Scheitern <strong>Das</strong> Unternehmen ist pleite, die Anstellung dahin, das Geld futsch. Und nun? Was mache ich jetzt? Wenn ein Projekt misslingt, die neue Anstellung sich <strong>für</strong> einen selbst nicht ganz so toll anfühlt <strong>und</strong> alle der Meinung sind, dass man nicht den Anforderungen entspricht, dann redet man davon, gescheitert zu sein. Scheitern – allein die Definition spricht Bände Bankrott machen, eine Abfuhr erhalten, keinen Erfolg haben, das Ziel nicht erreichen, stolpern, straucheln, versagen. Und grummelt es im Bauch? Macht die Beschreibung ein ungutes Gefühl? Muss es aber nicht! Allein 80 % aller deutschen Start-ups scheitern in den ersten drei Jahren. In den USA gehört Scheitern in der Start-up-Szene sogar zum guten Ton. Nur in Deutschland wird daraus eine unüberbrückbare Last, die jeder mit sich herumträgt. „<strong>Das</strong> ist nicht gut! Wer die Schuld an der Situation sucht, der hängt in der Vergangenheit fest <strong>und</strong> erreicht nichts“. Anne Koark muss es wissen. Mit ihrem 1999 sehr erfolgreich gestarteten Unternehmen musste sie zwei Jahre später Insolvenz anmelden. „Ich bin nächtelang durch die Wohnung gelaufen <strong>und</strong> habe mich gefragt: Wer ich bin, wenn ich Schulden habe.“ Ein Jahr lang hatte sie versucht, die Insolvenz abzuwenden, Mitarbeiter unterstützten sie mit Ideen <strong>und</strong> Gehaltsverzicht. Lieferanten st<strong>und</strong>eten ihr die Zahlungen. „Da habe ich begonnen mich zu fragen, was sie mir nicht nehmen können. Und das waren meine Ehre, mein Fleiß <strong>und</strong> meine Arbeitskraft“, erinnert sich die gebürtige Britin <strong>und</strong> verweist hier auch noch einmal nachdrücklich auf ihren britischen Humor. Alles Dinge, die sie in ihrem ganz eigenen Werkzeugkasten dabeihat. Und was hat sie aus der Situation gemacht? Ein neues Projekt: „Innerhalb von dreieinhalb Wochen habe ich ein Buch über meine Situation geschrieben: Insolvent <strong>und</strong> trotzdem erfolgreich.“ Was dann passiert, war <strong>für</strong> sie in keiner Art <strong>und</strong> Weise vorhersehbar: Ihr Werk hielt sich sieben Monate in der Bestsellerliste, sie bekam 1.200 Dankesbriefe von Menschen, die sich <strong>für</strong> Koarks Outen bedankten <strong>und</strong> da<strong>für</strong>, dass sie begonnen hat, das Thema Scheitern oder Insolvenz gesellschaftsfähiger zu machen. „Ich habe mit Menschen gesprochen, die durch mein Buch neuen Mut gefasst haben, die sich vorher sogar mit dem Gedanken getragen haben, sich umzubringen.“ Sie wurde eingeladen, um über ihre Insolvenz zu sprechen, ihre Gedanken <strong>und</strong> ihren Weg: „Sogar die EU-Kommission hat mich gebeten, auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen.“ Ein Jahr später saß sie mit der damaligen B<strong>und</strong>eswirtschaftsministerin Brigitte Zypries zusammen <strong>und</strong> sprach über das Problem, dass bei Selbstständigen sogar die Rente in die Insolvenzmasse einfließt. Zypries versprach eine Gesetzesänderung, die tatsächlich auch umgesetzt wurde. 8
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