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Der Burgbote 1967 (Jahrgang 47)

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AM RANDE NOTIERT<br />

Kleiner abendlicher Bummel durch die Altstadt der ehemaligen Reichsstadt Wetzlar<br />

Die Zeit zwischen den beiden Konzerten —<br />

nach einem stärkenden Imbiß - nutzten eini<br />

ge unserer Sangesfreunde zu einem entspan<br />

nenden Spaziergang durch Wetzlars Altstadt.<br />

Auch Frau Gabry-Kertesz und ihr Begleiter,<br />

Herr Spieß, erholten sich auf einem kleinen<br />

Bummel durch die alten Gassen und Plätze<br />

und weilten einige Zeit im Wetzlarer Dom.<br />

y wer von ihnen aufmerksamen Auges die<br />

rrmtelalterlichen Marktplätze mit ihren ehr<br />

würdigen Bauten und rauschenden Brunnen<br />

aufsuchte, durch die Straßen und Gassen mit<br />

ihren romantischen Winkeln und Treppen zum<br />

bedeutendsten Bauwerk der Stadt, zum Dom<br />

ging, der konnte gar wohl den, wenn auch<br />

flüchtigen, Eindruck davon erhalten, daß diese<br />

alte, schöne Stadt mit ihren heute über<br />

38 000 Einwohnern — sie erhielt schon 1180<br />

durch Kaiser Barbarossa reichsstädtische Pri<br />

vilegien - einstmals als ein blühendes Ge<br />

meinwesen eine bedeutende Handelsstadt ge<br />

wesen sein mußte. In der Tat, nach einer<br />

Blütezeit, die für Handwerker und Kaufleute<br />

einen unerhörten Aufschwung gebracht hatte<br />

- Wetzlar stand in Handelsbeziehungen mit<br />

den wichtigsten Handelsplätzen des Reiches<br />

und war mit den nahegelegenen wetterauischen<br />

Reichsstädten Frankfurt, Friedberg und<br />

Gelnhausen verbündet - sank die Stadt, als<br />

gegen Ende des Mittelalters die Macht des<br />

Reiches schwand, infolge einer katastropha<br />

len Verschuldung — hervorgerufen durch Er<br />

richtung kostspieliger Verteidigungsanlagen<br />

— und des wirtschaftlichen Zusammenbruches<br />

• feinem Ackerbaustädtchen herab. Erst, als<br />

' ^ oberste Gericht des alten Reiches, das<br />

Reichskammergericht, gegen Ende des 17.<br />

Jahrhunderts aus dem durch Ludwig XIV. be<br />

drohten Speyer nach Wetzlar verlegt wurde<br />

(1693—1806) und damit viele Fremde die Stadt<br />

aufsuchten, neue Bauten errichtet wurden und<br />

neue Zünfte entstanden, da erhielt die Stadt<br />

neuen wirtschaftlichen Auftrieb.<br />

<strong>Der</strong> Dom, ein zu Stein gewordenes Sym<br />

bol der historischen Vergangenheit Wetzlars,<br />

erzählt gleichsam eine in Stein geschriebene<br />

Geschichte nicht nur der deutschen Kirchen<br />

baukunst, sondern auch davon, wie es nach<br />

weitreichenden Plänen immer wieder Bauun<br />

terbrechungen — durch die Notzeiten der<br />

Stadt erzwungen — gab, und wie dadurch im<br />

Laufe der Zeit alle üblichen Baustile an ihm<br />

zu Worte kamen.<br />

Geheimnisvoll und feierlich hebt sich im Dun<br />

kel der älteste Bauteil des Domes, das in<br />

der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts errichtete<br />

Westwerk mit zwei romanischen Türmen und<br />

einem doppeltorigen Portal hinter der unvoll<br />

endeten gotischen Westfassade ab. Vom alten<br />

Rathaus, (1790) heute Gewerbe- und Ordnungs-<br />

sowie Standesamt oder vom südli<br />

chen Turmportal ist dieser älteste Bauteil zu<br />

gänglich. „In Wetzlar nennt man seit langer<br />

Zeit den nördlichen romanischen Turm (der<br />

südliche wurde später zugunsten des goti<br />

schen Südturmes abgerissen) den .Heiden<br />

turm' und das romantische Portal das .Hei<br />

denportal'. So altertümlich erschienen diese<br />

Bauteile schon unseren Vorfahren, daß sie<br />

sie als noch in heidnischer Vorzeit entstan<br />

den vermuteten" (H. Flender, „Wetzlar — Ein<br />

Fremdenführer"). Die durch den wirtschaft<br />

lichen Zusammenbruch der Stadt bedingte Un<br />

terbrechung des Bauens an der Westfront<br />

dauerte durch die Jahrhunderte bis in unsere<br />

Zeit an. Dadurch blieb die altertümliche West<br />

fassade ebenso wie die gotische Neuplanung<br />

nebeneinander erhalten — ein in der Kirchenbaugeschichte<br />

einzigartiger Fall.<br />

„Seit der Reformation wird der Dom von den<br />

beiden christlichen Konfessionen gemeinsam<br />

benutzt; ein gotischer Lettner trennte den von<br />

der katholischen Gemeinde benutzten Chor<br />

vom Hallenbau des Hauptschiffes sowie der<br />

Seiten- und Querschiffe, die der evangelischen<br />

Gemeinde zur Verfügung standen. Die Flieger<br />

bomben zerstörten u. a. den Lettner und die<br />

beiden Orgeln. Beim Wiederaufbau verzichtete<br />

man auf die Neuerrichtung des Lettners, so<br />

daß nunmehr der ganze Raum des Gottes<br />

hauses beiden Konfessionen dient. Wetzlars<br />

Ehrenbürger Dr. Ernst Leitz stiftete eine neue<br />

Orgel für beide Konfessionen" (H. Flender<br />

ebd.).<br />

Vom Domplatz oder Buttermarkt, In dessen<br />

westliche Häuserseite aus dem 18. Jahrhun<br />

dert Wetzlars altes Rathaus eingeschlossen<br />

ist, führt unser abendlicher Spaziergang die<br />

abschüssige Baugasse hinab zum jetzigen<br />

Rathaus, das früher als Archivgebäude für das<br />

Reichskammergericht benutzt wurde. Steil

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