(193-256) (2,0 MB) - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein
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MN<br />
denen die schon erwähnte Gefahr sehr groß ist, dass ihre<br />
Dienste für das Waschen von Erlösen aus kriminellen Tätigkeiten<br />
missbraucht werden.<br />
Die Parenthese lässt sich im Sinne eines Willens des<br />
Richtliniengebers verstehen, Rechtsanwälte und Notare<br />
auch dann nur partiell (nämlich nur unter den Voraussetzungen<br />
des Art. 2 a Nr. 5 der Richtlinie/§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1<br />
GwG) den Geldwäschebestimmungen zu unterwerfen,<br />
wenn sie sich steuerberatend betätigen. Eine Rechtsanwaltskanzlei<br />
wird sich zudem auch deshalb auf diese Privilegierung<br />
der Rechtsanwälte stützen können, wenn sie nach außen<br />
nur als Rechtsanwaltskanzlei oder Sozietät bzw.<br />
Partnerschaft von Rechtsanwälten auftritt und nicht etwa<br />
als „Rechtsanwälte Steuerberater“.<br />
Würde ein Rechtsanwalt hingegen als Wirtschaftsprüfer<br />
bei „betriebswirtschaftlichen Prüfungen“ (§ 2 Abs. 1 WPO)<br />
tätig, dürfte dafür grundsätzlich § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2<br />
GwG gelten, da sich in diesem Fall eine entsprechende Privilegierung<br />
wie bei der anwaltlichen Steuerberatung weder<br />
der Richtlinie noch dem GwG entnehmen lässt.<br />
c) Notare<br />
Für Notare gehen die beschriebenen Pflichten nach dem<br />
GwG grundsätzlich abweichenden beurkundungsrechtlichen<br />
Bestimmungen vor. Dies hat die Bundesregierung in ihrer<br />
Gegenäußerung auf die Stellungnahme des Bundesrates zum<br />
Entwurf des Geldwäschebekämpfungsgesetzes klargestellt.<br />
Der Bundesrat hatte eingewandt, dass nach § 26 Abs. 1<br />
Satz 1 der Dienstordnung für Notarinnen und Notare für die<br />
Identitätsfeststellung geringere Anforderungen gelten als<br />
nach dem GwG. Beurkundungsrechtlich müsse der Notar<br />
auch bei Ungewissheit über die Beteiligten die Niederschrift<br />
aufnehmen, wenn ein Beteiligter dies verlange; der Notar<br />
habe nur diesen Sachverhalt nach § 10 Abs. 2 Satz 2 BeurkG<br />
in die Niederschrift aufzunehmen 6 . Die Bundesregierung<br />
hat dem entgegengehalten, dass die Identifikation nach<br />
den (strengeren) Anforderungen des GwG erfolgen müsse,<br />
die Identifizierung aber unverzüglich nachgeholt werden<br />
könne und müsse, wenn die Beurkundung beurkundungsrechtlich<br />
durchzuführen sei. Die unverzügliche Nachholung<br />
sei noch eine Identifizierung „bei“ der Mitwirkung an einem<br />
in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GwG genannten Geschäft 7 .<br />
2. Inhalt und Umfang der Identifizierungspflichten<br />
a) Identifizierungspflicht nur bei „auf Dauer angelegten<br />
Geschäftsbeziehungen“ oder Annahme von Bargeld<br />
und dgl.<br />
Die Identifizierungspflicht ist die Grundpflicht des GwG<br />
und verankert das „Know your customer“-Prinzip, das der<br />
EG-Geldwäscherichtlinie zugrunde liegt 8 . Sofern Rechtsanwälte<br />
und Notare an der Planung und Durchführung der<br />
in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GwG genannten Transaktionen<br />
mitwirken, unterliegen sie den Identifizierungspflichten des<br />
Geldwäschegesetzes – dies jedoch nur unter einer weiteren,<br />
wesentlichen Einschränkung: Die in § 3 Abs. 1 Satz 1<br />
GwG in Bezug genommenen allgemeinen Identifizierungspflichten<br />
für Institute nach § 2 Abs. 1 bis 3 GwG setzen<br />
stets eine „auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung“ (§2<br />
Abs. 1 Satz 1 GwG) oder die „Annahme von Bargeld,<br />
Wertpapieren im Sinne von § 1 Abs. 1 des Depotgesetzes<br />
oder Edelmetallen im Wert von (ggf. zusammen) 15.000<br />
Euro“ (§ 2 Abs. 2 i.V. m. Abs. 3 GwG) voraus.<br />
Der Fall der Empfangnahme von Geld, Wertpapieren<br />
oder Wertsachen soll im Folgenden weitgehend außer Be-<br />
AnwBl 4/2004<br />
Aufsätze<br />
tracht bleiben – er ist im Rahmen der wirtschaftsanwaltlichen<br />
Beratung von vergleichsweise geringer Bedeutung –;<br />
näher untersucht werden sollen nur die Pflichten bei einer<br />
„auf Dauer angelegten Geschäftsbeziehung“.<br />
