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Gesellschaft<br />
Gesellschaft<br />
Beim Preisskat geht es nicht nur um die Ehre.<br />
keit verfehlte ihre Wirkung nicht. „Et hod sich schu mol<br />
äner dudgemischt“, maulte Ente lauthals und Schbatz ergänzte<br />
nickend: „Enjo, dä läbt heut noch en Köln.“ Endlich<br />
waren die Karten verteilt und nach „Achtze, Zwanzich,<br />
Zwo, Fort“, spielte Pieps „Null“. „Null es full“, verkündete<br />
Schbatz. Weil es bei „Null“ immer Kontra gab, war damit<br />
alles gesagt. Pieps gewann trotz seiner nur halbwegs guten<br />
Nullkarten dennoch. Auf diese Art und Weise ging es noch<br />
ein Weilchen, einmal hieß es: „Weißt du net wo, schbeelst<br />
du Karo“, ein anderes Mal: „Pikus, d`r Waldschbecht“.<br />
Und jeder gewann einmal, jeder verlor einmal und auf dem<br />
Punktezettel waren alle in etwa noch gleichauf.<br />
Nun aber nahte Entes große Stunde. Ich habe weiter<br />
vorne schon darauf hingewiesen, dass manche seiner Gebaren<br />
speziell waren. Es ist ferner wohl unnötig zu betonen,<br />
dass Handlungsweisen wie die folgende keineswegs<br />
allen Menschen aus dem Nassauer Ländchen eigen wären.<br />
Pieps hatte gegeben und beim Aufheben seiner Karten<br />
machte Ente schon ein recht griesgrämiges Gesicht. „Host<br />
dau dir hau Morje däj Fengern net gewosche?“, fragte er in<br />
Richtung des Gebers, der ihn aber keiner Antwort würdigte.<br />
Trotz seines vermeintlich schlechten Blattes reizte Ente<br />
aber starrköpfig mit und bekam bei 27 das Spiel. Beim<br />
Aufheben der zwei Stockkarten schien ihn ein riesiger<br />
Schreck erfasst zu haben. „Wot soll ech dä bet su Korde?“,<br />
stöhnte er, warf die beiden Karten erst noch einmal auf den<br />
Tisch, schaute wiederholt auf sein Blatt und krümmte sich<br />
ein ums andere Mal mit mutmaßlichen Bauchschmerzen<br />
auf seinem Stuhl. Dem Anschein nach schien er ein Fall<br />
für den Notarzt zu sein. „Jaja“, bemerkte Schbatz und folgerte<br />
mit offenkundiger Schadenfreude: „So geeret, wänn<br />
m`r off d`r Schdock reizt!“<br />
Entes Gejammer und Gezeter erregte<br />
förmlich Mitleid, es endete schließlich<br />
mit dem Seufzer: „Ai, äch miss en Krank<br />
schbilln.“ Ob er tatsächlich dachte, ein Grand<br />
wäre ein Krank, ist nie herausgekommen.<br />
Aber sein brillantes Schauspiel zeigte direkte<br />
Folgen. Pieps spitzte den Mund, blies aus<br />
den zuvor gefüllten Backen die ganz Luft<br />
heraus und sagte auf Hochdeutsch: „Wind.“<br />
Gemeint war „Gegenwind“ und das war in<br />
diesem Kreis ein anderes Wort für „Kontra“.<br />
Genau darauf hatte der zuvor noch bemitleidete<br />
Ente dem Anschein nach gewartet und<br />
er schrie mit voller Lautstärke: „Reeeehhh!“<br />
Inzwischen waren neben mir noch weitere<br />
Gäste, durchweg „alte Skathasen“, im Lokal<br />
eingetroffen. Allesamt sprangen wir angesichts<br />
dieses Donnerhalls unverzüglich von<br />
unseren Stühlen auf, eilten sensationslüstern<br />
an den Tisch des Trios und umlagerten diesen.<br />
„Bim Grand schbeelt m`r Ässe or m`r hält<br />
de Fresse“, verkündete Schbatz vollmundig,<br />
blickte herausfordernd rundum und drosch<br />
hoffnungsfroh das Karo-Ass auf den Tisch. Ente, nun<br />
wieder ganz und gar fidel, hatte sein Karo gedrückt und<br />
holte den Stich mit dem kleinen Buben. Dann spielte er<br />
den „Alten“ – das ist der Kreuz-Bube – und beschaffte sich<br />
damit dessen Kumpel von der Pik-Fraktion. Alle Kiebitze<br />
hatten nach einem Blick auf Entes Karten angesichts<br />
deren Qualität den Tisch schon wieder verlassen. „Ai, su<br />
schbillt m`r bet Schdudende“, prahlte der niederträchtige<br />
Schauspieler, holte mit vier Vollen etwas mehr als die zum<br />
