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DIE SUCHE NACH AL-ANDALUS - Teil I. - Marokko - Hüter des maurischen Erbes

Kein anderes Land meiner Recherchen ist al-Andalus so nah wie das Königreich Marokko. Nicht nur geographisch. Mehrere Jahrhunderte gemeinsamer Geschichte und die geographische Nähe haben das Land geprägt. Das andalusische Erbe ist überall sichtbar. Maurische Auswanderer gründeten Stadtviertel, wie das andalusische Viertel in Fès oder ganze Städte wie Tetuan und Chefchaouen. Die Kunst maurischer Baumeister und Handwerker findet sich in der marokkanischen Architektur wieder, in der Dekoration von Gebäuden mit farbigen Fliesen und Fassaden mit Arabesken und in der Tradition der patios, der Innenhöfe – so vieles erinnert an al-Andalus. Musik aus der arabischen Zeit Spaniens wird in Marokko weiter liebevoll gepflegt und ist äußerst beliebt, mehr noch als in Spanien selbst. Und auch marokkanische Berberdynastien haben beeindruckende Zeugen ihrer Präsenz in Spanien hinterlassen: zu den berühmtesten zählen die Giralda und der Turm Torre del Oro, beide in Sevilla. Die Kunstfertigkeit sefardischer Silber- und Goldschmiede ....

Kein anderes Land meiner Recherchen ist al-Andalus so nah wie das Königreich Marokko. Nicht nur geographisch. Mehrere Jahrhunderte gemeinsamer Geschichte und die geographische Nähe haben das Land geprägt. Das andalusische Erbe ist überall sichtbar. Maurische Auswanderer gründeten Stadtviertel, wie das andalusische Viertel in Fès oder ganze Städte wie Tetuan und Chefchaouen. Die Kunst maurischer Baumeister und Handwerker findet sich in der marokkanischen Architektur wieder, in der Dekoration von Gebäuden mit farbigen Fliesen und Fassaden mit Arabesken und in der Tradition der patios, der Innenhöfe – so vieles erinnert an al-Andalus. Musik aus der arabischen Zeit Spaniens wird in Marokko weiter liebevoll gepflegt und ist äußerst beliebt, mehr noch als in Spanien selbst. Und auch marokkanische Berberdynastien haben beeindruckende Zeugen ihrer Präsenz in Spanien hinterlassen: zu den berühmtesten zählen die Giralda und der Turm Torre del Oro, beide in Sevilla. Die Kunstfertigkeit sefardischer Silber- und Goldschmiede ....

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Gegen Ende 1147 legten die Almohaden auch in al-Andalus an. Ihre Ankunft kam in letzter Minute: Überall<br />

auf der Iberischen Halbinsel gab es Aufstände gegen die Almoraviden und in Cordoba war der kastilische<br />

Christenkönig Alfons VII. gern gesehener Dauergast. Auch in Granada, Valencia und Murcia hatten sich kleine<br />

Fürsten und Kadis gegen die Almoraviden erhoben und sie vertrieben. Sie verspürten zwar wenig Lust sich<br />

von den Almohaden das Zepter wieder aus der Hand nehmen zu lassen, waren aber der militärischen<br />

Übermacht nicht gewachsen. Im Gegensatz zu den Almoraviden konnten die neuen Eroberer den Glauben an<br />

den einzigen, wahren Gott auch in al-Andalus mit neuem Feuer beleben. Ihre Intoleranz gegenüber<br />

Andersgläubigen fand plötzlich Zustimmung unter der muslimischen Bevölkerung; viele Juden, Christen und<br />

Muladíes 33 wanderten in die christlichen Königreiche im Norden aus.<br />

Die Unitarier richteten ihren Regierungssitz in Cordoba ein, die ehemalige Kalifenstadt gewann einen<br />

Schimmer ihres verlorenen Glanzes zurück. Es gelang den Unitariern al-Andalus nicht nur militärisch zur<br />

Einheit zu zwingen, sie überzeugten auch die Bevölkerung und al-Andalus erlebte eine neue Blütezeit. Die<br />

neuen Herrscher waren nicht nur religiöse Puristen und intelligente Strategen, sie besaßen auch einen Sinn<br />

für Schönheit und Ästhetik. Sie öffneten sich der exquisiten, arabischen Kultur <strong>des</strong> neuen Lan<strong>des</strong>. Die<br />

