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Dem Leben zugewandt<br />

90 Jahre Ingo Baldermann<br />

Am 2. Mai 1929 wird Ingo Baldermann in Berlin-<br />

Wilmersdorf geboren. In diesem letzten Jahr der<br />

Goldenen Zwanziger gilt Berlin als fortschrittlichste<br />

und freieste Stadt der damaligen Welt. Aber auch<br />

hier wirkt sich bereits die Weltwirtschaftskrise aus. Es<br />

kommt zu Demonstrationen und gewalttätigen Unruhen.<br />

Allein der Berliner „Blutmai“ (1. – 3. Mai 1929) kostet<br />

viele Tote und mehrere Hundert Verletzte.<br />

Nach ersten Erinnerungen gefragt, nach Wahrnehmungen<br />

aus der eigenen Kindheit, spricht Baldermann von<br />

Gesellschaft<br />

seinem Vater. Dieser, der Mittelschullehrer<br />

Herbert Baldermann, verfolgte mit deutlichem<br />

Widerwillen, wie eine Splitterpartei mit<br />

Provokationen und Straßenterror die Macht<br />

okkupierte. Offenbar war das Vorbild des Vaters<br />

wichtig für Baldermanns Immunisierung<br />

gegen die Ideologie des Nationalsozialismus.<br />

Aus der Kindheit bleiben undeutliche Erinnerungen<br />

an Menschengruppen, die mit Koffern<br />

in der Hand offenbar auf dem Weg zu Sammelstellen<br />

waren, Erinnerungen auch an den<br />

staatlichen Antisemitismus, der im November<br />

1938 in einem Pogrom gegen die Juden gipfelte.<br />

Viele Menschen starben noch Tage und<br />

Wochen später an ihren schweren Verletzungen.<br />

In den darauffolgenden Tagen wurden in<br />

Hitlerdeutschland über 30.000 jüdische Männer<br />

verhaftet (auch zahlreiche Frauen) und in<br />

Konzentrationslager verschleppt. Die materielle<br />

Bilanz der Gewalt zeigte landesweit 1.200<br />

niedergebrannte Synagogen und Gebetshäuser<br />

und 7.500 zerstörte Geschäfte.<br />

Als 10-Jähriger musste Ingo Baldermann<br />

der sogenannten Hitlerjugend beitreten, 1943<br />

zog die Schule nach Pommern um, von dort<br />

aus folgte eine Evakuierung und Flucht nach<br />

Wolfenbüttel – die Rote Armee kam näher. Im<br />

April 1945 wurde Baldermann als Angehöriger<br />

des Volkssturms, der allerletzten Reserve<br />

ausgestattet. Auf Adolf Hitler vereidigt zogen<br />

die Heranwachsenden neben älteren Männern<br />

in den Kampf gegen einen überlegenen Gegner.<br />

Jahrzehnte später staunt Baldermann noch<br />

über die damalige Bindekraft der nationalsozialistischen<br />

Propaganda. Die Handhabung ihrer<br />

Karabiner musste in Schnellkursen erlernt<br />

werden. Helm oder Erkennungsmarke gehörten<br />

nicht zur Ausrüstung. Zu den Standardwaffen<br />

gehörte die Panzerfaust: Sie war leicht zu<br />

bedienen und vermittelte das Gefühl überlegener<br />

Kampfkraft. Dem knapp 16-jährigen Baldermann und<br />

den wenigen Überlebenden seiner Kampfgruppe wurde sie<br />

von einem resoluten Bauern abgenommen und es folgte<br />

ein unerwartet schnelles Wiedersehen mit seiner Mutter<br />

in Wolfenbüttel. Neben dem Kriegsgeschehen und den zunehmend<br />

drohenden Bombenangriffen stand die Sorge um<br />

den älteren Bruder, der auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz<br />

