Berliner Kurier 09.06.2019
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17<br />
Fünf gewinnt:<br />
Poldi Merc<br />
wird 1964 zum<br />
Mr.Universum<br />
gekürt.<br />
Eisern: Zweimal die Woche, jeweils<br />
dreieinhalb Stunden, trainierterim<br />
Fitnessraum in seiner Wohnung.<br />
Fotos: Roland Owsnitzki (2), Muscle Fitness/Leopold Merc<br />
werden. Aber auch dieser<br />
Weg erscheint ihm zu ungewiss,<br />
also fängt er erneut etwas<br />
anderes an –und studiert<br />
Gesang.<br />
Bis, ja bis die amerikanischen<br />
Soldaten ihn mit dem<br />
Kraftsport vertraut machen.<br />
In den Vereinigten Staaten<br />
wurde Bodybuilding sehr viel<br />
früher populär als in Europa.<br />
Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
gab es Wettbewerbe.<br />
„Die Amerikaner haben uns<br />
sehr schnell sehr viel beigebracht“,<br />
erzählt Merc. „Erst<br />
haben sie mir Übungen gezeigt,<br />
und kurz darauf war ich<br />
schon selbst Lehrmeister für<br />
meine anderen amerikanischen<br />
Freunde.“ Magazine<br />
wie Mister America und Muscle<br />
Builder hätten sie verschlungen.<br />
Auch mit 100<br />
will er sich<br />
noch vorzeigen<br />
können.<br />
Zu dieser Zeit beschließt<br />
Mercs Freund Gino Giuliani,<br />
nach Berlin zu gehen –erfolgt<br />
ihm wenig später. Das Studio,<br />
das sie aufbauen, ist erst das<br />
zweite in Deutschland. Wenige<br />
Monate zuvor hatte der österreichisch-amerikanische<br />
Kraftsportler Harry Gelbfarb<br />
in Schweinfurt das erste eröffnet.<br />
ImJahr 1961 zieht Merc mit<br />
dem Studio noch einmal um,<br />
in die Grolmannstraße. Die<br />
Bedingungen waren damals<br />
noch völlig andere. „Heute<br />
hat man für jeden Muskel<br />
mehrere Geräte“, sagt er, „das<br />
gab es seinerzeit noch nicht.“<br />
Zunächst waren auch fast nur<br />
Männer bei ihm, aber schon<br />
Mitte der 60er-Jahre seien bei<br />
ihm genauso viele Frauen wie<br />
Männer gekommen.<br />
Bei dem Ansatz, den er verfolgte,<br />
verwundert das kaum.<br />
Mit seinem Fitnessprogramm<br />
stand er nicht für Körperkult,<br />
eher schon für Körperkultur.<br />
Gesundheitsbewusstsein, natürliche<br />
Muskelbildung,<br />
Ganzheitlichkeit. „Wir müssen<br />
hineinhören in unsere Natur,<br />
weil wir ein Teil der Natur<br />
sind“, sagt er. „Dann<br />
kommt man im Training auch<br />
zu vernünftigen Ergebnissen.“<br />
Es überrascht nicht, dass der<br />
Schweizer Fitnesspionier<br />
Werner Kieser sich ebenfalls<br />
mit Merc austauschte, bevor<br />
er in den 70er-Jahren eine eigene<br />
Marke, das „Kieser Training“,<br />
aufbaute. Denn auch<br />
bei Kieser geht es eher um Alte-Schule-Kraftsport<br />
als um<br />
Lifestyle.<br />
Am Bodybuilding von heute<br />
stört Merc vor allem der<br />
Hang, es zu übertreiben:<br />
„Wenn man sich in den Studios<br />
umschaut, dann ist der<br />
Bizeps manchmal größer als<br />
der Kopf. Schon ästhetisch<br />
entspricht das nicht den Ansprüchen,<br />
die ich ans Muskeltraining<br />
habe.“<br />
Bis 1993 betreibt Merc sein<br />
Studio, danach bleibt er Sportlehrer<br />
und bietet er Seniorinnen<br />
und Senioren privat Fitnesstraining<br />
an.<br />
Heute geht er zweimal wöchentlich<br />
je dreieinhalb Stunden<br />
in den Fitnessraum in der<br />
eigenen Wohnung, in der er<br />
mit seiner Lebensgefährtin<br />
lebt. „Ich mache Dehn-,<br />
Streck- und Beugeübungen,<br />
damit mein Körper für weitere<br />
Belastungen gerüstet ist. Das<br />
muss schon sein.“ Auch Gesichtsmuskelgymnastik<br />
stehe<br />
auf der Agenda, „weil das Gesicht<br />
ja am schnellsten altert.<br />
Und wir wollen uns ja auch mit<br />
100 noch vorzeigen können.“<br />
Die Voraussetzungen dafür,<br />
dass er lange lebt, hat er selbst<br />
geschaffen: Er hat noch nie<br />
Alkohol getrunken und geraucht,<br />
nimmt kein Koffein,<br />
keinen Zucker zu sich. Stattdessen<br />
schlürft er bestens gelaunt<br />
den Früchtetee. Ein Athlet<br />
auf Lebenszeit.<br />
Jens Uthoff