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ZETT No. 3

900 Jahre Stadtjubiläum Freiburg Kulturförderung. Wer bekommt was? Angst in der Kunst ...

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Kulturförderung. Wer bekommt was?
Angst in der Kunst
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Musik

Igor Kamenz (54) liebt Spaziergänge – auch mit

seiner Notentasche.

profan, man muss sie persönlich erlebt

haben.“

Bis heute hat Kamenz in 41 Ländern

Klavierkonzerte gegeben. Die Reaktion

des Publikums war oft überschwänglich,

wie 1994 bei einem Konzert in Bologna,

wo gleich sechs Zugaben gefordert wurden.

Der Erfolg eines Konzertpianisten

hängt aber nicht allein vom Publikum ab,

sondern auch vom Konzertveranstalter

und vom Orchesterdirigenten. Dies war

nicht immer einfach für Igor Kamenz, der

schon als ganz junger Mensch seine eigenen

musikalischen Vorstellungen hatte.

Dennoch hat er viel mit Orchestern und

auch Kammermusik gespielt und an dem

Zusammenwirken mit anderen besondere

Freude.

Dies umso mehr, als die täglichen

Übungsstunden am Klavier eine einsame

Angelegenheit sind. Igor Kamenz übt bis

zu zehn Stunden am Tag und vor Konzerten

auch mal mehr, wie er sagt. Gewiss

war ihm ein großes Talent mitgegeben,

doch man wird, so Kamenz, „durch Talent

allein kein guter Musiker. Dazu gehören

Disziplin und harte Arbeit.“ Und Disziplin

und harte Arbeit haben sein Leben seit

frühester Kindheit geprägt und Spuren

hinterlassen.

Igor Kamenz kann hart sein gegen sich

selbst, gleichgültig, ob es ums Üben oder

ums Genießen geht. Bis heute hat er nach

eigener Angabe nie einen Tropfen Alkohol

getrunken oder eine Zigarette geraucht.

2001 fasste er den Entschluss, kein Fleisch

mehr zu essen und ist seitdem Vegetarier.

Auch den zuvor erheblichen Kaffeekonsum,

den er rückblickend als „Sucht“

bezeichnet, hat er im harten Ringen mit

sich selbst aufgegeben und 1990 seinen

letzten Kaffee getrunken.

Die Nebeninteressen seiner Altersgenossen

hat er nie geteilt; er war immer

ein Sonderling im eigentlichen Wortsinn.

Seine Bezugspersonen in der Kindheit

waren in erster Linie die Lehrer und

Eltern, insbesondere seine Mutter, die

in seinem Leben die größte Bedeutung

hatte und deren Tod im Jahre 1999 er nur

schwer verschmerzt hat. Eine Hilfe ist ihm

sein kleiner Freundeskreis, der über Musikschaffende

hinausgeht.

Neben der Musik gilt sein Interesse

vornehmlich der Geschichte, insbesondere

der russischen und europäischen

Geschichte des 20. Jahrhunderts. Selbstverständlich

ist er auch in der Musikgeschichte

bewandert und hat ein phänomenales

Zahlengedächtnis, so dass er

Ereignisse nicht nur einem spezifischen

Jahr, sondern einem Tag und oftmals einer

Stunde zuordnen kann. Er liebt alte

Filme – von Hollywood-Produktionen

der 30er und 40er Jahre bis hin zu James

Bond –, das Ballett und den Eiskunstlauf

und ganz besonders auch Eisenbahnen.

Dieses Interesse rührt aus der frühen

Kindheit, als in Chabarovsk die eintreffenden

und abfahrenden Züge das einzige

waren, das die abgeschiedene Provinz mit

der großen Welt verband. Immer wieder

ging Igor Kamenz damals mit seinem

Vater zum Bahnhof und schaute den Zügen

hinterher, die in unbekannte Welten

fuhren. Seine Kenntnisse der Eisenbahngeschichte

sind frappant, und wer

sich für die Spurbreite der chinesischen

Eisenbahn im letzten Jahrzehnt des 19.

Jahrhunderts interessiert, findet in Igor

Kamenz einen unschlagbaren Experten.

Foto: Arne Bicker

Selbst in historischen Zügen legendäre

Strecken kennenzulernen, bereitet Igor

Kamenz große Freude, sein Erkundungsdrang

ist auch hier enorm.

Bei seinen Konzertreisen kamen solche

Hobbies oft zu kurz. Wenig Zeit blieb auf

den Reisen von einem Ort zum anderen,

zwischen den Proben und den Konzerten.

Jeder Konzertsaal, jedes Instrument ist

anders, und die Art und Weise, wie ein

Stück gespielt wird, muss den akustischen

Bedingungen angepasst werden.

In diesen Punkten ist Igor Kamenz ein

Perfektionist, der nichts dem Zufall überlassen

will.

Die Zeit zum Proben, die im Konzertsaal

bleibt, um sich auf das Konzert einzustimmen,

ist ihm fast immer zu knapp

bemessen und er nutzt sie aus bis zur

letzten Minute. Neben den Konzerten

hat Igor Kamenz in verschiedenen Ländern

auch Meisterkurse abgehalten. Für

Rundfunkanstalten hat er viele Stücke

eingespielt. Von seinen Aufnahmen ist

nur eine kleine Auswahl auf insgesamt

acht CDs erschienen.

Nach seiner Zeit in Hamburg lebte

Igor Kamenz zwischen 2002 und 2007 in

Berlin und siedelte dann nach Freiburg

über. Dort ist es ihm im Sommer viel

zu warm – Igor Kamenz liebt moderate

Temperaturen und hat schon deshalb ein

Faible für nordische Länder wie Schweden,

Norwegen oder Island – doch er fühlt

sich hier trotzdem wohl, da Freiburg, so

Kamenz, „die Ruhe einer Kleinstadt mit

den kulturellen Angeboten einer Großstadt

verbindet“.

Seit 2014 wohnt Kamenz in einem Freiburger

Vorort. Von seiner Wohnung hat

er es nicht weit bis zu seinem Studio; es

ist nur ein kurzer Spaziergang den Schönberg

hinauf mit einem herrlichen Blick

auf Freiburg und die nähere Umgebung.

Dort oben steht sein Yamaha-Flügel, an

dem Igor Kamenz tagein, tagaus seine

Zeit verbringt.

Igor Kamenz gilt heute als einer der

größten lebenden Pianisten, als „Titan

am Klavier“, wie die Zeitschrift „International

Piano“ schrieb. In Freiburg zu bewundern

ist Igor Kamenz am 15. Februar

2020, 18 Uhr, im Konzerthaus, wo er zum

250. Geburtstag von Ludwig von Beethoven

spielen wird. Das Grußwort spricht

Oberbürgermeister Martin Horn; den

Festvortrag „Beethoven und die Politik“

hält Dr. Eleonore Büning.

15.02.2020, 18 Uhr, Konzerthaus: Igor Kamenz live

66 zett. November 2019

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