Schönheit der Landschaft, der Anblick herrlicher Paläste und die fortschrittliche Infrastruktur großer Städte<br />

beeindruckte sie und besänftigte ihren kämpferischen Geist. Ihre anfängliche Intoleranz gegenüber<br />

Nichtmuslimen wich allmählich einer toleranteren Geisteshaltung. Sie war der fruchtbare Schoß, aus dem die<br />

größten arabischen und jüdischen Wissenschaftler und Philosophen von al-Andalus hervorgingen, deren<br />

Weisheit und Erkenntnisse Orient und Okzident gleichermaßen mit zukunftsweisenden Thesen und<br />

Erkenntnissen bereicherten. Die subtilen Unterschiede zwischen Vernunft, Erleuchtung und der Vereinigung<br />

mit Gott wurden erforscht und in neu-platonischen und aristotelischen Interpretationen diskutiert.<br />

Denkmal <strong>des</strong> Philosophen Averroës (Ibn Ruschd), Cordoba<br />

Das Vermächtnis der andalus-arabischen Philosophen Ibn Tufail<br />

(Abentofal), Ibn Zuhr (Avenzoar), Ibn Ruschd (Averroës), <strong>des</strong> andalusjüdischen<br />

Gelehrten Ibn Maimun (Maimoni<strong>des</strong>) und <strong>des</strong> andalusarabischen<br />

Mystikers und Sufimeisters Ibn Arabi sollte die gesamte<br />

arabische und europäische Welt über Jahrhunderte hinweg befruchten.<br />

Maimoni<strong>des</strong> lehrte genauso an den Moscheemauern wie der Muslim Ibn<br />

Ruschd, sie schätzten und respektierten einander sehr.<br />

Und erneut begannen afrikanische Eroberer Städte mit herrlichen<br />

Bauwerken zu verzieren, bereits vorhandene Paläste wurden erweitert<br />

und verschönert. Auch die Poesie erwachte unter den Almohaden zu<br />

neuem Leben. In den Vorzimmern der Höfe von Sevilla, Cordoba und am<br />

Hof von Granada drängten sich erneut Literaten und Poeten die hofften<br />

als Lobredner zu Ruhm und Ehren zu gelangen.<br />

Obwohl die Almohadenkalifen die Geisteswissenschaften förderten,<br />

forderten die revolutionären Thesen <strong>des</strong> Muslimen Ibn Ruschd und <strong>des</strong><br />

jüdischen Gelehrten Ibn Maimun bald die misstrauische Kritik von islamischen Rechtsgelehrten und der<br />

Imame heraus, denn Ibn Ruschd wagte es zu verkünden:<br />

„Das Leben der Frauen hat den gleichen Endzweck wie das der Männer (..). Der Koran kennt nur den<br />

Unterschied zwischen denen – seien es Männer oder Frauen –, die Gottes Gesetz suchen, und denen, die sich<br />

nicht darum kümmern. Eine andere Rangordnung zwischen den Menschenwesen gibt es nicht. (...) Euch aber,<br />

ihr Männer, euch gelten die Frauen wie Pflanzen, die man nur um ihrer Früchte, um deren Zeugung willen<br />

begehrt. Und ihr macht sie zu Abgesonderten, zu Dienerinnen ... Das sind eure Traditionen; mit dem Islam<br />

haben sie nichts zu tun. Die Gesellschaftsordnung ist die beste, in der jede Frau, je<strong>des</strong> Kind, jeder Mann alle<br />

Möglichkeiten bekommt sämtliche Gaben zu entwickeln, die ihm von Gott gegeben wurden. Eine Gesellschaft<br />

wird frei und gottgefällig sein, wenn niemand mehr aus Angst vor dem Fürsten oder vor der Hölle handelt.“ 34<br />

33 Muladíes waren Muslime die den christlichen Glauben angenommen hatten<br />

34 aus Geschichten aus al-Andalus, ©Isabel Blanco del Piñal, Verlag RoseNoire, München, S. 166<br />

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