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(193-256) (2,0 MB) - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein

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206<br />

MN<br />

ern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte<br />

Steuervorteile erlangt.<br />

Die Vorschrift führte zu massiver Kritik insbesondere<br />

von Seiten der Anwaltschaft. Das Tatbestandsmerkmal der<br />

Gewerbsmäßigkeit war und ist nämlich unter Berücksichtigung<br />

der bisherigen Rechtsprechung sehr weit auszulegen<br />

und liegt immer schon dann vor, wenn der Täter in der Absicht<br />

handelt, sich durch wiederkehrende Begehung von<br />

Straftaten eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger<br />

Dauer und einigem Umfang zu verschaffen 43 . Unabhängig<br />

von der Höhe hätte bei entsprechender Absicht deshalb der<br />

einmalige Bezug unversteuerter Einkünfte genügt, um den<br />

Tatbestand eines Verbrechens zu verwirklichen. Die Qualifizierung<br />

als Verbrechen über die Höhe der Strafandrohung<br />

nahm § 370 a AO von der Möglichkeit einer strafbefreienden<br />

Selbstanzeige nach § 371 AO aus, da diese nur möglich war<br />

bei Vergehen im Sinne des § 12 Abs. 2 StGB. Als Verbrechenstatbestand<br />

war § 370 a AO ferner automatisch taugliche<br />

Vortat im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB 44 .<br />

Hinzu kam, dass durch die ebenfalls neu gefasste Regelung<br />

des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB praktisch das gesamte<br />

Vermögen des Steuerhinterziehers „infiziert“ wurde 45 .Bemakelte<br />

Gegenstände waren danach nämlich im Falle des<br />

§ 370 a AO „unrechtmäßig erlangte Steuervergünstigungen“<br />

und alle „Vermögensbestandteile, hinsichtlich derer Abgaben<br />

hinterzogen worden sind“. Für den anwaltlichen Berater<br />

eines „gewerbsmäßigen“ Steuerhinterziehers bestand damit<br />

die Gefahr, dass er sich durch die Annahme des<br />

Honorars selbst der Geldwäsche schuldig machte, weil es<br />

keinen „unbemakelten“ Vermögensbestandteil mehr gab.<br />

3. Neufassung des § 370 a AO<br />

Etwas versteckt, nämlich in Art. 7 Nr. 4 und in Art. 8<br />

des Fünften Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-<br />

Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen<br />

vom 23.7.2002 46 , sind mit Wirkung vom 27.7.2002 die gravierendsten<br />

Folgen dieser Änderung rückgängig gemacht<br />

worden.<br />

Ein Verbrechen nach § 370 a AO liegt deshalb jetzt nur<br />

noch vor, wenn der Steuerpflichtige gewerbsmäßig oder<br />

bandenmäßig Steuern „in großem Ausmaß“ hinterzieht.<br />

Insbesondere das letzte Tatbestandsmerkmal beinhaltet einen<br />

großen Unsicherheitsfaktor. Aber auch die Merkmale<br />

„gewerbsmäßig“ und „bandenmäßig“ können nicht ohne<br />

weiteres in der existierenden Auslegung zu den gleichlautenden<br />

Merkmalen bei Diebstahl und Raub angewendet<br />

werden. Hier können sich Besonderheiten ergeben.<br />

a) „Gewerbsmäßige“ Steuerhinterziehung<br />

In der aktuellen Literatur herrscht Einigkeit darüber,<br />

dass die bestehende Auslegung zur Gewerbsmäßigkeit, wie<br />

sie etwa zum gewerbsmäßigen Diebstahl entwickelt wurde,<br />

auf die schwere Steuerhinterziehung nicht übertragbar ist 47 .<br />

Aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten sei eine Einschränkung<br />

