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Gesellschaft<br />
Gesellschaft<br />
Achtzehn – Zwanzig – Zwo – Null…<br />
Einiges über Foulspiele bei der geistigen Sportart Skat<br />
Niemand darf denken, dass ich hier eine Anleitung<br />
zum Skatspiel geben will – nein, ganz und gar nicht.<br />
Vielmehr will ich in einfachen Worten schildern,<br />
was ich einst bei einer gemütlichen Skatrunde als unbeteiligter<br />
Zuseher erlebt habe. Vorausschicken muss ich leider,<br />
dass das Wort „gemütlich“ allenfalls für den Anfang und<br />
das Ende der Runde galt, dazwischen triumphierten Verdorbenheiten<br />
und Verdruss. Bemerken muss ich ebenfalls,<br />
dass derjenige, der gar nichts vom Skat versteht, sich hier<br />
und da wohl fragend umherblicken wird. Leider ist das bei<br />
einem derart komplizierten Spiel, das sogar als „Immaterielles<br />
Kulturerbe“ anerkannt ist, nicht zu verhindern. Dass<br />
ich die Namen der beteiligten Erdenkinder ein wenig verändert<br />
habe, ist dem mittlerweile Achtung gebietenden Datenschutz<br />
geschuldet. Dieser sitzt einem jeden Schreiber<br />
heutzutage ja förmlich im Genick und zwingt ihn ständig,<br />
auf das Ende zu blicken. Und das Missachten der personenbezogenen<br />
Daten kann teuer werden. Soweit die Einleitung.<br />
Es gebietet sich beim Stichwort „Skatrunde“ zunächst<br />
die drei Beteiligten vorzustellen, die – jeder auf seine Weise<br />
– den Gang der Handlung in der Hand halten wollten. Da<br />
muss ich zunächst „Ente“ nennen. Er hatte ehemals eine ausländische<br />
Klapperkiste erworben und deren wohlverdienten<br />
Spottnamen sogleich mit in sein Eigentum übernommen.<br />
Ente, häufig auch „Entchen“ genannt, wartete stets als Erster<br />
schon einige Minuten vor der Öffnung der Dorfkneipe<br />
auf das entsprechende Schlüsselgeräusch. Und wenn Fridolin,<br />
der Wirt, pünktlich aufschloss, dann dauerte es nicht lange<br />
bis Pieps und Schbatz eintrafen. Wie diese Beiden zu ihren<br />
Ehrenbezeichnungen gekommen waren, wusste – außer<br />
vielleicht sie selber – niemand mehr so ganz genau.<br />
Schon fünf Minuten vor dem Öffnen der Türe zapfte<br />
der geschäftstüchtige Fridolin drei Gläser mit Bier an; er<br />
kannte seine Stammgäste, die beim Eintreten die fast gefüllten<br />
Gläser mit Wohlwollen betrachteten und am ersten<br />
Tisch nahe der Theke den gewohnten Platz einnahmen.<br />
Und schon kommandierte Ente mit erhobener Stimme: „Et<br />
Gebädsbuch, Frido, owwer schwinn!“ Ich bin gezwungen<br />
an dieser Stelle etwas anzusprechen, was sich angesichts<br />
der fremdartigen Laute nicht geheim halten lässt. Ente war<br />
ein Migrant, stammte aus dem Nassauer Ländchen, aufgewachsen<br />
gut und gerne dreißig oder vierzig Kilometer<br />
Luftlinie jenseits der Kalteiche. Dank der mit einem Wohnungswechsel<br />
verbundenen Eheschließung hatte er es geschafft,<br />
theoretisch zu einem Siegerländer zu werden. Aber<br />
leider, die Einbürgerung gelang nur halb, manche seiner<br />
Gebaren kannte man hier nicht; und vor allem: er sprach<br />
immer noch seine heimische Mundart und tat beharrlich so,<br />
als sei das doch ganz normal.<br />
Der Wirt brachte das geforderte „Gebädsbuch“. Ente<br />
hatte mit diesem Wort den früheren Sprachgebrauch der<br />
Kirchenfürsten übernommen. Diese verdammten die Karten<br />
als „Gebetbuch des Teufels“. Schon den habgierigen<br />
Landsknechten im späten Mittelalter war bewusst, dass<br />
beim Karten- und Würfelspiel der leibhaftige Gottseibeiuns<br />
unter dem Tisch sitzt. Gesehen hatte den Schwarzen<br />
freilich damals niemand und auch heute noch kann man<br />
ganze Spielhöllen durchsuchen ohne ihn oder seine Großmutter<br />
anzutreffen.<br />
Unaufgefordert brachte Fridolin neben dem Bier auch<br />
