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ZETT No. 3

900 Jahre Stadtjubiläum Freiburg Kulturförderung. Wer bekommt was? Angst in der Kunst ...

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Satire

Scyscraper VII

Kunst nach oben

von Tom Teuffel

Emporstrebend: Skulptur „Scyscraper VII“ von Erwin Otzepowski.

„Skyscraper VII“ heißt diese Skulptur des Freiburger Künstlers

Erwin Otzepowski. Sein und Vergänglichkeit scheinen sich

in diesem Werk des Essentialismus widerzuspiegeln, doch für

Otzepowski steckt mehr in dieser Arbeit. Sehr viel mehr. „Es

ging mir darum, die Frage, wann kratzt etwas am Himmel, zu

beantworten. Also: Wo fängt der Himmel an? Einen Millimeter,

einen Meter oder einen Kilometer über der Erdoberfläche?“

Erwin Otzepowski wirft Fragen auf, beziehungsweise: er

häuft sie auf, könnte man auch sagen. Vier nur grob behauene

oder angesägte Steine, darauf eine halbvolle (oder halbleere?)

Minderalwasserflasche wie ein Richtungspfeil – alles zeigt,

Foto: Arne Bicker

strebt, drängt, weist förmlich nach oben. Die deutsche Begrifflichkeit

des Wolkenkratzers sei völlig falsch übersetzt, erläutert

Otzepowski. Es gehe dem Wortschöpfer um den Himmel und

um diesen allein. Und ob der Betrachter schon von selbst auf

die Idee gekommen sei, dass die halbvolle Mineralwasserflasche

eine natürliche Wasserwaage sei?

„Das Verb ‚scrape‘ bedeutet aber auch sparen oder abheben“,

führt der Künstler weiter aus. Das habe ihn dazu inspiriert, nur

wenige, einfache Materialien und diese sparsam einzusetzen.

Nur dem dritten Stein habe er ein simples Relief hinzugefügt,

dass grob der Erdoberfläche nachempfunden sei. Wichtig sei es,

hier weiße Steine zu sehen und nicht etwa Ziegel. Schließlich

wohne dem Material an sich eine Unschuld inne, die ihm erst

durch den Menschen selbst genommen werde.

Die vier Steine untereinander und die Mineralwasserflasche

als himmelweisenden Abschluss nicht fest miteinander zu verbinden,

sei ihm als Künstler „schon schwergefallen“, aber die

„Filigranheit des Konstrukts“, die geradezu „lauernde Vergänglichkeit“

und „Einstürzbarkeit“ der Skulptur als Synonym allen

menschlichen Trachtens und fortwährenden "Aufstreben-Wollens"

sei das zentrale Element schlechthin.

Auf Nachfrage von ZETT., warum das Werk „Skysraper Seven“

heiße, welche Bedeutung der „Sieben“ in der Titelgebung zukomme,

verriet uns Erwin Otzepowski: „Das hat eine zweifache

Bedeutung. Zum einen war ich sieben Jahre alt, als mir erstmals

die Idee, oder sagen wir der Gedanke an diese Skulptur kam. In

dem Alter sind die Gedanken noch maximal frei, unbelastet,

und zum Glück habe ich mich eines Tages erinnert und mich

dann gleich an die Arbeit gemacht.“

Und der zweite Sinn? Otzepowski denkt kurz nach: „Die Sieben

ist eine Primzahl und ungerade, wie der Scyscraper VII. Und

in der chinesischen Kamigraphi holt die Göttin Xiwangmu sieben

Pfirsiche aus ihrem Feengarten, um sie mit dem Kaiser zu

verspeisen.“ Und dann lacht Otzepowski plötzlich auf und sagt,

er habe nur „ein Spässle“ gemacht. „Tatsächlich ist es natürlich

viel ernster: Die Religion schreibt uns vor, am siebten Tage

zu ruhen. Ich habe die Skulptur aber ganz bewusst an einem

siebten Tag fertiggestellt, um ein Zeichen für die Freiheit zu

setzen und zu zeigen, dass ich mir nicht und von niemandem

vorschreiben lasse, wann ich meine Skulpturen erschaffe.“

Wow, das ist ein Statement! Der „Scysraper VII“ als eine Art

symbolische Freiheitsstatue, nein, eher ein Freiheitsstatut! Mitten

in Freiburg geht es also ums Große und Ganze, ums Aufstreben

und Freisein, um Vergänglichkeit und permanente

Widersinnlichkeit. Eine großartige Arbeit.

zett. November 2019

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