Berliner Zeitung 28.01.2020
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 23 · D ienstag, 28. Januar 2020 11<br />
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Berlin<br />
Polizei ertappt<br />
mehr als 50<br />
Dieselsünder<br />
Fahrverbote in Innenstadt<br />
gelten seit dem 20. Januar<br />
Seit Inkrafttreten der Dieselfahrverbote<br />
in Berlin hat die Polizei<br />
bis zum 20. Januar 51 Verstöße auf<br />
den betroffenen Straßen festgestellt<br />
und geahndet. Bei mehr als der<br />
Hälfte davon handelte es sich um<br />
Verstöße von Autofahrern, bei neun<br />
um solche von Lastwagenfahrern,<br />
teilte die Polizei mit. Es wurden Verwarngelder<br />
zwischen 20 und 75 Euro<br />
verhängt.<br />
Nach mehreren Verzögerungen<br />
gelten die Dieselfahrverbote auf<br />
mehreren Straßen in den Bezirken<br />
Mitte und Neukölln seit etwa Ende<br />
November. Die bereits im Juli beschlossenen<br />
Verbote gelten für ältere<br />
Diesel-Autos und -Lastwagen bis<br />
einschließlich Abgasnorm Euro 5.<br />
Die fraglichen Straßenabschnitte<br />
umfassen insgesamt 2,9 Kilometer<br />
und damit nur einen kleinen Teil des<br />
5450 Kilometer langen Netzes.<br />
Neben stichprobenartigen Kontrollen,<br />
die die Beamten während ihres<br />
Streifendienstes durchführten,<br />
seien auf der Leipziger Straße sowie<br />
der Silbersteinstraße bis zum 20. Januar<br />
an zwei Tagen Kontrollstellen<br />
eingerichtet worden, teilte die Polizei<br />
weiter mit. Wie viele Fahrzeuge<br />
bislang insgesamt kontrolliert wurden,<br />
wurde zunächst nicht bekannt.<br />
Immer wieder gab es in der Vergangenheit<br />
Kritik, dass die Verbote<br />
aufgrund der mangelnden Personalausstattung<br />
der Polizei nicht durchgesetzt<br />
werden könnten. „Unter diesen<br />
Voraussetzungen wird esnicht<br />
über medienwirksame Großeinsätze<br />
hinausgehen“, hatte etwa die Gewerkschaft<br />
der Polizei moniert. (dpa)<br />
Herr Gysi, Berlin will Tempo 30 in der<br />
ganzen Stadt einführen und macht<br />
sich für Tempo 130 auf Autobahnen<br />
stark. Welche Rolle spielt Geschwindigkeit<br />
in Ihrem Leben?<br />
Wenn man viele Termine schaffen<br />
soll und will, ist man mitunter zügig<br />
unterwegs. Als ich meinen Pilotenschein<br />
hatte, war das auch mit dem<br />
nötigen Tempo verbunden – sonst<br />
hebt das Flugzeug bekanntlich nicht<br />
ab. Geschwindigkeit gehört also zu<br />
meinem Leben.<br />
Waswar Ihre Höchstgeschwindigkeit<br />
hinterm Steuer,wie fühlte es sich an?<br />
Daskann ich gar nicht sagen, weil<br />
ich meist nicht hinterm Steuer sitze,<br />
was nach hoher Belastung auch besser<br />
ist. Aber ich bin generell kein<br />
ängstlicher Typ, was wohl auch an<br />
meiner mangelnden Vorstellungskraft<br />
liegt. Ich achte kaum drauf.<br />
Selbst fahreich allerdings nie schneller<br />
als 140 km/h, weil ich das Auto<br />
beherrschen und nicht von ihm beherrscht<br />
werden will.<br />
Wiewar es mit Tempo 100 in der DDR?<br />
Ich erinnere mich. Ich glaube<br />
aber, dass der Staat damals mit der<br />
Blitzerei nicht so viel verdient hat,<br />
weil viele Autos ohnehin nicht sehr<br />
viel schneller fahren konnten und<br />
viele Straßen auch nicht dafür geeignet<br />
waren. Staumeldungen gab es im<br />
Radio nicht, sie waren auch nur selten<br />
erforderlich.<br />
Der ADAC hat Anfang der 70er-Jahre<br />
mit dem Slogan „Freie Fahrt für freie<br />
Bürger“ die Hoheit über die Stammtische<br />
erobert und die damalige Bundesregierung<br />
zur Rücknahme von<br />
Tempo 100 auf den Autobahnen gezwungen.<br />
Jetzt hat der Verein seinen<br />
Widerstand gegen Tempo 130 aufgegeben.<br />
EinVersuch, das Auto als solches<br />
zu retten? EinTriumph Gretas?<br />
Wenn Freiheit wirklich im Geschwindigkeitsrausch<br />
läge, wären<br />
alle anderen europäischen Staaten<br />
mit ihren Tempolimits vollständig<br />
unfrei.Vielleicht ist auch beim ADAC<br />
Die Interview-Kolumne<br />
Eine Curry<br />
mit Gysi<br />
Die Chefredakteure Jochen Arntz und<br />
Elmar Jehn reden jede Wochemit Gregor Gysi –<br />
