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Berliner Kurier 27.03.2019

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12 BERLIN BERLINER KURIER, Mittwoch, 27.März2019*<br />

Mensch<br />

Meyer<br />

Kabarettist<br />

Chin Meyer<br />

schreibt jeden<br />

Mittwoch und<br />

Sonnabend<br />

im KURIER<br />

Tierwohl, das<br />

neue Siegel<br />

der Ministerin<br />

Tierwohl“ heißt das<br />

neueste Siegel unserer<br />

Landwirtschaftsministerin.<br />

Siegel sind der neueste<br />

Schrei im Kunden-Verwirrungs-Geschäft<br />

– sie gaukeln<br />

eine heile Welt vor, wo<br />

keine existiert. Eine Vielzahl<br />

von Bio-, Öko-, Fairdies-und-das-Siegeln<br />

verwandeln<br />

schlichtes Einkaufen<br />

schon seit einiger<br />

Zeit in eine Vorstufe der<br />

Promotion. Aber „Tierwohl“<br />

ist in der verlogenen<br />

Siegel-Welt eine neue Stufe<br />

des „Siegel-in-die-Augen-<br />

Streuens“. Ein paar Zentimeter<br />

mehr Bewegungsfreiheit<br />

wird als „Tierwohl“<br />

deklariert –das ist, als deklarierte<br />

man eine Gehaltserhöhung<br />

um neun Cent als<br />

„Angestellten-Wohl“. „Siegel,<br />

Siegel an der Wand,<br />

wer ist die Versiegeltste im<br />

ganzen Land?“ wird die<br />

Frau Klöckner gesungen<br />

haben, als sie diesen Vorschlag<br />

in die Tat umsetzte.<br />

Anscheinend gibt es in unserer<br />

Wohlfühl-Welt noch<br />

nicht genügend Siegel. Wie<br />

wäre es mit einem „Pflanzenwohl-Siegel“?<br />

Jede Eiche<br />

erhält einen Quadratmeter<br />

Freifläche zum<br />

Wachsen. Oder ein „Kindwohl-Siegel“<br />

für jedes Eltern-Paar,<br />

das ihr Kind einmal<br />

am Tag umarmt und<br />

nicht länger als 30 Minuten<br />

im Netz oder am TV verrotten<br />

lässt. Ein Politikerwohl-Siegel<br />

wird vergeben<br />

an alle Medien, die nur das<br />

drucken, was Politiker in<br />

ihnen abgedruckt haben<br />

wollen. In den USA heißt<br />

das bereits „Fox-News“.<br />

Und auf Wunsch der FDP<br />

kommt ein „Wirtschaftswohl-Siegel“<br />

–bislang bekannt<br />

als Bank- und Management-Boni.<br />

Am dringendsten brauchen<br />

wir ein „100 Prozent Bio-<br />

Fairtrade-Glücks-Tier-<br />

Verpackungs-neutral-Umwelt-Verbesserungs-Siegel“<br />

–früher hieß das „persönliches<br />

Gespräch“, aber<br />

dazu muss man sich halt<br />

mit Zeit in der analogen<br />

Welt treffen. Und das wird<br />

schwer …<br />

Chin Meyer ist am 4. und 5. April<br />

mit neuem Live-Programm „Leben<br />

im Plus“ in den Wühlmäusen am<br />

Theo zu sehen.<br />

Fotos: dpa, Polizei, Richard<br />

Rebeccas Schwager<br />

Warum sperrt die<br />

Polizei sein Foto?<br />

DieMordkommission glaubt,dasserder Täter ist,hat sonst aber nichts gegen ihn in der Hand<br />

