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(193-256) (2,0 MB) - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein

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196<br />

MN<br />

Hierzu nur folgender Hinweis: Im Rahmen des hier vor allem<br />

thematischen § 203 StGB dürfte sich die Diskussion<br />

auf das Problem konzentrieren, ob eine Befugnis zur Offenbarung<br />

kraft Gesetzes besteht, was – unterstellt man die<br />

Verfassungsmäßigkeit der entsprechenden Vorschriften – zu<br />

bejahen sein dürfte.<br />

2. Überprüfung der Identifizierungs-, Aufzeichnungs- und<br />

Aufbewahrungspflicht und ihrer Sanktionierung am<br />

deutschen Verfassungsrecht<br />

a) Vorbemerkung<br />

Nach den Gesetzesmaterialien ist die Einbindung Privater<br />

in die Strafverfolgung nur dann durch die im Interesse<br />

des Allgemeinwohls liegende Strafverfolgung gerechtfertigt,<br />

wenn dies die Geldwäschebekämpfung und<br />

damit mittelbar die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität<br />

effektiviert. Zum Beispiel heißt es in einer Äußerung<br />

der Bundesregierung vom 4.6.1992: „Wie in der Entwurfsbegründung<br />

bereits ausführlich dargelegt, besteht der<br />

Zweck der verbesserten Erkenntnisquellen für die Strafverfolgungsbehörden<br />

in einer Effektivierung der Geldwäschebekämpfung.<br />

Nur insoweit lässt sich die hierfür erforderliche<br />

Einbindung Privater in die – an sich dem Staat<br />

obliegende – Aufgabe der Strafverfolgung rechtfertigen“ 22 .<br />

Dass die Bekämpfung der Geldwäsche ein legitimer<br />

Zweck ist, steht nicht zur Diskussion. Für die Kritiker des<br />

GwG sind die Identifizierungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten<br />

