phpro - Prozesstechnik für die Pharmaindustrie 02.2018
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
von den kooperierenden Hochschulen betreuten<br />
Masterarbeit wurde anhand einer<br />
realen Supply Chain von Singapur über<br />
Brüssel und Gent bis nach Freiburg untersucht,<br />
welche monetären und energetischen<br />
Vorteile <strong>die</strong> Verwendung der Big Bags <strong>für</strong><br />
den Wertstrom eines bestimmten Wirkstoffs<br />
bringt. Einige der ermittelten Vorteile sind:<br />
• 50 % weniger Lkw-Transporte<br />
• 80 % weniger Holzpaletten<br />
• 70 % weniger HBW-Bedarf<br />
• 33 % weniger CO 2 -Ausstoß durch Umstellung<br />
von Luft- auf Seefracht entlang der<br />
Supply Chain<br />
Identifikation der Rohstoffe<br />
In der Versorgungsebene werden Big Bags<br />
mit den Rohstoffen über das von Siemens<br />
realisierte automatische Regalbe<strong>die</strong>ngerät<br />
aus dem Hochregal angeliefert und über<br />
Big-Bag-Gestelle direkt im Lieferanten-Gebinde<br />
bereitgestellt. Als RBG2-Kopfsteuerung<br />
<strong>die</strong>nt eine zwischen dem MMCS-Simatic-IT-<br />
MES und der Lagermaschinensteuerung sitzende<br />
fehlersichere Siemens S7 1500. Diese<br />
Steuerung übernimmt alle Aufgaben der feststehenden<br />
Komponenten. Dazu zählen zum<br />
Beispiel Rollenbahnen, Fördertechnik, Rolltore<br />
sowie Konturenkontrolle und Scanner.<br />
Vor der Lagerung müssen alle Wirk- und<br />
Hilfsstoffe auf ihre Identität überprüft werden.<br />
Die bisher verwendeten Trommeln<br />
konnten zu <strong>die</strong>sem Zweck geöffnet und wieder<br />
verschlossen werden. Big Bags würden<br />
durch <strong>die</strong>sen Musterzug zerstört und <strong>die</strong><br />
Einlagerung der Wirk- und Hilfsstoffe im<br />
Gebinde unmöglich gemacht werden. Daher<br />
wird ein neues Verfahren <strong>für</strong> <strong>die</strong> Identifikation<br />
des Rohstoffes eingesetzt. Das Pfizer<br />
Material Management Control System<br />
(MMCS) wird über Simatic IT MES gesteuert<br />
und stellt das Bindeglied zwischen der Prozesssteuerung<br />
und dem EBR-System dar. Es<br />
stellt neben der Equipment-Verwaltung auch<br />
automatisierte Prozessketten und Schnittstellen<br />
zu den unterschiedlichen Systemen bereit<br />
und zeichnet sich durch eine extrem<br />
hohe Verfügbarkeit aus.<br />
Die CMT in Freiburg ist hochgradig digitalisiert,<br />
automatisiert und vernetzt. Das schafft<br />
<strong>die</strong> Voraussetzung <strong>für</strong> ein Monitoring aller<br />
relevanten Prozess- und Qualitätsparameter<br />
in Echtzeit. Mit PAT wurde eine durchgehende<br />
Qualitätsprüfung implementiert, <strong>die</strong> Daten<br />
online bereitstellt. Im Vergleich zur herkömmlichen<br />
Batch-Produktion lassen sich<br />
Abweichungen daher durch Eingrenzung des<br />
zeitlichen Produktionsabschnitts viel exakter<br />
lokalisieren. Das Ergebnis: eine effizientere<br />
Qualitätskontrolle und weniger Ausschuss.<br />
Die erste Phase der CMT-Implementierung<br />
Wirk- und Hilfsstoffe werden in der kontinuierlichen Fertigungsstätte in Big Bags<br />
angeliefert<br />
im Werk Freiburg wurde mit der Qualifizierung<br />
der Big Bags Ende Oktober 2017 abgeschlossen.<br />
Vollautomatische Einwaage<br />
Dem ersten Prozessschritt, also der Versorgung,<br />
folgt <strong>die</strong> Einwaage. Dabei werden <strong>die</strong><br />
Wirk- und Hilfsstoffe aus den Big Bags dem<br />