noch einen Block und einen Kugelschreiber an den Tisch.<br />
Woanders wäre jetzt gefragt worden: „Wer schreibt?“ Hier<br />
war dies nicht erforderlich, denn der stets auf der Kopfseite<br />
sitzende Pieps schrieb regelmäßig und scheute sich nicht<br />
hierzu jedes Mal sein Motto „Wä schribt, dä blibt!“, zu<br />
verkünden. Die Leserlichkeit seiner Zahlen war stark eingeschränkt,<br />
seine Rechenkünste dazu etwas zweifelhaft –<br />
aber im Großen und Ganzen vertraute man ihm. Woanders<br />
hätte man nun gefragt: „Um was spielen wir denn?“ Aber<br />
auch dies stand mit den Begriffen „Bierlachs“ und „Vierhundertdatum“<br />
von vornherein fest. Pieps erkundigte sich<br />
deshalb: „D`r wifelde ha m`r da ho?“ Schbatz wusste es:<br />
„Ho ha m`r d`r zwoenzwanzichste.“ Pieps notierte oben auf<br />
seinem Zettel die Zahl 422. Wer mehr Minuszähler auf der<br />
Habenseite ansammelte, dem wurde die nächste Runde<br />
Bier auf seinem Deckel notiert.<br />
Ente hatte unterdessen freiwillig und munter die 32<br />
Spielkarten gemischt und<br />
nach dem Schbatz`schen<br />
Abheben die Verteilung vorgenommen.<br />
Hastig nahm er<br />
selbst seine zehn Karten in<br />
die Hand. Pieps hingegen<br />
ließ sich eine Menge Zeit,<br />
hob die Karten einzeln auf,<br />
schaute sich jede genau an,<br />
sortierte sie nach Farbe und<br />
Stellenwert. Eine merkwürdige<br />
Zuversicht gaukelte<br />
ihm vor, dass so sein Blatt<br />
besser würde. Wurde es<br />
aber nicht. „Wat en Mest“,<br />
sagte er und bemerkte so<br />
vor sich hin: „Ech passen.“<br />
Ähnlich verhielt es sich bei<br />
Ente. „Fo jedem Doorf en<br />
Köder“, schimpfte der Siegerland-Hesse<br />
und: „Äch<br />
passen aach.“ Schbatz war<br />
offenbar besser bestückt. Er ruckelte hin und her auf seinem<br />
Stuhl, setzte sich anschließend kerzengerade hin, schaute<br />
noch einmal auf sein Blatt und meldete schließlich in einem<br />
energischen Tonfall: „Ech säh achtze!“ Sagte es, nahm<br />
den Stock auf, sortierte ihn ein und drückte zwei Karten mit<br />
den Worten „Dä würd Soldat on dä würd Soldat.“ Sodann<br />
verkündete er: „Herzlich lachd os Dande“, und danach in<br />
Richtung Pieps: „Du kömmst russ.“<br />
Als der pingelige Pieps hörte, dass Herz Trumpf sei, sah<br />
er sich gezwungen, die Karten neu zu ordnen. Seine drei<br />
Trümpfe kamen auf die linke Seite. Die Überlegung, mit<br />
welcher Karte er eröffnen solle, dauerte dem zappeligen<br />
Entchen viel zu lange und er blaffte: „En Korde orrer e<br />
Scheid Holz.“ Endlich war Pieps soweit und zog entsprechend<br />
der alten Skat-Weisheit „Kurzer Weg, lange Farbe“<br />
den Kreuz-König. Von Kreuz hatte er drei Karten, darunter<br />
befand sich auch das Ass. Schbatz legte die Kreuz-Neun<br />
auf den König, Ente die Kreuz-Sieben. Nun brachte Pieps<br />
das Kreuz-Ass in der Hoffnung Schbatz die Zehn abzuluchsen.<br />
Doch dieser bedient mit der Dame. Ente hatte<br />
kein Kreuz mehr und warf seine blanke Karo-Zehn dazu.<br />
Ein schöner Stich. Dass Pieps nun die Kreuz-Acht zog,<br />
Schbatz mit der 10 bedienen musste und Ente mit dem Pik-<br />
Buben auch den dritten Stich für die beiden Verbündeten<br />
sicherte, liegt auf der Hand. Leider war dieser siegreiche<br />
Bube Entes einziger Trumpf. Und so gewann Schbatz, der<br />
die anderen drei Buben besaß, letztlich und eindeutig trotz<br />
des miesen Auftakts mit seinen sieben Trümpfen das Spiel.<br />
„Bet su Korde kä ach ois Oma im Schlof schbilln“, moserte<br />
Ente. Derweil notierte Pieps für die einfache Herz-<br />
Flöte 20 Zähler bei den beiden Verlierern und begann<br />
ausgiebig mit dem Mischen der Karten für das nächste<br />
Spiel. Diese an den Tag gelegte Misch-Gründlich- <br />
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