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DIE SUCHE NACH AL-ANDALUS - Teil I. - Marokko - Hüter des maurischen Erbes

Kein anderes Land meiner Recherchen ist al-Andalus so nah wie das Königreich Marokko. Nicht nur geographisch. Mehrere Jahrhunderte gemeinsamer Geschichte und die geographische Nähe haben das Land geprägt. Das andalusische Erbe ist überall sichtbar. Maurische Auswanderer gründeten Stadtviertel, wie das andalusische Viertel in Fès oder ganze Städte wie Tetuan und Chefchaouen. Die Kunst maurischer Baumeister und Handwerker findet sich in der marokkanischen Architektur wieder, in der Dekoration von Gebäuden mit farbigen Fliesen und Fassaden mit Arabesken und in der Tradition der patios, der Innenhöfe – so vieles erinnert an al-Andalus. Musik aus der arabischen Zeit Spaniens wird in Marokko weiter liebevoll gepflegt und ist äußerst beliebt, mehr noch als in Spanien selbst. Und auch marokkanische Berberdynastien haben beeindruckende Zeugen ihrer Präsenz in Spanien hinterlassen: zu den berühmtesten zählen die Giralda und der Turm Torre del Oro, beide in Sevilla. Die Kunstfertigkeit sefardischer Silber- und Goldschmiede ....

Kein anderes Land meiner Recherchen ist al-Andalus so nah wie das Königreich Marokko. Nicht nur geographisch. Mehrere Jahrhunderte gemeinsamer Geschichte und die geographische Nähe haben das Land geprägt. Das andalusische Erbe ist überall sichtbar. Maurische Auswanderer gründeten Stadtviertel, wie das andalusische Viertel in Fès oder ganze Städte wie Tetuan und Chefchaouen. Die Kunst maurischer Baumeister und Handwerker findet sich in der marokkanischen Architektur wieder, in der Dekoration von Gebäuden mit farbigen Fliesen und Fassaden mit Arabesken und in der Tradition der patios, der Innenhöfe – so vieles erinnert an al-Andalus. Musik aus der arabischen Zeit Spaniens wird in Marokko weiter liebevoll gepflegt und ist äußerst beliebt, mehr noch als in Spanien selbst. Und auch marokkanische Berberdynastien haben beeindruckende Zeugen ihrer Präsenz in Spanien hinterlassen: zu den berühmtesten zählen die Giralda und der Turm Torre del Oro, beide in Sevilla. Die Kunstfertigkeit sefardischer Silber- und Goldschmiede ....

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Das Paradies al-Andalus<br />

Seit ich Anfang der 90ger Jahre mit der Arbeit an meinem ersten Buch den Geschichten aus al-Andalus<br />

begann, war ich fasziniert von der Entwicklung der Iberischen Halbinsel zur Heimat der <strong>maurischen</strong><br />

Hochkultur, deren Wissensstand auf den Gebieten Philosophie, Astrophysik, Mathematik, Medizin und<br />

Wasserwirtschaft so fortschrittlich war, dass sie auch das damalige Europa befruchtete. Lag al-Andalus<br />

nicht im äußersten Westen, am Ende der damals bekannten Welt, fernab von Zentralasien und dem<br />

Orient die schon früh von Entdeckungen und Innovationen aus China profitierten?<br />

Ebenso fasziniert war ich jedoch auch zu sehen wie sich der quälende Niedergang der einst<br />

glanzvollen Kultur über mehrere Jahrhunderte hinzog, bis zum dramatischen Untergang. Ich fühlte mich<br />

wie ein Zuschauer auf einem bevorzugten Logenplatz der zwar das Verhängnis kommen sieht aber nicht<br />

warnend eingreifen kann. Der Untergang der <strong>maurischen</strong> Zivilisation begann schon im 11. Jahrhundert.<br />

Er beruhte in großem Maß auf internen Machtkämpfen, auf staatsmännischer Unfähigkeit und auf<br />

Epochen ausufernder Dekadenz. In der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 11. Jahrhunderts unternahmen die<br />

christlichen, spanischen Könige die ersten Versuche zur Rückeroberung der arabischen Territorien<br />

Hispaniens. Das sollte sich als ein äußerst schwieriges und langwieriges Unterfangen herausstellen, das<br />

erst im Jahr 1492 abgeschlossen wurde.<br />

Ab der Mitte <strong>des</strong> 8. bis zur Mitte <strong>des</strong> 13. Jahrhundert erlebte die gesamte arabische Welt eine<br />

kulturelle, wirtschaftliche und wissenschaftliche Blütezeit die als Goldenes Zeitalter <strong>des</strong> Islam<br />

bezeichnet wird. In al-Andalus dauerte sie, mit Unterbrechungen, vom 10. bis zum 12. Jh. Sie war kürzer<br />

aber umso glanzvoller und überlagerte in der Geschichte die Jahrhunderte langen, bewegten und nicht<br />

selten blutigen Zeiten der Machtfestigung der Emire und ihre Habgier, mit der sie mit überhöhten<br />

Steuern die Bevölkerung ausbeuteten. In Vergessenheit geraten scheinen auch die Zeitabschnitte von<br />

Benachteiligung oder Verfolgungen von Juden und Christen unter muslimischen Machthabern. Für die<br />

Nachwelt wurde die Maurenzeit in Spanien zum Symbol für technische Fortschrittlichkeit, für das<br />

friedliche Zusammenleben der drei Weltreligionen und für eine Blütezeit der Wissenschaften, die auch<br />

das Abendland bereicherte und befruchtete.<br />

„Das Paradies in al-Andalus<br />

hat eine eigene Schönheit,<br />

wie die einer Braut.<br />

Im sanften Streicheln einer Brise<br />

weht ein süßer Duft. Es ist,<br />

als käme das Strahlen seiner sonnigen Morgen<br />

von den herrlichen Zähnen eines Mun<strong>des</strong>,<br />

und die Dunkelheit seiner Nächte<br />

von dunkelroten Lippen.<br />

Je<strong>des</strong> Mal wenn die Brise von Osten geht,<br />

sage ich zu mir:<br />

„Welch unstillbare Leidenschaft<br />

fühle ich doch für al-Andalus!“<br />

Ibn Chafadscha, Alcira (Spanien), 11./12. Jh. 7<br />

Ψ<br />

7 aus Ich pflückte die Rose … © Isabel Blanco del Piñal, Verlag RoseNoire, S. 65

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