über das, was die Stadt, das Land und<br />
die Welt bewegt. Ein paar Minuten nur,solange<br />
man eben zusammensteht für<br />
eine Curry am Mittag.<br />
Unser Thema in dieser Woche:<br />
Das Tempo in der Stadt und auf Autobahnen<br />
Elmar Jehn (l.), Gregor Gysi und Jochen Arntz<br />
angekommen, dass der Rest Europas<br />
mit einem Tempolimit gut fährt. Und<br />
wer ein bisschen weiter denkt, kann<br />
schon jetzt erkennen, dass die Entwicklung<br />
des individuellen Verkehrs<br />
hin zu E- oder besser Wasserstoff-<br />
Mobilität und automatisiertem Fahren<br />
ohne eine Geschwindigkeitsbegrenzung<br />
nicht funktionieren wird.<br />
Viele ADAC-Mitglieder sind empört.<br />
Verstehen Sie Autofahrer, die weiter<br />
ihrePSauskitzeln wollen?<br />
Durchaus, Geschwindigkeit beherrschen<br />
zu können, hat seinen<br />
Reiz. Aber die Unfallstatistiken zeigen<br />
eben auch, dass mit wachsender<br />
Geschwindigkeit die Häufigkeit und<br />
Schwere von Unfällen zunimmt, für<br />
Unschuldige, aber auch für jene, die<br />
übermäßig schnell fahren.<br />
Wir leben in rasanten Zeiten. Sollten<br />
wir es nicht grundsätzlich etwas<br />
langsamer angehen lassen?<br />
Ein frommer Wunsch in einer<br />
Zeit, da in Millisekunden Milliarden<br />
Euro virtuell um den Globus gejagt<br />
werden. Andererseits wird immer<br />
deutlicher, dass das kapitalistische<br />
Wachstumsprinzip, das auch Geschwindigkeit<br />
als Wesenskern enthält,<br />
dabei ist, die menschliche Existenz<br />
zu gefährden. Langsamkeit hilft<br />
auch, den Ressourcenverbrauch zu<br />
reduzieren. Aber es ist nicht leicht,<br />
mit Gewohnheiten zu brechen. Der<br />
Norden ist generell langsamer, was<br />
ich im Urlaub dortgenieße.<br />
Wenn die sprichwörtliche gute FeeIhnen<br />
drei andere Limit-Wünsche gewährte,<br />
welche wären das?<br />
EinLimit fürWaffenexporte,damit<br />
an Kriegen nicht mehr so viel verdient<br />
wird; ein Limit für Finanztransaktionen,<br />
damit die Realwirtschaft aus der<br />
Abhängigkeit vomBörsenwertbefreit<br />
wird; ein Null-Limit für Rassismus<br />
und Antisemitismus, damit wir der<br />
wichtigsten Forderung unseres<br />
Grundgesetzes, wonach die Würde<br />
des Menschen unantastbar sein soll,<br />
deutlich näher rücken.<br />
SPD verlängert<br />
Ultimatum an<br />
Baustadtrat<br />
Landesrechnungshof prüft<br />
Florian Schmidts Akten<br />
Bis Montag 12 Uhr hatte die SPD<br />
in Friedrichshain-Kreuzberg<br />
dem grünen Baustadtrat Florian<br />
Schmidt Zeit gegeben, die Akten<br />
zum Vorkaufsrecht der Genossenschaft<br />
„Diese eG“ für Wohnungen in<br />
der Rigaer Straße vollständig vorzulegen<br />
und die Vollständigkeit eidesstattlich<br />
zu erklären. Andernfalls sei<br />
sein Rücktritt unvermeidlich. Doch<br />
nun hat die SPD dieses Ultimatum<br />
ausgesetzt. Das sagte Fraktionschef<br />
Sebastian ForckamMontag.<br />
Schmidt wird vorgeworfen, die<br />
bewussten Akten nur unvollständig<br />
zur Verfügung gestellt und das nicht<br />
kenntlich gemacht zu haben. Das<br />
Büro des Baustadtrats habe mitgeteilt,<br />
dass die Akten bis auf weiteres<br />
nicht einsehbar seien, weil der Landesrechnungshof<br />
sie prüfe,soForck.<br />
Eine Sprecherin des Landesrechnungshofs<br />
bestätigte,dass dieser die<br />
Akten seit Montag in Augenschein<br />
nehme. Forck sagte, das Ultimatum<br />
verschiebe sich daher „auf unbestimmte<br />
Zeit“. Die Forderung der<br />
SPD, dass die Akten vollständig sein<br />
müssten, bleibe bestehen, so Forck.<br />
Manbegrüße aber die Prüfung durch<br />
den Landesrechnungshof.<br />
Nach Darstellung der Sozialdemokraten<br />
hatte Schmidt in einer gemeinsamen<br />
Fraktionssitzung von<br />
Grünen, SPD und Linken am 13. Januar<br />
erklärt, er habe verhindernwollen,<br />
dass „die Inhalte von Akten von<br />
CDU und FDP instrumentalisiert“<br />
würden. Solche Äußerungen seien<br />
grob demokratiefeindlich. Auch in<br />
dem Punkt bestehe noch Aufklärungsbedarf.<br />
(dpa)<br />
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