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SHE works! - Das Wirtschafts- und Karrieremagazin für Frauen

Unsere Novemberausgabe dreht sich um das Thema Scheitern und darum, wie aus einem Scheitern etwas Neues und Gutes entstehen kann. Hinfallen ist gar nicht so schlimm.

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„Ein Gesicht hat keine Fehler.“<br />

von Gabriele van den Berg<br />

Wie ein ausgewrungener Feudel legte sich der grau verhangene Himmel an diesem<br />

Tag über Berlin. Der Engel im zerschlissenen Trenchcoat lugte gelangweilt über den<br />

Dachfirst, zerfließende Zeit, endlose Trübsal...überall.<br />

Als Neu- <strong>und</strong> Fremdling in Berlin, auf der Suche nach<br />

dem angesagten Frühstückstcafé am<br />

Viktoria-Luise-Platz, fragte ich eine Passantin<br />

nach dem Weg, eine ältere Dame, wohl um die 70.<br />

Als ich sie ansprach, wendete sie sich mir zu<br />

…<strong>und</strong> lächelte. Ein Lächeln, das in jeder Hinsicht<br />

buchstäblich ein Strahlen war. Eine Korona feiner<br />

Linien legte sich um ihre Augen <strong>und</strong> überzog<br />

fächerartig ihr ganzes Gesicht.<br />

Ein intensiver Ausdruck von Gelassenheit.<br />

Wohl kaum etwas wirkt so unmittelbar auf<br />

uns wie ein Gesicht. Es vermittelt unwillkürlich<br />

eine Emotion: Zuwendung, Abweisung<br />

- in Bruchteilen von Sek<strong>und</strong>en. Als Resultat des<br />

komplexen Zusammenspiels von 34 Muskeln,<br />

enerviert durch den Facialisnerv <strong>und</strong> orchestriert<br />

durch unser Wollen <strong>und</strong> unwillkürlich in der<br />

Mikromimik.<br />

...auf den ersten Blick vermitteln die Bilder des<br />

Fotografen Tomasoc Baldessarinis<br />

dem Betrachter eine bedrängende Intensität <strong>und</strong><br />

Eindringlichkeit, durch ihre kompromisslose Klarheit.<br />

Die Ahnung des Kaleidoskops an Emotionen in<br />

diesen Köpfen, die unverstellt <strong>und</strong> unvermittelt<br />

Wirkung entfalten, entfachte Baldessarini, indem er<br />

die Portraitierten zu Begriffen wie Schicksal, Liebe,<br />

Verlust <strong>und</strong> Schmerz befragte.<br />

Für seine Bachelorarbeit begann er in 2012 sein<br />

fotografisches Projekt <strong>und</strong> fragte bei der Agentur<br />

Modelwerk ein “Best Ager” Model da<strong>für</strong> an:<br />

Anna von Rüden.<br />

Anna war erst seit Kurzem am “Board”.<br />

Sie startete ihre professionelle Karriere<br />

mit 62. Und der Verweigerung jeglicher chirurgischer<br />

Korrekturen an ihren Gesichtszügen, <strong>und</strong> dagegen<br />

Botox anzurühren. Eine Ausnahmeerscheinung.<br />

Anti.Mono..Stereo betitelte Baldessarini<br />

sein Projekt. 365 People Portraits entstanden,<br />

pur, ohne Puder <strong>und</strong> Maske, präzise.<br />

Vom Maler, dem Mann vom Kiosk, einer Reihe<br />

an Prominenten, bis zum Zirkusdirektor, 365<br />

Menschen die den Mut aufbrachten, sich ohne<br />

die üblichen beschönigende Prozeduren von<br />

Baldessarini portraitieren zu lassen.<br />

„Ein Gesicht hat keine Fehler,“<br />

sagt Tomaso Baldessarini<br />

Für den Start seiner Karriere als Fotograf<br />

war dies die anarchische Abkehr von einer<br />

Bilderwelt, die durch die Überdosis an<br />

Photoshop <strong>und</strong> Botox zu einer<br />

seelenlosen Plattitüde verkommen war.<br />

Für Anna von Rüden <strong>und</strong> den Start ihrer<br />

Karriere als Bestager-Model war es die<br />

anarchische Abwehr der Bedrängnis,<br />

als Frau, Mutter <strong>und</strong> Großmutter,<br />

ab einem sozial aufgedrängten Alter,<br />

vom Radar der öffentlichen Wahrnehmung<br />

zu verschwinden.<br />

Baldessarinis Projekt Anti.Mono.Stereo<br />

stellt die Auflehnung gegen die Monotonie<br />

der Stereotypisierung dar, der wir tagtäglich<br />

ausgesetzt sind,<br />

im beruflichen, wie auch im privaten Kontext.<br />

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