Sieg notwendigen 61 Punkte, wobei er jede Karte mit vollem<br />
Einsatz seiner Fingerknöchel krachend auf die Tischplatte<br />
hämmerte. Dann warf er mit den Worten „D`r Räst<br />
konnt`r behaale“, die Überbleibsel seines Blattes generös<br />
auf einmal von sich. Schbatz machte ein Gesicht als hätte<br />
er einen halben Liter Essig getrunken. Aus gutem Grund!<br />
Mit nun mehr als 422 Punkten musste er die Runde Bier<br />
bestellen. Pieps hingegen war regelrecht gekränkt. Er hatte<br />
sich – leider nicht zum ersten Mal - von diesem Heuchler,<br />
diesem falschen Fuffziger überlisten lassen, in seinem Inneren<br />
kochte es mächtig.<br />
Nach den ersten Spielen der nächsten Runde hatte sich<br />
der Blutdruck bei unserem Trio wieder auf das erhöhte Normalmaß<br />
gesenkt. Doch dann begann er bei dem immer noch<br />
verbitterten Pieps erneut zu steigen. Er hielt ein solch gutes<br />
Null-Blatt in der Hand, dass er sogar die selten gespielte<br />
Variante „Revolution“ ansagen könnte. Aber er wusste etwas<br />
Besseres. „Bass ob, min lewes Entche, itz krijen ech<br />
dech“, sinnierte der Stratege, hob nach dem erfolgreichen<br />
Reizen den Stock auf, sortierte ihn gewohnt gründlich ein<br />
und drückte die Herz-Sieben und die Karo-Acht. Von Herz<br />
hielt er nun noch die Acht, die Zehn und die Dame in der<br />
Hand, von Karo die Sieben, die Zehn und die Dame und<br />
dazu die vier niedrigsten Kreuzkarten. Dann sagte er leise:<br />
„Null Ouvert“, und Schbatz kommandierte: „Botze ronner!“<br />
Als Pieps die Karten auf den Tisch gelegt hatte, war für<br />
die beiden Anderen rasch klar, dass dieser in jedem Falle<br />
einen Stich machen und damit verlieren müsse. Sie wussten<br />
ja nicht, was gedrückt wurde. Jeder der beiden Verbündeten<br />
war sich sicher, dass jeweils der andere die zum<br />
Sieg notwendigen niedrigen Karten spielen könne. Doch<br />
die lagen gedrückt und verdeckt auf dem Tisch. Ente fasste<br />
sich als Erster. „Kontra!!!“, brüllte er lauthals und Schbatz<br />
attestierte: „Wänn du dat itz net gesäd häddest, da hädde<br />
ech dat gesäd.“ Pieps seinerseits überlegte scheinbar ein<br />
Weilchen, bewegte seinen Kopf leicht schwingend hin und<br />
her und sagte dann in einem ganz ruhigen Tonfall: „Re.“<br />
Genau jetzt hatte er Ente soweit. Dieser guckte nicht nur<br />
ungläubig, sondern ganz und gar fassungslos. Schließlich<br />
schrie er mit sich überschlagender Stimme: „En nach än<br />
druff!!! Bock!!!“ Alle Gäste und diesmal sogar Wirt Fridolin<br />
fanden sich angesichts eines sich anbahnenden Spektakels<br />
eilends wieder am Tisch ein.<br />
Es scheint mir an dieser Stelle angebracht, die Skat-<br />
Laien darüber aufzuklären, dass die Pieps`sche Vorgehensweise<br />
zwar erlaubt, aber unter Skatspielern nachvollziehbar<br />
verpönt ist. Zwei niedrige Karten in den Stock zu legen<br />
und die Gegner nicht nur zu einem „Kontra“, sondern vorhersehbar<br />
zu einem Streit untereinander herauszufordern,<br />
gehört sich nicht. Es erinnert an Till Eulenspiegel, der einst<br />
die beiden Honigdiebe abwechselnd so lange an den Haaren<br />
zog, bis diese sich prügelten. Pieps freilich glaubte sich<br />
wegen der vorhergehenden Possenspielerei des Nassauers<br />
hierzu berechtigt.<br />
Wir Zuseher wussten natürlich auch, dass bei der Skat-Variante<br />
„Null Ouvert“ derjenige, der das Spiel macht, keinen<br />
einzigen Stich erobern darf. Und weil alle von ihrem jeweiligen<br />
Standort nur die auf dem Tisch liegenden Karten sowie<br />
das Blatt eines der beiden Gegenspieler erblicken konnten,<br />
waren auch wir uns ganz sicher, dass Pieps über kurz oder<br />
lang die Waffen strecken müsse. Es war mucksmäuschenstill<br />