Berlin – Die Suche nach der<br />

seit fünf Wochen vermissten<br />

Rebecca Reusch wurde am<br />

Dienstag fortgesetzt. Unterdessen<br />

zogdie Polizeidie Veröffentlichung<br />

einesFotos des<br />

tatverdächtigen Schwagers<br />

zurück.<br />

Wie schon amMontag suchte<br />

die Polizei im Herzberger See,<br />

östlich des Scharmützelsees.<br />

„Im Einsatz waren Taucher,<br />

Hunde, das Technische Hilfswerk<br />

und Teilkräfte einer Einsatzhundertschaft“,<br />

sagte eine<br />

Polizeisprecherin.<br />

Die Gegend im Landkreis<br />

Oder-Spree befindet sich rund<br />

25 Kilometer von der Autobahnbrücke<br />

entfernt, an der das<br />

Kennzeichen-Erfassungssystem<br />

der Brandenburger Polizei<br />

den Renault des verdächtigen<br />

Schwagers von Rebecca registrierte.<br />

Das war am Tag des Verschwindens<br />

der 15-Jährigen,<br />

am 18.Februar.<br />

Die Mordkommission ist davon<br />

überzeugt, dass der 27-jährigeSchwagerdie15-Jährigegetötet<br />

hat. Sie mutmaßt, dass er<br />

die Leiche in Brandenburg beseitigt<br />

haben könnte.<br />

Der 27-Jährigewar vergangenen<br />

Freitag aus derU-Haft entlassen<br />

worden. Ein Richterhatte<br />

Zweifel am dringenden Tatverdacht,<br />

der eine Haft rechtfertigen<br />

würde. Die<br />

Mordkommission hält den<br />

Mannweiter für verdächtig.<br />

Nach der Veröffentlichung<br />

von Fotos des Verdächtigen<br />

durch diePolizeihattensich bei<br />

den ErmittlernmehrereZeugen<br />

Berlin – Der Kandidat der<br />

Brandenburger SPD für die Europawahl,<br />

Simon Vaut, hat falsche<br />

Angaben zu seinem<br />

Wohnsitz gemacht und jetzt<br />

entsprechende Lügenvorwürfe<br />

gegen ihn eingeräumt. Dem<br />

„Spiegel“ sagte Vaut gestern, er<br />

habe nie in Brandenburg/Havel<br />

gewohnt, „sondern immer in<br />

Berlin“. Im Laufe seiner Kandidatur<br />

habe er sich in Unwahrheiten<br />

verstrickt. Vaut kündigte<br />

an, seine Wahlkampfaktivitä-<br />

Die Polizei suchte mehrereMale<br />

mit einem Boot nach dem<br />

verschwundenen Mädchen.<br />

gemeldet, die den Mann gesehen<br />

haben wollen. AmMontag<br />

zog die Polizei die Veröffentlichung<br />

jedoch zurück. Dazu erklärtesieknapp:„Daderzeitkeine<br />

weiteren Erfolgsaussichten<br />

durch die Öffentlichkeitsfahndung<br />

bestehen, werden die Bilder<br />

des Tatverdächtigen und<br />

dessen Fahrzeugs gelöscht.“<br />

Wenn die Aufklärungschancen<br />

sinken, dann gewinnen die Persönlichkeitsrechte<br />

umso mehr<br />

Gewicht.<br />

Petra Klein, die Anwältin des<br />

Schwagers, erklärte amDienstag:<br />

„Der Umgang mit meinem<br />

Mandanten sowohl seitens der<br />

Strafverfolgungsbehörden als<br />

auch der Öffentlichkeit kommt<br />

einer Vorverurteilung gleich.“<br />

Durch die Veröffentlichung<br />

verschiedenster unverpixelter<br />

Fotos und persönlicher Details<br />

sei ihr Mandant massivem gesellschaftlichem<br />

Druck ausgesetzt<br />

und eine schnelle Rückkehr<br />

in Alltag und Normalität<br />

scheine ausgeschlossen.<br />

Martin Steltner von der<br />

Staatsanwaltschaft sagte: „Die<br />

Veröffentlichung des Fotos ist<br />

durch den Paragrafen 131 bder<br />

Strafprozessordnung gedeckt.“<br />

Darin heißt es: Die Veröffentlichung<br />

von Abbildungen eines<br />

Beschuldigten ist auch zulässig,<br />

wenn die Aufklärung einer<br />

StraftataufandereWeiseerheblich<br />

weniger erfolgversprechend<br />

wäre.<br />

Übersetzt heißt das: Die<br />

Mordkommission glaubt zwar,<br />

dass der Schwager Rebecca tötete.Abersonst<br />

hatsienichtsgegen<br />

ihn in der Hand. KOP<br />

Politiker schummelt sich zum Brandenburger<br />

Der in Berlin wohnende Simon Vaut kandidiertfür die märkische SPD<br />

Simon Vaut soll sogar eine Freundin<br />

in Brandenburgerfunden haben.<br />

Rebecca wird<br />

seit dem 18. Februar<br />

vermisst.<br />

Ihr 27-jähriger<br />

Schwager wird<br />

verdächtigt,die<br />

15-Jährige<br />

getötet zu haben.<br />

Foto: SPD<br />

ten einzustellen. Auch die SPD<br />

stellte den Wahlkampf für den<br />

41-Jährigen umgehend ein.<br />

Vaut hatte seine Partei über<br />

seinen Wohnsitz getäuscht. Er<br />

hatte angegeben, in Brandenburg/Havel<br />

zu wohnen. Tatsächlich<br />

lebt Vaut in Berlin. Das<br />

hatte am Vorabend der Stadtkanal-Sender<br />

„SKB TV“ berichtet.<br />

Ministerpräsident Dietmar<br />

Woidke (SPD) rückte von Simon<br />

Vaut ab. „Ich bin persönlich<br />

enttäuscht“, sagte er. „Sollte<br />

er in das EU-Parlament gewählt<br />

werden, dann erwarte<br />

ich, dass er das Mandat nicht<br />

annimmt.“<br />

Eine Streichung Vauts von<br />

der Kandidatenliste ist nach<br />

Angaben des SPD-Landesverbands<br />

nicht mehr möglich.<br />

Nach Angaben des Verbands<br />

habe Vaut nach einer entsprechenden<br />

Aufforderung bereits<br />

zugesagt, im Falle eines Wahlsiegs<br />

auf sein Mandat zu verzichten.

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