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AM RANDE NOTIERT<br />
Kleiner abendlicher Bummel durch die Altstadt der ehemaligen Reichsstadt Wetzlar<br />
Die Zeit zwischen den beiden Konzerten —<br />
nach einem stärkenden Imbiß - nutzten eini<br />
ge unserer Sangesfreunde zu einem entspan<br />
nenden Spaziergang durch Wetzlars Altstadt.<br />
Auch Frau Gabry-Kertesz und ihr Begleiter,<br />
Herr Spieß, erholten sich auf einem kleinen<br />
Bummel durch die alten Gassen und Plätze<br />
und weilten einige Zeit im Wetzlarer Dom.<br />
y wer von ihnen aufmerksamen Auges die<br />
rrmtelalterlichen Marktplätze mit ihren ehr<br />
würdigen Bauten und rauschenden Brunnen<br />
aufsuchte, durch die Straßen und Gassen mit<br />
ihren romantischen Winkeln und Treppen zum<br />
bedeutendsten Bauwerk der Stadt, zum Dom<br />
ging, der konnte gar wohl den, wenn auch<br />
flüchtigen, Eindruck davon erhalten, daß diese<br />
alte, schöne Stadt mit ihren heute über<br />
38 000 Einwohnern — sie erhielt schon 1180<br />
durch Kaiser Barbarossa reichsstädtische Pri<br />
vilegien - einstmals als ein blühendes Ge<br />
meinwesen eine bedeutende Handelsstadt ge<br />
wesen sein mußte. In der Tat, nach einer<br />
Blütezeit, die für Handwerker und Kaufleute<br />
einen unerhörten Aufschwung gebracht hatte<br />
- Wetzlar stand in Handelsbeziehungen mit<br />
den wichtigsten Handelsplätzen des Reiches<br />
und war mit den nahegelegenen wetterauischen<br />
Reichsstädten Frankfurt, Friedberg und<br />
Gelnhausen verbündet - sank die Stadt, als<br />
gegen Ende des Mittelalters die Macht des<br />
Reiches schwand, infolge einer katastropha<br />
len Verschuldung — hervorgerufen durch Er<br />
richtung kostspieliger Verteidigungsanlagen<br />
— und des wirtschaftlichen Zusammenbruches<br />
• feinem Ackerbaustädtchen herab. Erst, als<br />
' ^ oberste Gericht des alten Reiches, das<br />
Reichskammergericht, gegen Ende des 17.<br />
Jahrhunderts aus dem durch Ludwig XIV. be<br />
drohten Speyer nach Wetzlar verlegt wurde<br />
(1693—1806) und damit viele Fremde die Stadt<br />
aufsuchten, neue Bauten errichtet wurden und<br />
neue Zünfte entstanden, da erhielt die Stadt<br />
neuen wirtschaftlichen Auftrieb.<br />
<strong>Der</strong> Dom, ein zu Stein gewordenes Sym<br />
bol der historischen Vergangenheit Wetzlars,<br />
erzählt gleichsam eine in Stein geschriebene<br />
Geschichte nicht nur der deutschen Kirchen<br />
baukunst, sondern auch davon, wie es nach<br />
weitreichenden Plänen immer wieder Bauun<br />
terbrechungen — durch die Notzeiten der<br />
Stadt erzwungen — gab, und wie dadurch im<br />
Laufe der Zeit alle üblichen Baustile an ihm<br />
zu Worte kamen.<br />
Geheimnisvoll und feierlich hebt sich im Dun<br />
kel der älteste Bauteil des Domes, das in<br />
der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts errichtete<br />
Westwerk mit zwei romanischen Türmen und<br />
einem doppeltorigen Portal hinter der unvoll<br />
endeten gotischen Westfassade ab. Vom alten<br />
Rathaus, (1790) heute Gewerbe- und Ordnungs-<br />
sowie Standesamt oder vom südli<br />
chen Turmportal ist dieser älteste Bauteil zu<br />
gänglich. „In Wetzlar nennt man seit langer<br />
Zeit den nördlichen romanischen Turm (der<br />
südliche wurde später zugunsten des goti<br />
schen Südturmes abgerissen) den .Heiden<br />
turm' und das romantische Portal das .Hei<br />
denportal'. So altertümlich erschienen diese<br />
Bauteile schon unseren Vorfahren, daß sie<br />
sie als noch in heidnischer Vorzeit entstan<br />
den vermuteten" (H. Flender, „Wetzlar — Ein<br />
Fremdenführer"). Die durch den wirtschaft<br />
lichen Zusammenbruch der Stadt bedingte Un<br />
terbrechung des Bauens an der Westfront<br />
dauerte durch die Jahrhunderte bis in unsere<br />
Zeit an. Dadurch blieb die altertümliche West<br />
fassade ebenso wie die gotische Neuplanung<br />
nebeneinander erhalten — ein in der Kirchenbaugeschichte<br />
einzigartiger Fall.<br />
„Seit der Reformation wird der Dom von den<br />
beiden christlichen Konfessionen gemeinsam<br />
benutzt; ein gotischer Lettner trennte den von<br />
der katholischen Gemeinde benutzten Chor<br />
vom Hallenbau des Hauptschiffes sowie der<br />
Seiten- und Querschiffe, die der evangelischen<br />
Gemeinde zur Verfügung standen. Die Flieger<br />
bomben zerstörten u. a. den Lettner und die<br />
beiden Orgeln. Beim Wiederaufbau verzichtete<br />
man auf die Neuerrichtung des Lettners, so<br />
daß nunmehr der ganze Raum des Gottes<br />
hauses beiden Konfessionen dient. Wetzlars<br />
Ehrenbürger Dr. Ernst Leitz stiftete eine neue<br />
Orgel für beide Konfessionen" (H. Flender<br />
ebd.).<br />
Vom Domplatz oder Buttermarkt, In dessen<br />
westliche Häuserseite aus dem 18. Jahrhun<br />
dert Wetzlars altes Rathaus eingeschlossen<br />
ist, führt unser abendlicher Spaziergang die<br />
abschüssige Baugasse hinab zum jetzigen<br />
Rathaus, das früher als Archivgebäude für das<br />
Reichskammergericht benutzt wurde. Steil