Bremm, (5064) Rösrath/Bez. Köln, Am Hohwinkel 9, Ruf; 92 05/39 62<br />
Druck: Otto Ritterbach & Co.. Weiden bei Köln, Kleiststraße, Ruf 92 94/7 56 19 und 92 94/7 55 49<br />
Gestaltung der Titelseite: Glahö Werbung Köln<br />
Titelbild: Teilansicht «Haus Wolkenburg» Vereinshaus des Kölner Männer-Gesang-Vereins