Für die betragsunabhängige Identifizierungspflicht<br />
kommt es entscheidend darauf an, was eine „auf Dauer angelegte<br />
Geschäftsbeziehung“ ist. Der Begriff ist weder legaldefiniert<br />
noch liefert die Gesetzesbegründung zum GwG<br />
insoweit für die anwaltliche Tätigkeit Anhaltspunkte. Zwar<br />
hat das Geldwäschebekämpfungsgesetz in § 2 Abs. 1 Satz 2<br />
für Institute festgelegt, dass eine auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung<br />
„insbesondere bei der Führung eines Kontos<br />
und bei den sonstigen in § 154 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung<br />
genannten Geschäften“ besteht. Da eine<br />
Anwaltssozietät in den meisten Fällen weder in diesem<br />
Sinne Mandantenkonten führt noch „Wertsachen verwahrt<br />
oder als Pfand nimmt oder ein Schließfach überlässt“<br />
(§ 154 Abs. 2 Satz 1 AO), kann sich die Auslegung daran<br />
nicht orientieren. Auch die EG-Richtlinie trägt zur Auslegung<br />
nichts bei; weder in ihrer Fassung von 1993 noch in<br />
der Fassung der Änderungsrichtlinie von 2002 nimmt sie<br />
eine Differenzierung nach auf Dauer angelegten und sonstigen<br />
Geschäftsbeziehungen vor.<br />
Vor diesem Hintergrund wurde bereits verschiedentlich<br />
auf die Gefahr aufmerksam gemacht, dass auch ein Einzelmandat<br />
zu einer lang andauernden und damit im Sinne der<br />
Vorschrift „auf Dauer angelegten Geschäftsbeziehung“ werden<br />
könne9 . Auf den Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1<br />
GwG kann sich diese Sorge indes nicht stützen. Er stellt generisch<br />
auf den Kauf oder Verkauf von Immobilien oder<br />
Gewerbebetrieben (lit. a) oder die Gründung etc. von Gesellschaften<br />
(lit. d) ab; ob schon die Beratung etwa bei dem<br />
Verkauf einer Einzelimmobilie genügt, kann der Vorschrift<br />
nicht entnommen werden10 .<br />
§ 2 Abs. 1 GwG verlangt, wie gesehen, dass der Mandatsvertrag<br />
eine auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung<br />
begründen soll. Dieses prospektive Merkmal kann je nach<br />
Gegenstand der Beratung durch ein Einzelmandat erfüllt<br />
werden, eine bei Abschluss des ersten Beratungsvertrages<br />
noch nicht absehbare Reihe von Einzelmandaten oder das<br />
„klassische“ Dauerberatungsmandat11 .<br />
Die Neuregelung krankt daran, dass die identifizierungspflichtigen<br />
Geschäftsbeziehungen nach dem alten GwG und<br />
der Geldwäscherichtlinie 1993 sehr stark auf Kreditinstitute<br />
zugeschnitten waren. Der Begriff der „dauernden Geschäftsbeziehung“<br />
scheint auch aus der finanzgerichtlichen<br />
Judikatur herzurühren: So definierte der Reichsfinanzhof in<br />
einem Gutachten 1928 als „Konto“ das Bankkonto sowie<br />
darüber hinaus den Fall, dass jemand zu einem anderen in<br />
6 BT-Drs. 14/9043, S. 2.<br />
7 BT-Drs. 14/9043, S. 9.<br />
8 BT-Drs. 14/8739, S. 12; Dombek, ZAP 2003, 543 (545).<br />
9 Große-Wilde, MDR 2002, 1288 (1289).<br />
10 Dombek, ZAP 2003, 543 (547 f.), siehe auch Schreiben der Bundessteuerberaterkammer<br />
vom 16.8.2002, http://www.stbka.org/news/download/news235.doc.,<br />
Rundschreiben Nr. 48/2003 der Bundesnotarkammer vom 19.11.2003 (auf<br />
Dauer angelegte Geschäftsbeziehung schon, wenn der Notar Entwurfs-, Beratungs-<br />
oder Vollzugstätigkeiten übernommen hat).<br />
11 Die Abgrenzungsschwierigkeiten sind offensichtlich. So dürfte beispielsweise<br />
der Auftrag eines Mandaten, für ihn ein Testament über sein umfangreiches<br />
und diversifiziertes Privatvermögen zu entwerfen, zunächst als Einzelmandat<br />
zu verstehen sein, das spätestens mit der letztwilligen Verfügung des Mandanten<br />
endet. Es löst keine Pflichten nach dem GwG aus, weil es nicht dem Katalog<br />
des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GwG unterfällt und seinem Wesen nach nicht<br />
auf Dauer angelegt ist. Wie aber, wenn demselben Anwalt bei Mandatserteilung<br />
für den Fall, dass er seine Sache gut macht, avisiert wird, als Testamentsvollstrecker<br />
eingesetzt zu werden und er im Rahmen der Testamentsvollstrekkung<br />
Geschäfte nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a, b, c (ggf. auch lit. d und e)<br />
GwG tätigen soll?