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Stadt & Utopie<br />
Stadt & Utopie<br />
Eine Utopie ist – so der allgemeine Sprachgebrauch – der Entwurf einer fiktiven<br />
Gesellschaftsordnung, die nicht an zeitgenössische historisch-kulturelle Rahmenbedingungen<br />
gebunden ist. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird davon ausgegangen,<br />
dass die Utopie eine zwar schöne, aber unausführbare Zukunftsvision ist. Ist<br />
also der Kompromiss der Weg zur Utopie?<br />
Text: Peter Reischer<br />
Politische Utopien, wie sie erstmals in Platons Politeia<br />
in Form der Idee eines ständisch-hierarchisch<br />
geordneten Idealstaats entworfen wurde, sind fiktive,<br />
jedoch in sich nachvollziehbare Alternativen. Bei<br />
Thomas Morus liegt Utopia nicht in der Zukunft, sondern<br />
in einer fernen Weltgegend, Robert Jungk verstand<br />
Utopien als Antrieb für soziale Erfindungen in<br />
einer wünschenswerten Zukunft. Ernst Bloch bezog<br />
die Utopie auf das „Denken nach vorn“ und dieser<br />
Wunsch nach dem „Besseren“ ist in der Menschheit<br />
tief verankert. Wenn man allerdings den Ursprung des<br />
Wortes betrachtet (altgriechisch outópos, der Nichtort<br />
oder Unort), so ist man sehr schnell beim Bauen,<br />
bei der Architektur und auch beim Städtebau angelangt.<br />
Ein kleiner Buchstabe vor dem Wort macht übrigens<br />
die Utopie zur Eutopie, dem „guten Ort“.<br />
Zu dem Themenbereich Stadt und Zukunft, auch<br />
Stadt und Utopie, ist eine der wichtigsten und auch<br />
interessantesten Veranstaltungen die „Urban Future<br />
Global Conference“. Zweimal fand sie bereits in Graz<br />
statt, 2018 in Wien und heuer wurde sie in Oslo abgehalten.<br />
Schwerpunkte waren in den letzten Jahren<br />
und natürlich heuer verstärkt der Klimawandel, seine<br />
Auswirkungen auf die Städte, die Verringerung des<br />
CO 2 Ausstoßes, Mobilität der Zukunft, Sharing-Konzepte,<br />
Steuerungsmodelle für die Stadt der Zukunft<br />
und Kollaborationen auf allen Ebenen. Dass in nicht<br />
allzu ferner Zukunft mehr als 75% der Menschheit<br />
in urbanen Gebieten leben werden, wird ja von den<br />
Medien und Forschern weltweit vorausgesagt. Man<br />
wird zwar sehen, wie weit diese Prognosen zutreffen,<br />
denn wenn man die Chaostheorie betrachtet, sind die<br />
Systeme, welche die Kriterien für derartige Prognosen<br />
liefern, derart komplex und auch sensibel, dass<br />
schon ein einziger Ausfall zum Zusammenbrechen<br />
der ganzen Theorie führen kann.<br />
Stadt und Urbanität stellen jedenfalls große Herausforderungen<br />
an unsere Architektur. Wir müssen versuchen,<br />
uns in jeder Hinsicht an die veränderten Rahmenbedingungen<br />
für das Bauen anzupassen – der<br />
Weg, der Gedanke und der Versuch, die Umwelt an<br />
uns anzupassen, ist sicherlich falsch und wird in einer<br />
Katastrophe enden. Stadt bedeutet nicht nur Neubau,<br />
Wachsen in horizontaler Richtung, sondern auch<br />
Umbau und Rekonstruktion, vertikale Verdichtung<br />
und Politik. Am Beispiel von Wien kann man Entwicklungen,<br />
in sowohl falsche wie auch richtige Richtungen,<br />
ablesen. Das zur Verfügung stellen von Bauland<br />
im Umfeld der Stadt, im sogenannten Speckgürtel ist<br />
falsch, wenn dabei nur Einfamilienhäuser entstehen.<br />
Verdichteter Wohnbau, der infrastrukturelle Kosten<br />
minimiert ist tolerierbar, nur wie lange noch? Reuse,<br />
urban mining, grüne Architektur – wie auch immer<br />
diese Schlagworte alle lauten – sind die Wege der<br />
Zukunft, wenn auch noch großteils Utopien.<br />
Die Stadt hat – aufgrund des demografischen Wandels<br />
– bei servicierten und kleinteiligen Wohnmodellen<br />
noch Aufholbedarf. Auch sollte dringend die<br />
Stellplatzverpflichtung (ein Überbleibsel aus der Zeit<br />
nach dem 2. Weltkrieg) überdacht und abgeschafft<br />
werden. Die in Wien bereits geführte Diskussion, inwieweit<br />
ein Bürgermeister für die Entwicklung einer<br />
Stadt notwendig ist, birgt (politischen) Zündstoff:<br />
Betrachtet man die Menschen einer Stadt mit ihren<br />
jeweiligen Potenzialen als ausschlaggebend für die<br />
Entwicklung, beschränkt sich nämlich die Rolle des<br />
Bürgermeisters auf die Rolle des Dirigierens. Er hätte<br />
dann nur noch die Bereiche Smart Government City,<br />
Creative City, Human City, Knowledge City, Nature<br />
City und Health City zu orchestrieren. An diesen Beispielen<br />
sieht man, dass sich Wien als Stadt bewegt<br />
– ständig, Diskussionen über Architektur, Politik und<br />
Klimawandel finden mittlerweile fast täglich statt.<br />
Die architektonische Entwicklung Wiens ist momentan<br />
von den neuen Stadtvierteln, die auf den ehemaligen<br />
Bahnhofsgeländen und in den Grüngürteln rund<br />
um Wien aus der Erde gestampft werden, dominiert.<br />
Inwieweit diese Entwicklung zu begrüßen ist, wird die<br />
Zukunft weisen. Der Spagat, den Architekten bei diesen<br />
Bauprojekten ausführen müssen, um die Schere<br />
zwischen Effektivität, Budget, lebenswertem Raum<br />
und Kreativität möglichst klein zu halten, ist allerorts<br />
sichtbar. Diese, für eine sinnvolle Architektur hinderlichen<br />
Kriterien und Rahmenbedingungen, diskreditieren<br />
leider viele der Projekte.<br />
Aber abseits dieser Großprojekte gibt es genügend<br />
sensible, kleinere, sich auch im Blockmaßstab bewegende<br />
Bauten und vor allem Sanierungen. Ein Beispiel<br />
ist das Projekt Neubaugürtel - Goldschlagstraße<br />
von den p.good Architekten.