TOP 100 IMST | INTERVIEW „ Mit dem Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz wird Rechtssicherheit und eine bindende Wirkung für alle Behörden hergestellt.“ licher, sozialversicherungsrechtlicher und arbeitsrechtlicher Vorschriften kontrolliert, nun eine umfassende Vertretungsbefugnis für den Unternehmer. Das Berufsbild des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers ist also insgesamt runder geworden und geht mehr in Richtung One-Stop-Shop. Zu guter Letzt gibt es auch intern Neuigkeiten, und zwar konkret bei der Steuerberater- und Wirtschaftsprüferprüfung. Man kann jetzt auf direktem Wege Wirtschaftsprüfer werden. Bisher hat man zuerst die Steuerberaterprüfung ablegen müssen, bevor man die nächste Ausbildung zum Wirtschaftsprüfer machen konnte. Also haben auch Leute, die sich exklusiv als Wirtschafsprüfer betätigen wollten, die Steuerberaterausbildung absolviert. Diesen Umstandsweg haben wir jetzt beseitigt. ECHO: Verliert der Berufsstand dadurch nicht an Breite? Hilber: Das war praktisch auch bisher schon so. Wenn jemand in jungen Jahren die Steuerberaterprüfung abgelegt hat und dann so schnell wie nur möglich die Prüfung zum Wirtschaftsprüfer, hat er sich mit dem Steuerrecht nicht mehr befasst. Wer beim Steuerrecht nicht am Ball bleibt und sich permanent fortbildet, kann nicht wirklich als Steuerberater tätig sein. Die neue Regelung bietet uns generell höhere Flexibilität. ECHO: Eher heimlich, still und leise ist das etwas sperrig klingende Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz in Kraft getreten, obwohl es weitreichende Auswirkungen hat. Worum geht es bei diesem Gesetz genau? Hilber: Da muss ich jetzt etwas ausholen. Das ganze Übel hat mit einem Sparpaket im Jahr 1996 begonnen. In diesem Rahmen hat man begonnen, nicht mehr nur zwischen echten Werk- und echten Dienstverträgen zu unterscheiden, sondern die Kategorie dienstnehmerähnlicher Werkvertrag eingeführt. Heute spricht man pauschal von freien Dienstverträgen. Der VfGH hat wenig später eine Kategorie als verfassungswidrig aufgehoben, die Abgrenzung war teilweise an den Haaren herbeigezogen. Seit rund 20 Jahren begleitet uns das Phänomen, dass die Gebietskrankenkassen, manchmal auch das Finanzamt, bei der Prüfung von Unternehmen, die Subunternehmer beschäftigen, teilweise Scheinselbstständigkeit feststellen. In der Folge wurden bestehende Vertragsverhältnisse einfach umqualifiziert und, da es sich nun um Mitarbeiter handelt, rückwirkend alle Steuern und Abgaben nachverrechnet. Waren davon mehrere Mitarbeiter betroffen, konnte das für ein Unternehmen mitunter existenzbedrohend sein. Es gab keine Möglichkeit, von der Behörde eine rechtsverbindliche Einschätzung zu bekommen. ECHO: Eigentlich ein unhaltbarer Zustand, für Unternehmer wie Arbeitnehmer bzw. Selbstständige gleichermaßen. Hilber: Ja. Mit diesem Zuordnungsgesetz soll Rechtssicherheit geschaffen und eine bindende Wirkung für alle Behörden hergestellt werden. Das ist das eigentlich Neue. Die Neuregelung basiert auf mehreren Säulen: Bei bestehenden Verträgen kann ein Antrag auf Feststellung gestellt werden. ECHO: Praktisch dürfte es sich dabei häufig um Umgehungskonstruktionen gehandelt haben Hilber: Ja, und solche wollen wir auch nicht schützen. Da gehen Sozialversicherungsbeiträge verloren. Vielfach hat man aber im guten Glauben gehandelt, nur um dann festzustellen, dass alles anders ist als angenommen. ECHO: Wer kann einen solchen Antrag stellen? Hilber: Sowohl der Arbeitgeber als auch der Auftragnehmer. Besonders praktisch ist das neue Gesetz aber bei neuen Verträgen, die vor Beginn zur Prüfung an die Krankenkasse weitergegeben werden können. Bei der Prüfung der Neuverträge wird es von entscheidender Bedeutung sein, wie lange die Behörde braucht, bis der Bescheid ergeht. Dieser Bescheid hat nämlich, wie bereits erwähnt, eine Bindungswirkung für Krankenkassen, Sozialversicherung und das Finanzamt. Es ist aber erwähnenswert, dass bei rund 95 Prozent aller Dienstverträge die Sachlage von vornherein klar ist. ECHO: Gerade in Wahlkampfzeiten werden Themen wie Gerechtigkeit und Fairness akut. Für wie gerecht halten Sie das österreichische Steuersystem? Hilber: Die Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer hält sich grundsätzlich aus politischen Diskussionen heraus. Wir sind an keine Partei gebunden und werden es auch niemals sein. Für uns geht es vor allem darum, dass Steuern sich in einem vertretbaren Ausmaß bewegen. Wir sehen, ob die Wirtschaft die Steuerbelastung verträgt oder nicht und wie wir im internationalen Wettbewerb stehen. Das ist unsere Expertise. Da sehen wir, dass Unternehmer in Tirol eine höhere Abgabenquote als die Konkurrenz in Bayern oder Italien zu bewältigen haben. Unter diesem Aspekt kann man sich die Frage stellen, ob das gerecht ist oder ob es da eine Schieflage gibt. Interview: Marian Kröll 68 ECHO TOP 100 UNTERNEHMEN IM BEZIRK IMST <strong>2017</strong>
GERECHTIGKEIT MUSS SEIN MEIN RECHT AUF GEREGELTE ARBEITSZEITEN. DAFÜR STEHT MEINE AK. ak-tirol.com