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ZETT No. 3

900 Jahre Stadtjubiläum Freiburg Kulturförderung. Wer bekommt was? Angst in der Kunst ...

900 Jahre Stadtjubiläum Freiburg
Kulturförderung. Wer bekommt was?
Angst in der Kunst
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Oder aber, erwidert sie leichthin, sehr zukunftsorientierte

Selektion, ökonomisch und ökologisch einwandfrei. Ich blicke

auf meine Schulter, sehe ihre kleinen geflochtenen Zöpfe unschuldig

im Takt meines Ganges wippen, aber ihren Rucksack

verdächtig fest festhaltend. Lucy, du bist Greta Thunberg in bös,

sage ich. Lucy grinst. Danke, sagt sie. Ich blicke wieder auf die

Straße. Ein Mann mit Hund kommt uns entgegen. Der Hund

zerrt an der Leine, bleibt stehen und drückt schließlich neben

den nächsten Baum zwischen frischen Röschen und vereinzelten

ungehörigen Brennesseln sein Hinterteil an die Erde.

Lucy rümpft angewidert ihre Spinnennase. Eine Frau schießt

aus dem angrenzenden Hauseingang und zetert: Muss das

sein? Ihr Hund scheißt in meine Baumscheibe. Der Hund arbeitet

schwer. Es macht noch einmal Plöpp. Dann ist er fertig.

Die Frau zetert weiter. Das ist ein Ort für Bienen, nicht für Ihren

Köter. Wie ein Messer zückt sie ein Prospekt hervor und wedelt

damit durch die Luft. Freiburg blüht auf. Kann man dort

lesen. Seien Sie einer von 900 Baumpaten zur 900Jahrfeier

und unterstützen Sie die Artenvielfalt am Straßenrand. Der

Mann bückt sich und entfernt ungerührt mit einem Plastikbeutel

den stattlichen Haufen. Die Frau wedelt nun in Richtung

Baumscheibe. So ist das immer, die einen geben sich Mühe, die

anderen zerstören.

Der Mann erhebt sich wieder, blickt in die zarte Baumkrone

und erwidert: Ihre frommen Blümchen nehmen dem schmalen

Baum hier einfach nur den Saft. Nichts sonst. Baumscheiben

sind blanker Unsinn. Das geht ein Jahr gut. Mehr nicht. Von

wegen Unsinn. Greta wäre stolz auf mich. Der Mann bückt

sich noch einmal, bricht ein Röschen, reicht es stumm der Frau

und läuft weiter. Der Hund hinterher. Erleichtert. Jawohl, das

wäre sie, stößt die Frau noch einmal hervor. Dann starrt sie das

Röschen in ihrer Hand an. Wir laufen auch. Lucy ist still. Kein

Kommentar? Lucy schüttelt mit dem Kopf. Lächelt jedoch ein

wenig abwesend.

Wir biegen in den Sternwald ein. Mein Herz klopft bedenklich.

Ob Lucy das hört? Ich kann Uwe schon sehen. Oh Uwe. So stattlich.

Seufze innerlich. Hier, sage ich, und bleibe stehen. Wir sind

da. Guten Tag, Uwe. Ich berühre Uwe leicht an der Rinde. Mehr

geht heute nicht. Auch Uwe knarzt nur verhalten. Ich habe eine

Freundin ... meine... unterbricht mich Lucy... also heute habe ich

meine Freundin mitgebracht. Sie heißt Lucy. Hallo Uwe, höre ich

Lucy spitz, doch gut vernehmlich sagen. Uwes Zweige rauschen

zur Antwort. Lucy nimmt dies zufrieden zur Kenntnis.

Dann klettert sie von meiner Schulter bis auf den Erdboden.

Ich sehe wie sie ihren Rucksack öffnet, ihm etwas entnimmt,

wie sie etwas im Erboden rund um Uwe vergräbt und dann

zufrieden wieder an mir hochkrabbelt. Waren das Männchen?

Flüstere ich argwöhnisch. Du weißt, Uwe mag keine Proteine.

Lucy sagt wieder nichts, guckt nur triumphierend in das Antlitz

von Uwe. Dann dämmert es mir. SAMEN??? Lucy du bist wirklich

böse. Lucy lächelt noch breiter. Wir müssen jetzt leider weiter,

Wasauchimmer wartet. Wir beide. Sie schaut missbilligend auf

Uwes strammen Stamm. Dann auf ihre acht langen Beine und

schiebt ihre Mütze zurecht. Also, byebye. Uwe krümmt ein wenig

seine Wurzeln. Aber sein Blick ist zuversichtlich: Ich schaff

das. Wieauchimmer.

Tyrann im Tann

von Arne Bicker

Der mit dem Hirsch ist wieder

da: Nach dem Erfolg von

„Schwarzwälder Hirschwasser“

hat der Cartoonist Klaus

Karlitzky einen Humorschinken

nachgelegt, der ordentlich

Mundwinkelzunder in sich birgt.

In seinen „Schwarzwald-Cartoons“

geht

der in Freiamt

lebende

Künstler

mal derbe, mal zartfühlend und gelegentlich

auch mit rabiatrabenschwarzem Humor zu

Werke. Die Briten haben ja gar keine Ahnung.

Nichts, aber auch wirklich gar nichts ist

vor Klaus Karlitzky und seiner spitzen Feder

sicher. Die beliebteste Ferienregion Deutschlands

erlebt unter seinem sezierenden Blick

ihr grünes Wunder. Da wird Karlitzky als studierter

Kunsthistoriker zum Brunfthysteriker

in jenem Walde, in den er hineinruft und aus

dem ihm das Lachen zurückschallt.

Oder ist es doch nur der Hirsch, der hustend

röhrt oder röhrend hustet oder maulfaul den

Specht befeuert? Und was hat es zu bedeuten,

wenn in Sachen Weihnachtsschmuck

der menschliche Faktor zum Tragen kommt

- hängt da etwa ein Tyrann am Tann, frei nach

50 zett. November 2019

144 Seiten, über 100 Abbildungen,

Silberburg-Verlag, 14,99 Euro.

der Gewissheit, man muss sich ja nicht immer die Kugel geben?

Der Schwarzwald ist jedenfalls bei Klaus Karlitzky eine höchst

emotions- und auch sonstwie geladene Gegend, in der das

menschliche, tierische und pflanzliche Leben stets in einem

freudvollen Scheitern begriffen scheint und die Bewohner

auf einer nie endenden Suche nach Sinn und Verstand sind.

Es bleiben vor allem Fragen übrig, die wie Steinpilzpulver aus

den „Schwarzwald-Cartoons“ herausrieseln.

Ist das „Hier und Jetzt“ womöglich nur ein

Mythos? Verwandelt der Schwarzwald in einem

Prozess natürlicher Gärung Klimawandel,

Wirtschaftskrisen und gesellschaftspolitische

Veränderungen in ländliche Legenden,

die sich im Unterholz verstecken, um den

Fortschritt zu erschrecken? Überhaupt, warum

nennt man das Fortschreiten hier noch

„Wandern“? Und was hat die Freiburger Mülltrennung

mit Altglashütten zu tun oder Hunde

mit Stöckchen mit dem Belchen?

Fest steht, der Tann ist allein aus Gründen

der Tradition ein finstrer und bedarf der Erhellung

durch einen wachen Geist. Karlitzky

liefert.

Klaus Karlitzkys Cartoons sind in einer Ausstellung

vom 22. November bis 22. Dezember

2019 in der Alten Wache am Freiburger

Münsterplatz zu sehen.

www.kk-cartoon.de

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