rund um den Tisch, kein noch so leises „Kiewitt“ ertönte<br />
einstweilen aus dem Kiebitzschwarm. Die ersten Stiche wurden<br />
zügig gespielt. Ente hatte jetzt kein Herz<br />
mehr auf der Hand und Schbatz hatte seinen<br />
blanken Karo-König abgeworfen. Fragend<br />
blicken sie sich groß an. Strauß erwartete zuversichtlich,<br />
dass Ente nun die beiden Karten<br />
ziehen würde, die niedriger als die auf dem<br />
Tisch liegende Karo-Zehn waren. Bei seinem<br />
Gegenüber hingegen verhielt es sich genau<br />
umgekehrt. Er baute darauf, dass Schbatz die<br />
zum Sieg notwendigen Herzluschen in der<br />
Hand hielt. Doch die herbeigesehnten Karten<br />
kamen nicht.<br />
Nachdem sogar der Kiebitzschwarm<br />
langsam rappelig wurde, verlor schließlich<br />
Ente die Geduld. „M`r seel et net fer mechlich<br />
hale“, schimpfte er vor sich hin. Schbatz ärgerte sich<br />
deutlich lauter: „Enjo, dat söll m`r och net!“ Das Kiewittgeflöte<br />
hinter dem Trio nahm an Lautstärke zu, dem einen<br />
oder anderen dämmerte schon leicht die Pieps`sche<br />
Drücktaktik. Am Tisch hingegen fielen nun härtere Worte.<br />
„Ai, best dau da blend?“, blaffte Ente und Schbatz erwiderte<br />
ebenso scharf: „Häst du da Tomate off de Aue?“ Und nach<br />
dem nächsten Stich: „Bei wem host dau dot Kordeschbill<br />
dä geloart?“ „Im Gäjesatz zo dir fa einem dä Ahnung hadde!“<br />
„Dau Dabbes!“ „Du Nössegloos!“ „Dau Kalfakter!“<br />
„Du Dollbohrer!“ „Dau Lichtnarr!“ „Du Schnarchsack!“<br />
Die Sache begann aus dem Ruder zu laufen. Ganz so wie<br />
Pieps es sich als Heimzahlung für Entes Heuchelei vorgestellt<br />
hatte. Andererseits tat ihm Schbatz leid. Dieser war ja<br />
schuldlos an dem ganzen Heckmeck. Bevor die Fäuste flogen<br />
(was – ehrlich gesagt – bei dieser Eulenspiegelei nicht<br />
ernsthaft zu erwarten war) zeigte Pieps ein Einsehen und<br />
drehte die beiden gedrückten Karten um. Augenblicklich<br />
löste sich angesichts deren Anblicks die Spannung auf. Die<br />
Kiebitze verließen lachend den Tisch, der Ärger der beiden<br />
Verlierer, deren Köpfe nach und nach eine dunkelrote Farbe<br />
angenommen hatten, entlud sich indes in Richtung des Siegers.<br />
„So fel Ferdoarwenheit hädde ech dir net zogedrout!“,<br />
schimpfte Schbatz. Und Ente meinte: „Dot worr en richdiche<br />
Säuerei!“ Woraufhin Pieps konterte: „Grad du häddest<br />
bässer itz niks gesäd, schäm dech!“<br />
Leider hatte der beklagenswerte Schbatz durch dieses<br />
Spiel erneut mehr als 422 Zähler auf der Liste. Wirt Fridolin<br />
hatte - scharfsinnig wie er war - schon drei Gläser angezapft.<br />
Ob den beiden Freibiertrinkern indes gerade diese Runde<br />
Gerstensaft geschmeckt hat, wurde nicht hinterfragt. Weil<br />
freilich der stämmige Schbatz die genossenen Getränke viel,<br />
viel besser als seine eher schwachbrüstigen Mitspieler vertrug<br />
und daher sein Niveau in etwa halten konnte, glich sich<br />
bis zum Ende dieser Skatpartie zum Glück vieles weitgehend<br />
wieder aus. So schieden sie nicht im Unfrieden. Für<br />
uns Kiebitze war es ohnehin völlig außer Zweifel, dass man<br />
sie trotz der geschilderten Begebenheiten spätestens in einer<br />
Woche wieder am gewohnten Tisch spielen sehen würde.<br />
Text und Fotos: Ulli Weber<br />
Ihre Lebenserinnerungen festhalten<br />
... und weitergeben!<br />
Ich befrage Sie über Ihr Leben.<br />
Was aufgeschrieben wird, bestimmen Sie.<br />
Sie erhalten das Interview, das Manuskript<br />
mit Fotos oder ein fertiges Buch mit Ihren<br />
Lebenserinnerungen.<br />
Das erste Gespräch ist kostenfrei.<br />
Referenzen vorhanden.<br />
Winfried Hofmann ● 0177 250 75 70 ● lebenserinnerungen@aol.com<br />
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