Produktionsprozess über ein vollautomatisches<br />
Fördersystem kontinuierlich zugeführt<br />
und entsprechend der Medikamentenzusammensetzung<br />
genau dosiert. Hier sind<br />
höchste Genauigkeit sowie ein zügiger<br />
Wechsel der Big Bags wichtig. Durch <strong>die</strong><br />
sehr schnelle digitale Messtechnologie können<br />
kleinere Dosiertrichter verwendet werden.<br />
Dadurch wird unter anderem <strong>die</strong> Produktrestmenge<br />
bei einem Chargenwechsel<br />
reduziert. Im Anschluss an <strong>die</strong> Einwaage lief<br />
in <strong>die</strong>ser Phase der CMT-Implementierung<br />
zunächst der herkömmliche Herstellungsprozess<br />
weiter. Anfang November 2017<br />
wurden auf <strong>die</strong>sem Weg drei Vali<strong>die</strong>rungs -<br />
chargen eines Blockbusters produziert, <strong>die</strong><br />
in den Markt gehen konnten.<br />
Kontinuierliche Mischeinheit<br />
Im weiteren Prozessschritt, dem Mischen,<br />
vermengt eine neu entwickelte Mischeinheit<br />
Wirk- und Hilfsstoffe in Form von Trockengranulat<br />
zu einer homogenen Mischung, <strong>die</strong><br />
anschließend zum Beispiel in einem der<br />
zehn auf der Anlage verfügbaren Kapselfüller<br />
weiterverarbeitet werden kann. Die<br />
Durchsetzleistung des von GEA im Industriemaßstab<br />
konstruiert und gefertigten<br />
kontinuierlichen Mischers reicht von 5 bis<br />
500 kg/h. In Zusammenarbeit mit Siemens<br />
wurde das neue System in das vorhandene<br />
Automatisierungssystem des Werks lückenlos<br />
integriert. Die Produktionsmenge wird<br />
über <strong>die</strong> Mischkammergeschwindigkeit gesteuert.<br />
Blockbuster lassen sich somit auf<br />
derselben Produktionslinie herstellen wie<br />
kleine Mengen <strong>für</strong> <strong>die</strong> klinische Forschung.<br />
Die Time-To-Market wird dadurch reduziert.<br />
Die Vali<strong>die</strong>rung <strong>die</strong>ser kontinuierlichen<br />
Mischtechnik wird voraussichtlich bis<br />
Herbst 2018 dauern. In <strong>die</strong>ser Phase wird<br />
<strong>die</strong> PAT-gestützte Qualitätskontrolle durch<br />
händische Proben gespiegelt.<br />
Zahlreiche Partner<br />
Die technische Realisierung wurde mit<br />
zahlreichen Partnern durchgeführt. Die<br />
Hauptpartner waren GEA, Coperion und<br />
Hecht <strong>für</strong> <strong>die</strong> kontinuierliche Fertigung,<br />
Siemens <strong>für</strong> <strong>die</strong> Erstellung des MMCS als<br />
zentrale Steuereinheit <strong>für</strong> <strong>die</strong> Tablettenproduktion,<br />
Automatisierung, Gebäudeleittechnik<br />
und Logistik, eine Kooperation aus CCI/<br />
HMR/Untsch <strong>für</strong> <strong>die</strong> Automatisierung, <strong>die</strong><br />
Hochschulen Offenburg/Dortmund/Sigmaringen<br />
und viele lokale Anbieter zur Unterstützung.<br />
Um eine weltweite Verbreitung der<br />
neuen Technologie zu unterstützen, hat Pfizer<br />
auf eine Patentierung der CMT verzichtet.<br />
Somit wurde den Kooperationspartnern<br />
<strong>die</strong> Möglichkeit gegeben, <strong>die</strong> neuen Technologien<br />
auch anderen Unternehmen zur Verfügung<br />
zu stellen.<br />
www.prozesstechnik-online.de<br />
Suchwort: <strong>phpro</strong>0218pfizer<br />
AUTOREN:<br />
MICHAEL MANFRED BECKER<br />
Director Global Engineering,<br />
Pfizer<br />
GÜNTER NOSS<br />
Projektleiter,<br />
Siemens<br />
RICHARD STEINER<br />
Business Development Manager,<br />
GEA<br />
<strong>phpro</strong> 02-2018 35