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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 8 · F reitag, 10. Januar 2020 13<br />
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Berlin<br />
Die Schwimmhalle in Buch hat nach der Sanierung ein neues Farbkonzept. 6,5 Millionen Euro hat der Umbau gekostet –veranschlagt waren 5,9 Millionen.<br />
GERD ENGELSMANN<br />
Zurück ins Becken<br />
Die ehemalige DDR-Volksschwimmhalle vom TypBerlin 83 in Buch ist saniert. Und damit setzt der 98-jährige Alfred Heil seine Schwimmkarriere fort<br />
VonStefanie Hildebrandt<br />
Wir werden uns wohl<br />
nicht wieder sehen,<br />
machen sie es gut.“ Vor<br />
fast zwei Jahren<br />
drückte Alfred Heil seinem Bademeister<br />
in der Schwimmhalle in Buch<br />
die Hand und verabschiedete sich.<br />
Damals war er,der einmal in der Woche<br />
zum Schwimmen kam, gerade 97<br />
Jahre alt geworden. Die alte DDR-<br />
Volksschwimmhalle vom Typ Berlin<br />
83 sollte saniertund für zwei Jahregeschlossen<br />
werden.<br />
Und weil man in Berlin nicht sicher<br />
sein kann, dass Bauvorhaben im<br />
anvisierten Zeitrahmen beendet werden,<br />
und man im hohem Alter kaum<br />
Termine für das nächste Jahrzehnt<br />
macht, ist es eine kleine Sensation,<br />
dass Alfred Heil nun als einer der ersten<br />
Gäste seine frisch renovierte<br />
Schwimmhalle in Augenschein<br />
nahm.<br />
Eine Kapelle spielt, Journalisten<br />
sind gekommen, Aleksander Dzembritzki,<br />
Staatssekretär für Sport, der<br />
Pankower Bezirksrat für Sport, Torsten<br />
Kühne und einige Vorstände der<br />
<strong>Berliner</strong> Bäderbetriebe halten am Beckenrand<br />
Reden. Herr Heil versteht<br />
keinWort.<br />
„Im Grunde genommen bestehe<br />
ich vonKopf bis zu Fußaus Ersatzteilen“,<br />
sagt er lächelnd und deutet auf<br />
sein Hörgerät. In der neuen, wirklich<br />
sehr schönen Halle hallen die Grußworte<br />
schwer verständlich durch die<br />
Lautsprecher.„Im Zeitrahmen geblieben,<br />
Kosten 6,5 Millionen Euro,energetisch<br />
topsaniert, tolles Farbkonzept“,<br />
Wortfetzen wehen über Chlorwasser,esist<br />
mollig warmamBecken.<br />
Drüben sind die Kitakinder, die<br />
gleich das Kinderbecken im Wintergarten<br />
einweihen sollen, schon ganz<br />
zappelig. Als einige Bademeister mit<br />
Kopfsprung und Tusch ins neue Becken<br />
hechten und eine kleine Staffel<br />
schwimmen, applaudieren die Gäste<br />
und Alfred Heil wird unruhig. „Wo<br />
finde ich denn die Öffnungszeiten“,<br />
fragt er. Am liebsten schwimmt er<br />
mittags, daist es nicht so voll. Jetzt<br />
gleich eine Bahn ziehen? Nein, nein.<br />
Dazu ist noch Zeit, wenn der Trubel<br />
sich gelegt hat. WerzweiJahregewartet<br />
hat, der hat es jetzt nicht eilig.<br />
Alfred Heil ist ein wacher Mann. Er<br />
trägt ein Hemd und einen gestrickten<br />
Pullunder.„Wasich noch selber machen<br />
kann, mache ich“, sagt er. Nur<br />
beim Überziehen der blauen Schuhschoner,mit<br />
denen der Tross der Geladenen<br />
nun zur Besichtigung in<br />
Richtung Sauna schlurft, lässt er sich<br />
zu Hand gehen. Bloß nicht stürzen,<br />
jetzt wo das Bad fertig ist und Heil<br />
endlich wieder in der Nähe seiner<br />
Wohnung in Karow schwimmen gehen<br />
kann. „ImWasser fühle ich mich<br />
sicherer als an Land“, sagt er.<br />
Alfred Heil ist in seinem ganzen<br />
Leben immer wieder auf unterschiedlichste<br />
Weise mit Sport inVerbindung<br />
gekommen. Seine ersten<br />
Schwimmzüge absolvierte er in der<br />
Elbe bei Dresden. Sein Vater, ein<br />
sportbegeisterter Bankangestellter<br />
lotste den Sohn durchsWasser.„Seine<br />
größten Sehnsüchte waren, dass ich<br />
Geige spielen lerne und schwimme“,<br />
erinnert sich Alfred Heil. Das mit der<br />