geboten. Es könne nicht schon jede Steuerhinterziehung,<br />

die auf eine Wiederholung angelegt ist und dem<br />

Täter Einnahmen bzw. Ersparrnisse von einigem Gewicht<br />

verschaffen soll, als schwere Steuerhinterziehung gelten 48 .<br />

Teilweise wird im Wege der telelogischen Interpretation sogar<br />

so weit gegangen, dass man die Fälle der gewerbsmäßigen<br />

Steuerhinterziehung auf diejenigen Fälle begrenzt, in<br />

denen eine systematische Steuerhinterziehung durch erheblichen<br />

logistischen, apparativen und personellen Aufwand<br />

vorliegt 49 . Dann bliebe aber für die gewerbsmäßige Steuer-<br />

AnwBl 4/2004<br />

Aufsätze<br />

hinterziehung neben der bandenmäßigen kaum noch Raum.<br />

Vorgeschlagen wird auch, die gewerbsmäßige Steuerhinterziehung<br />

auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen der<br />

Steuerpflichtige plant, durch die Steuerhinterziehung zusätzliche<br />

Einnahmen und nicht bloß Einsparungen zu erzielen<br />

50 . Es wird abzuwarten sein, wie die Rechtsprechung<br />

reagiert.<br />

b) „Bandenmäßige“ Steuerhinterziehung<br />

Seit dem Beschluss des BGH vom 22.3.2001 braucht es,<br />

wie erwähnt, für eine Bande drei, über einen gemeinsamen<br />

Willen zur Begehung noch ungewisser Straftaten eines Deliktstypus<br />

verbundene natürliche Personen, wobei aber ein<br />

zeitliches und örtliches Zusammenwirken von mindestens<br />

zwei Mitgliedern bei der Begehung der Tat nicht (mehr)<br />

erforderlich ist 51 . Vereinzelt wird für den Bereich der bandenmäßigen<br />

Steuerhinterziehung verlangt, dass der Bandenbegriff<br />

hier so zu modifizieren sei, dass er drei Steuerrechtssubjekte<br />

fordert 52 . Hingewiesen wird insbesondere auf den<br />

Fall, dass etwa eine Handwerker-GbR, die Schwarzgelder<br />

vereinnahmt, als Bande behandelt werden könnte, während<br />

ein einzelner Handwerksmeister nur wegen einfacher Steuerhinterziehung<br />

verfolgt werden könnte 53 . Die meisten Stimmen<br />

in der Literatur scheinen jedoch auf eine solche Einschränkung<br />

verzichten zu wollen 54 . Auch hier wird die<br />

Reaktion der Rechtsprechung abzuwarten sein.<br />

c) Steuerhinterziehung in „großem Ausmaß“<br />

Der Begriff ist nicht legaldefiniert. Nach einhelliger Auffassung<br />

kann die Schwelle zum großen Ausmaß auch nicht<br />

absolut festgelegt werden 55 . Die bisherige Rechtsprechung zu<br />

dem gleichlautenden Tatbestandsmerkmal in § 370 Abs. 3<br />

Satz 2 Nr. 1 AO ging davon aus, dass insoweit regelmäßig<br />

ein Millionen(DM)-Betrag vorauszusetzen sei, teilweise wurden<br />

jedoch auch schon Gesamtbeträge von 350.000 E als<br />

„großes Ausmaß“ angesehen 56 . In der Literatur wird allerdings<br />

darauf hingewiesen, dass das nach § 370 Abs. 3 Satz 2<br />

Nr. 1 AO kumulativ geforderte subjektive Merkmal „aus grobem<br />

Eigennutz“, nicht auf § 370 a AO übertragen wurde und<br />

deshalb eine Übernahme der bisherigen Rechtsprechung<br />

ohne Weiteres nicht möglich sei 57 . Außerdem wird das Merkmal<br />

als bedenklich im Hinblick auf das verfassungsrechtliche<br />

43 Tröndle/Fischer, StGB, vor § 52 Rn. 37; Schönke/Schröder/Stree, StGB, vor<br />

§52ff.Rn.95f.<br />

44 Zur Kritik daran Spatscheck/Wulf, DB 2001, 2572 (2573 f. m. w. N., auch zur<br />

Gegenansicht).<br />

45 Meyer, BRAK-Mitt. 3/2002, 105/108; zur Kritik an dieser Folge siehe Spatschek/Wulf,<br />

DB 2001, 2572 (2574); Bittmann, wistra 2003, 161 (166). A.A.<br />

auch Ambos, JZ 2002, 70 (71) der eine „Teilkontamination“ in Höhe der inkriminierten<br />

Wertsumme annimmt; das Anwaltshonorar sei dann aus dem „sauberen<br />

Teil“ beglichen.<br />

46 BGBl. I S. 2715.<br />

47 Spatscheck/Wulf, NJW 2002, 2983 (2985); Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370a<br />

AO Rn. 11; Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, § 370 a AO Rn. 26.<br />

48 Klein, AO, § 370 a Rn. 12.<br />

49 Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 a AO Rn. 13.<br />

50 Hellmann in HHSp, § 370 a AO Rn. 18f.<br />

51 BGH-GSSt, Beschluss vom 22.3.2001, NStZ 2001, 421.<br />

52 Spatscheck/Wulf, NJW 2002, 2983 (2986).<br />

53 Klein, AO, § 370 a Rn. 13.<br />

54 Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 a AO Rn. 16; Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen,<br />

§ 370a AO Rn. 37c; Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 23.<br />

55 BGH NJW 2001, 2485 f.; Bittmann, wistra 2003, 161 (164).<br />

56 BGH wistra 1984, 174 (Körperschaftsteuerhinterziehung von 3,3 Mio DM);<br />

BGH wistra 1987, 71 (Umsatzsteuerhinterziehung von 700.000 DM); s.a. Meyer,<br />

BRAK-Mitt. 3/2002, 105/107. Nach Bittmann, wistra 2003, 161 (169) sollen<br />

jedenfalls Summen unter 50.000 nicht ausreichen; ebenso Weyand, INF 2003,<br />

115 (117).<br />

57 Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 a AO Rn. 12; Klein, AO, § 370a Rn. 14.

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