schwerverwundet wurde.<br />

Warum Theologie? Der Familientradition folgend lag<br />

für Ingo Baldermann das Studium der Pädagogik nahe.<br />

Foto Rita Petri<br />

Unter dem Eindruck des Vergangenen sowie vielfältiger<br />

und fortwährender Veränderungen kam die Suche nach<br />

Orientierung hinzu.<br />

Das so begründete wissenschaftliche Interesse an Pädagogik<br />

und Religion, verbunden mit dem Anspruch, Lehrende<br />

und Lernende beim Lehren und Lernen zu unterstützen<br />

(Didaktik), führte Baldermann von 1957 bis 1963<br />

nach Loccum (1) und anschließend bis 1965 als Dozent an<br />

das Pädagogische Institut der Universität Hamburg. Dabei<br />

entwickelte er eine „Didaktik biblischer Texte, die sich nicht<br />

mit dem Erreichen bestimmter Lernziele oder dem Anhäufen<br />

von Wissen zufrieden gibt, sondern auf einen fortgesetzten<br />

Dialog hin angelegt ist und Menschen auf einen Weg<br />

wachsenden Erkennens führt“ (2) . Dementsprechend soll die<br />

Vermittlung biblischer Texte letztlich zur Mündigkeit des<br />

Menschen führen, sie soll begreifbar machen, dass, „wer an<br />

den Gott glauben kann der alle Menschen liebt, wird Arme<br />

nicht unterdrücken, Schwächere nicht ausbeuten und wird<br />

künftige Generationen nicht schädigen oder benachteiligen“.<br />

Baldermann macht deutlich, dass der Glaube an den befreienden,<br />

rettenden, tröstenden Gott gegenstandslos wird,<br />

wenn der Glaubende daraus keine Konsequenzen zieht.<br />

Mitte der 60er Jahre wurde Ingo Baldermann als Hochschullehrer<br />

ins Siegerland berufen. Im Rahmen der landesweiten<br />

Einrichtung neuer Hochschulen entstand auf dem<br />

Haardterberg in der damals noch selbstständigen Stadt<br />

Hüttental eine Gesamthochschule, später die Universität<br />

Siegen. Rückblickend sieht Baldermann die Jahre des Aufbaus<br />

als schönste Erfüllung seiner akademischen Laufbahn.<br />

Im Zusammenhang mit den Ereignissen um 1968, aber<br />

auch unter dem Eindruck innerstaatlicher Konflikte in der<br />

sogenannten Dritten Welt (z.B. Nigeria/Biafra), entwickelte<br />

sich vor allem in der studentischen Jugend und in kirchlichen<br />

Gruppen ein ausgeprägtes Protestpotenzial. Verstärkt<br />

wurde dies durch die sogenannte NATO-Nachrüstung in<br />

der Ost-West-Konfrontation und die drohende Zuspitzung<br />

hin zu einem Atomkrieg.<br />

Im April 1984 übernahm Ingo Baldermann den Vorsitz<br />

der neu gegründeten Gustav-Heinemann-Friedensgesellschaft.<br />

In Anlehnung an Gustav Heinemann (3) lautet die<br />

Selbstverpflichtung der Vereinsmitglieder: „Entschiedenheit<br />

in der Arbeit für den Frieden“ (4) . Für Baldermann ist<br />

dies eine notwendige Reaktion, eine Antwort auch auf die<br />

fortschreitende Zerstörung der Schöpfung. Ihm zufolge<br />

kann es nicht darum gehen, sich mit Ausflüchten ins Jenseits<br />

oder mit Zynismus aus der Verantwortung zu ziehen.<br />

Tragfähig sei eine Antwort nur dann, wenn sie Hoffnung<br />

enthält und Wege zeigt, jetzt Hoffnungsvolles zu tun und<br />

im Sinn dieser Hoffnung zu leben.<br />

Im Jahr 2019 ist der hochgeschätzte Religionspädagoge<br />

Ingo Baldermann weiterhin mit Gottesdiensten und Seminaren<br />

in der Siegener Martini-Kirchengemeinde engagiert – der<br />

Wahrheit und dem Leben zugewandt. Erich Kerkhoff<br />

1) Religionspädagogisches Institut Loccum. Die Evangelische Akademie Loccum ist eine Einrichtung<br />

der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Die grundlegende Aufgabe des RPI<br />

ist die Bereitstellung religionspädagogischen Orientierungs- und Handlungswissens zur Erschließung<br />

elementarer Zugänge zum christlichen Glauben und seiner Lebensformen.2) Baldermann,<br />

Einführung in die biblische Didaktik, Darmstadt 1996. 3) Gustav Heinemann (1899 – 1976) war<br />

der dritte Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. 4) Klaus Hoppmann-König: MEHR<br />

GERECHTIGKEIT WAGEN Autobiographische Collage, LIT Verlag, Berlin 2006, S. 182<br />

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