und ihre Sanktionierung als Ordnungswidrigkeit<br />

jedoch keine geeigneten Mittel zur Bekämpfung<br />

der Geldwäsche und damit die entsprechenden<br />

Regelungen grundrechtswidrig.<br />

b) Diskussion<br />

Die Annahme, dass die im GwG vorgesehenen Identifizierungs-,<br />

Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten<br />

und ihre Sanktionierung grundrechtswidrig sind, basiert auf<br />

drei im Folgenden zu diskutierenden Prämissen: Erstens,<br />

dass die genannten Pflichten und/oder ihre Sanktionierung<br />

in Grundrechte eingreifen, zweitens, dass sie keine geeigneten<br />

und damit unverhältnismäßige Mittel zur Bekämpfung<br />

der Geldwäsche sind, und drittens, dass deutsches Verfassungsrecht<br />

anwendbar ist.<br />

aa) Eingriffsqualität<br />

Durch die Auferlegung von Handlungspflichten wird in<br />

die durch Art. 12 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit<br />

des Rechtsanwalts eingegriffen 23 . Dadurch wird nämlich<br />

geregelt, wie Rechtsanwälte ihre Berufstätigkeit im Einzelnen<br />

zu gestalten haben. Ohne diese Pflichten würden sicher<br />

die wenigsten Anwälte ein Beratungsgespräch mit einem<br />

Mandanten mit der Aufforderung beginnen, den Ausweis<br />

vorzulegen. Auf Seite des Mandanten wird insbesondere<br />

durch die verdachtsunabhängigen Identifizierungs-, Aufbewahrungs-<br />

und Aufzeichnungspflichten in das „Grundrecht<br />

auf informationelle Selbstbestimmung“ aus Art. 2<br />

Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG eingegriffen 24 .<br />

bb) Verhältnismäßigkeit<br />

Bei der ersten Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung,<br />

der Geeignetheit, ist zu fragen, ob der Zweck – die Be-<br />

AnwBl 4/2004<br />

Aufsätze<br />

kämpfung der Geldwäsche – durch die auferlegten Handlungspflichten<br />

zumindest abstrakt gefördert werden kann.<br />

Dies ist nur dann der Fall, wenn die Strafverfolgungsbehörden<br />

in rechtlich zulässiger Weise auf die Aufzeichnungen<br />

bzw. die auf Grund der Identifizierung gewonnenen<br />

Informationen zugreifen und diese verwerten können.<br />

Hier setzt die Kritik an: Eine freiwillige Herausgabe der<br />

Aufzeichnungen stellt einen gem. § 203 StGB strafbaren<br />

Verstoß gegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht<br />

dar. Das GwG selbst enthält nur so genannte Beweisvorsorgepflichten,<br />

aber keine gesetzliche Grundlage zur Heranziehung<br />

von nach dem GwG erstellter Unterlagen zum Zwecke<br />

der Strafverfolgung 25 . Eine Eingriffsbefugnis kann sich<br />

aus dem allgemeinen Strafprozessrecht ergeben, also insbesondere<br />

aus §§ 94 ff. StPO. Das Auskunftsverlangen nach<br />

§ 95 StPO wird im Normalfall nicht zulässig sein, weil es<br />

voraussetzt, dass zwar feststeht, dass sich ein Beweismittel<br />

im Gewahrsam einer Person befindet, aber der Gegenstand<br />

bei einer Durchsuchung nicht gefunden oder der Ort des<br />

Gewahrsams nicht ermittelt werden kann 26 . Es bleibt die<br />

Beschlagnahme gem. §§ 94, 98 StPO. Diese ist aber gem.<br />

§ 98 StPO nur zulässig, wenn die Aufzeichnungen nach<br />

dem GwG nicht beschlagnahmefrei sind. Dabei sind zunächst<br />

die Verwertungsbeschränkungen des § 10 GwG zu<br />

beachten, denn bei Unzulässigkeit der Verwertung ist auch<br />

die Beschlagnahme unzulässig. Nach § 10 Abs. 1 GwG<br />

dürfen die nach § 9 Abs. 1 GwG gefertigten Aufzeichnungen<br />

nur zur Verfolgung einer Straftat nach § 261 StGB oder<br />

einer Vortat der Geldwäsche herangezogen und verwendet<br />

werden. Darüber hinaus gelten die allgemeinen Beschlagnahmeverbote,<br />

also insbesondere § 97 Abs. 1 StPO. Beschlagnahmefrei<br />

sind danach die Aufzeichnungen, welche<br />

ein zeugnisverweigerungsberechtigter Rechtsanwalt über<br />

die ihm vom Beschuldigten anvertrauten Mitteilungen oder<br />

über andere Umstände gemacht hat, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht<br />

nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO erstreckt.<br />

Bei dem zu Grunde zu legenden weiten Verständnis<br />

des Begriffs Aufzeichnungen, unter den u. a. Karteien fallen,<br />

sind die Aufzeichnungen nach § 9 GwG beschlagnahmefrei.<br />

Eine Ausnahme von der Beschlagnahmefreiheit tritt allerdings<br />

nach § 97 Abs. 2 S. 3 1. HS. StPO bei einer Tatverstrickung<br />

des Rechtsanwaltes ein. Diese ist z. B. denkbar,<br />

wenn er bei Tatverdacht den Mandanten nicht anzeigt. Keinesfalls<br />

ist es aber so, dass jeder Verstoß gegen das GwG<br />

bereits eine Tatverstrickung begründet, denn eine solche<br />

liegt nur vor, wenn der Rechtsanwalt, was durch Tatsachen<br />

erhärtet sein muss, sich an der Tat als Mittäter, Gehilfe oder<br />

Anstifter beteiligt, oder sie sonst wie begünstigt oder durch<br />

Strafvereitelung fördert 27 . Die Nichtidentifizierung, die der<br />

weitaus häufigste Fall eines Verstoßes gegen das GwG sein<br />

22 BT-Ds. 12/2747, S. 3.<br />

23 Zu den Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei Berufsausübungsregeln<br />

vgl. grundlegend BVerfGE 7, 377 (403 ff.).<br />

24 Grundlegend zu dem „Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“<br />

BVerfGE 65, 1.<br />

25 LG Koblenz, NJW 1997, 2613; Zentraler Kreditausschuss der Spitzenverbände<br />

der Kreditwirtschaft (ZKA), Leitfaden zur Bekämpfung der Geldwäsche, Berlin/Brüssel<br />

2001, S. 109.<br />

26 Kleinknecht/Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 45. Aufl., § 95 Rn 1; LG<br />

Bonn, NStZ 1983, 327.<br />

27 Nack in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 5. Aufl., München<br />

2003, § 97 Rn 35.

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