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DIE SUCHE NACH AL-ANDALUS - Teil I. - Marokko - Hüter des maurischen Erbes

Kein anderes Land meiner Recherchen ist al-Andalus so nah wie das Königreich Marokko. Nicht nur geographisch. Mehrere Jahrhunderte gemeinsamer Geschichte und die geographische Nähe haben das Land geprägt. Das andalusische Erbe ist überall sichtbar. Maurische Auswanderer gründeten Stadtviertel, wie das andalusische Viertel in Fès oder ganze Städte wie Tetuan und Chefchaouen. Die Kunst maurischer Baumeister und Handwerker findet sich in der marokkanischen Architektur wieder, in der Dekoration von Gebäuden mit farbigen Fliesen und Fassaden mit Arabesken und in der Tradition der patios, der Innenhöfe – so vieles erinnert an al-Andalus. Musik aus der arabischen Zeit Spaniens wird in Marokko weiter liebevoll gepflegt und ist äußerst beliebt, mehr noch als in Spanien selbst. Und auch marokkanische Berberdynastien haben beeindruckende Zeugen ihrer Präsenz in Spanien hinterlassen: zu den berühmtesten zählen die Giralda und der Turm Torre del Oro, beide in Sevilla. Die Kunstfertigkeit sefardischer Silber- und Goldschmiede ....

Kein anderes Land meiner Recherchen ist al-Andalus so nah wie das Königreich Marokko. Nicht nur geographisch. Mehrere Jahrhunderte gemeinsamer Geschichte und die geographische Nähe haben das Land geprägt. Das andalusische Erbe ist überall sichtbar. Maurische Auswanderer gründeten Stadtviertel, wie das andalusische Viertel in Fès oder ganze Städte wie Tetuan und Chefchaouen. Die Kunst maurischer Baumeister und Handwerker findet sich in der marokkanischen Architektur wieder, in der Dekoration von Gebäuden mit farbigen Fliesen und Fassaden mit Arabesken und in der Tradition der patios, der Innenhöfe – so vieles erinnert an al-Andalus. Musik aus der arabischen Zeit Spaniens wird in Marokko weiter liebevoll gepflegt und ist äußerst beliebt, mehr noch als in Spanien selbst. Und auch marokkanische Berberdynastien haben beeindruckende Zeugen ihrer Präsenz in Spanien hinterlassen: zu den berühmtesten zählen die Giralda und der Turm Torre del Oro, beide in Sevilla. Die Kunstfertigkeit sefardischer Silber- und Goldschmiede ....

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In der Alhambra: Dem Zauber <strong>des</strong> Myrtenhofs<br />

bei Nacht kann sich kein Besucher entziehen.<br />

(Bild: B. Tschöpe)<br />

Und dann war es wie der Schwanengesang der<br />

<strong>maurischen</strong> Kultur: Nach fast eineinhalb<br />

Jahrhunderten afrikanischer Herrschaft, ständig<br />

bedroht von der christlichen Rückeroberung,<br />

sollte die inzwischen dekadente arabische<br />

Kultur in Hispanien unter den Nasridenkönigen<br />

noch einmal eine goldene Renaissance erleben<br />

und der Glanz der Alhambra, den gesamten<br />

arabisch sprechenden Mittelmeerraum<br />

überstrahlen.<br />

Alle Könige der Alhambra betrieben ein subtiles<br />

diplomatisches Spiel das dem Reich Granada<br />

mehr als zwei Jahrhunderte lang das Überleben<br />

sicherte. Das Glück war, dass ab dem 13. Jh. die Könige der christlichen Reiche untereinander oft heillos<br />

zerstritten und in ständiger Geldnot waren. Zuweilen konnte es bis zu mehreren Jahrzehnten dauern, bis sich<br />

die Fronten geklärt hatten und die Rückeroberung von Neuem beginnen konnte. Die Nasridenkönige<br />

scheuten sich auch nicht mit gezinkten Karten zu spielen: Bedrängten sie die Christen allzu sehr weil sie ihren<br />

Tributzahlungen nicht nachgekommen waren oder weil sie wieder einmal versucht hatten sich mit den<br />

Meriniden zusammenzutun, um den Christen Schaden zuzufügen, schworen sie reumütig erneut<br />

Vasallentreue, hielten sich dann aber wieder nur bedingte Zeit daran.<br />

Im Jahr 1258 wurde in Fès Abu Yussuf Yaqub zum Sultan ausgerufen. Er war der erste<br />

Merinidensultan, der dem von den Christen wieder einmal stark bedrängten Reich Granada zu Hilfe kam.<br />

Dabei entsprang das Übersetzen nach Andalusien nicht nur frommer Nächstenliebe. Nach dem Untergang<br />

der Almohadenherrschaft hatte der Verlust von al-Andalus eine tiefe Wunde in die stolze Berberseele<br />

geschlagen, fast anderthalb Jahrhunderte lang war das islamische Spanien von allen Marokkanern als ihr<br />

Eigentum betrachtet worden. Alle Sultane der Meriniden und auch die nachfolgenden Saadier sollten den<br />

geheimen Wunsch nach einer Wiedereroberung <strong>des</strong> arabischen Spaniens hegen. Dabei war ihnen je<strong>des</strong><br />

Mittel recht, sei es um ihren andalusischen Brüdern gegen die Christen zu Hilfe zu eilen oder um einen<br />

christlichen König bei Streitigkeiten mit seinesgleichen zu unterstützen.<br />

Der Sultanshof zu Fès wurde Ziel all derer, die nicht in den erlauchten Dunstkreis <strong>des</strong><br />

Nasridenherrschers aufgenommen wurden: Dichter, Musiker, Baumeister und Kunsthandwerker. Aber nicht<br />

nur die Elite zog es nach <strong>Marokko</strong>. Vielen Andalus-Arabern und Sefarden war die Lage nicht geheuer. Sie<br />

empfanden den Druck der, nur auf eine neue Gelegenheit lauernden Christen als ständige Bedrohung,<br />

verließen Granada und fanden ein neues Zuhause in <strong>Marokko</strong>. Die Almoraviden und Almohaden hatten recht<br />

wenig vom exquisiten Lebensstil der Andalus-Araber übernommen. Sie hatten kein besonderes Interesse an<br />

lichtdurchfluteten, mit feinen Stuckarbeiten verzierten Palästen oder an blumengeschmückten Gärten mit<br />

fröhlichen Springbrunnen gezeigt und auch nicht an elegant geschwungenen Bogengängen, durch die<br />

Duftschwaden von parfümierten Essenzen schwebten. Die Meriniden waren zwar auch Berber, aber sie<br />

waren sehr empfänglich für die Schönheiten und Annehmlichkeiten der andalusisch-arabischen Architektur<br />

und auch für einen gepflegten Lebensstil.<br />

Ab dem Ende <strong>des</strong> 13. Jh. wurde die Architektur <strong>Marokko</strong>s, zuerst vorwiegend im nördlichen <strong>Teil</strong>, der<br />

von al-Andalus immer ähnlicher: weiß gekalkte Mauern, Wände mit Fayencefries bedeckt, schöne Gärten mit<br />

Springbrunnen und charmante Innenhöfe. Das Quartier <strong>des</strong> Andalous in Fès, die Städte Chefchaouen und<br />

Tetuan in Nordmarokko wurden von Andalus-Arabern gegründet. Sie sind berühmt für ihr ausgeprägtes,<br />

andalusisches Flair und beliebte Ziele für Reisende, die einen Wochenendabstecher vom spanischen Festland<br />

nach <strong>Marokko</strong> machen.<br />

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