Geige ging unter, doch im Wasser<br />
hatte Alfred den Dreh bald raus.Mit 8<br />
oder 9Jahren durchmisst er das erste<br />
Mal den großen Elbfluss und von da<br />
an gibt es kein Halten mehr.Die Jungens<br />
entern die Beiboote der Elbdampfer,<br />
lassen sich unter dem Geschimpfe<br />
der Kapitäne ein Stück<br />
flussauf ziehen, um dann retour mit<br />
der Strömung zu fliegen. Auch die<br />
Holzflöße, die aus der Tschechei<br />
„Im Wasser fühle ich mich<br />
sicherer als an Land.“<br />
Alfred Heil, 98 Jahre alt und leidenschaftlicher Schwimmer<br />
kommen, sind nicht sicher vor den<br />
Elbpiraten. Deren Steuermänner lassen<br />
die halbstarken Passagiere meist<br />
gewähren. Als Alfred Heil 19 Jahre alt<br />
ist, holt ihn der Krieg. Er hat Glück,<br />
wirdauf Kreta bei der Küstenartillerie<br />
eingesetzt. Als er 1946 in ein zerstörtes<br />
Dresden heimkehrt, gibt es nicht<br />
mehr so viele 26-jährige Männer in<br />
der Stadt. Viele seiner Altersgenossen<br />
waren im Krieg gefallen. Alfred Heil<br />
hat ein Händchen für die Kinder in<br />
der Jugendarbeit beim antifaschistischen<br />
Jugendausschuss in Dresden,<br />
einemVorläufer der späteren Jugendorganisation<br />
der DDR, der FDJ. Heil<br />
wirddortSekretär für Kultur und Bildung,<br />
kommt 1948 zum Landessportausschuss<br />
Sachsen.<br />
Nach einem Studium an der Parteihochschule<br />
in Berlin leitete er von<br />
1952 bis 1954 die Abteilung Agitation<br />
und Propaganda im Staatlichen Komitee<br />
für Körperkultur und Sport.<br />
Von1954 bis 1959 führte er die Zeitschrift<br />
Deutsches Sportecho.Ab1959<br />
gehörte er als Mitglied dem Nationalen<br />
Olympischen Komitee der DDR<br />
an. Er ist der einzige, der noch lebt<br />
von den Männern, die in den 60er-<br />
Jahren die Teilnahme einer gemeinsamen<br />
Mannschaft von BRD und<br />
DDR an den Olympischen Spielen<br />
aushandelten. 1960 in Rom, 1964 in<br />
Tokio und 1968 in Mexiko traten die<br />
besten Sportler beider deutscher<br />
Staaten nach Ausscheidungswettkämpfen<br />
unter schwarz-rot-goldener<br />
Flagge mit den olympischen Ringen<br />
auf. Bei Siegerehrungen wurde Beethovens<br />
Neunte statt der Nationalhymnen<br />
gespielt.<br />
Heil erinnert sich: Im Westen verhandelte<br />
die ehemalige Nazi-Größe<br />
Karl Ritter von Halt. Die Gespräche<br />
zur Bildung einer gesamtdeutschen<br />
Mannschaft für die Olympischen<br />
Spiele 1952 führte der so, dass sie ergebnislos<br />
verlaufen mussten. Athleten<br />
der DDR nahmen nicht teil. Erst<br />
1956 waren DDR-Sportler erstmals<br />
wieder olympisch. Doch wenig später<br />
verschärfte der Bau der <strong>Berliner</strong><br />
Mauer die Situation. Nach den Olympischen<br />
Spielen 1964 war die Bildung<br />
einer gemeinsamen Mannschaft<br />
nicht mehr im Sinne der Westdeutschen<br />
– die DDR-Sportler waren<br />
schlicht besser als ihre Konkurrenz<br />
aus der BRD. Der Kompromiss hielt<br />
dennoch bis 1968. Man trat zwar<br />
schon mit getrennten Teams, aber<br />
noch mit gleicher Olympiaflagge und<br />
Beethoven-Hymne an. Erst 1972 waren<br />
beide Mannschaften auch symbolisch<br />
getrennt.<br />
„Wissen Sie übrigens, warum die<br />
DDR Volkssporthallen alle nur 25-<br />
Meter-Bahnen haben?“, fragt Alfred<br />
Heil unvermittelt. „ImSportbund gab<br />
es Diskussionen darüber. 50 Meter<br />
oder 25 Meter. Ich war immer für die<br />
kürzere Distanz, denn die langen<br />
Bahnen wären doch sofortvom Leistungssportbelegt<br />
worden. Wirhaben<br />
die Volkssporthallen für ganz normale<br />
Menschen geplant.“<br />
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†09.12.2019<br />
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