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(193-256) (2,0 MB) - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein

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AnwBl 4/2004 229<br />

DAV-Forum Mediation MN<br />

� Internationale Zusammenarbeit: Rechtsanwalt Dr. h.c. Ludwig Koch (rechts) und sein<br />

belgischer Kollege Luc Demeyere aus Antwerpen referierten auf dem DAV-Forum.<br />

Der DAV hat in seinen Vorschlägen<br />

jegliche Reglementierung der Ausbildung<br />

abgelehnt. Im Arbeitskreis III<br />

sind diese Vorschläge zurückgewiesen<br />

worden. Die in der Ausbildung aktiven<br />

Verbände sollten sich auf einheitliche<br />

Standards einigen und ihre Ausbildungskonzepte<br />

gegenseitig anerkennen,<br />

forderte der Arbeitskreis. Die<br />

Diskussion am Nachmittag drehte sich<br />

dann vor allem um die Frage, wieviele<br />

Stunden Ausbildung ein Mediator<br />

brauche.<br />

Die eigentliche Herausforderung<br />

für die Anwaltschaft wird jedoch nicht<br />

die Ausbildung zum Mediator sein.<br />

Entscheidend wird es darauf ankom-<br />

Berliner Pilotprojekt:<br />

Gerichtsmediation<br />

Interview mit Karsten-Michael Ortloff<br />

<strong>Anwaltsblatt</strong>: Sie bezeichnen sich<br />

auf ihrer Visitenkarte als Gerichtsmediator.<br />

Was macht ein Gerichtsmediator?<br />

Ortloff: Ein Gerichtsmediator ist<br />

ein Richter, der als Mediator arbeitet,<br />

und zwar in solchen Prozessen, die<br />

bei seinem Gericht anhängig sind. Er<br />

hilft den Prozessbeteiligten bei dem<br />

Bemühen um eine gütliche Beilegung<br />

des Rechtsstreits. Dabei geht es nicht<br />

um eine juristische Aufarbeitung des<br />

Streitstoffes, sondern um eine interessenorientierte<br />

Konfliktlösung.<br />

Das Pilotprojekt Gerichtsmediation<br />

am Verwaltungsgericht Berlin läuft<br />

seit Oktober 2003. Die Senatsverwaltung<br />

für Justiz hat dem Gericht eine<br />

men, die Mediation da anzubieten, wo<br />

sie von Mandanten nachgefragt wird<br />

oder für diese günstig ist. „Mediation<br />

ist nicht für Mediatoren da. Wir müssen<br />

Unternehmen und Verbrauchern<br />

vermitteln, dass es Alternativen zum<br />

Rechtsstreit gibt“, sagte DAV-Vizepräsident<br />

Rembert Brieske und Berichterstatter<br />

des Arbeitskreises IV. Dann<br />

wird auch die Anekdote Geschichte<br />

sein, die der Moderator des DAV-Forums<br />

Rechtsanwalt Dr. Reiner Ponschab<br />

erzählte: „In großen Kanzleien<br />

fragen sich die Partner immer, ob man<br />

als Mediator zu einer Sekte gehört.“<br />

Rechtsanwalt Dr. Nicolas Lührig,<br />

Berlin<br />

zusätzliche<br />

R 2-Stelle<br />

(Vors. Richter<br />

am VG) zur<br />

Verfügung gestellt,<br />

auf der<br />

ich ausschließlich<br />

als<br />

Mediator arbeite.<br />

Hierfür<br />

hat das Präsidium<br />

des Gerichts<br />

mich zu<br />

100 % von<br />

Rechtsprechungsaufgabenfrei-<br />

� Prof. Dr. Karsten-<br />

Michael Ortloff, Vors.<br />

Richter am Verwaltungsgericht<br />

Berlin<br />

gestellt. Das dürfte bundesweit<br />

einmalig sein!<br />

<strong>Anwaltsblatt</strong>: Welche Ziele verfolgt<br />

das Berliner Pilotprojekt<br />

Ortloff: Mindestens zwei Ziele sollen<br />

damit erreicht werden: In erster Li-<br />

nie soll herausgefunden werden, ob<br />

diese Form alternativer Konfliktlösung,<br />

die an sich ein außergerichtliches Verfahren<br />

ist, auch gerichtsintegriert funktioniert.<br />

Dabei gibt es im Verwaltungsprozess<br />

ja die Besonderheit, dass dem<br />

Bürger zumeist eine Behörde gegenübersteht,<br />

die nach einer noch verbreiteten<br />

Ansicht wegen der Gesetzesbindung<br />

kaum „Verhandlungsmasse“ hat.<br />

Außerdem geht es darum, die Streitkultur<br />

zu verbessern. Denn wenn die Beteiligten<br />

nicht mehr gegeneinander streiten,<br />

sondern über ihre Interessen reden<br />

– auch die Behördenmitarbeiter verfolgen<br />

Interessen! – und kooperativ über<br />

einen Interessenausgleich verhandeln,<br />

verändern sie ihr Verhalten. Sie gestalten<br />

ihre eigenen Interessen autonom,<br />

statt die Entscheidung auf den Richter<br />

zu delegieren. Diese veränderte Streitkultur<br />

kann sich auch positiv auf die<br />

mündliche Erörterung der Streitsachen<br />

im regulären Prozess auswirken.<br />

<strong>Anwaltsblatt</strong>: Wie läuft das Verfahren<br />

ab?<br />

Ortloff: Das Mediationsverfahren<br />

stellt ein möglichst kurzes Zwischenverfahren<br />

dar. Als Gerichtsmediator<br />

darf ich aus Gründen des Datenschutzes<br />

Streitakten nur einsehen, wenn die<br />

Prozessbeteiligten einverstanden sind.<br />

Daher geht die Initiative in einem geeigneten<br />

Fall entweder vom zuständigen<br />

Richter oder von den Beteiligten<br />

aus. Stimmen alle zu, übergibt mir die<br />

zuständige Kammer die Streitakte samt<br />

Verwaltungsvorgängen. Ich schreibe<br />

zunächst den Beteiligten und erläutere<br />

in einem beigefügten Merkblatt das<br />

Verfahren. Dann vereinbare ich mit den<br />

Prozessbeteiligten – und gegebenenfalls<br />

mit weiteren am Konflikt Beteiligten<br />

– einen Verhandlungstermin in der<br />

Regel für drei Stunden. In der nicht öffentlichen<br />

Mediationsverhandlung vereinbaren<br />

alle Seiten Vertraulichkeit.<br />

Der Gerichtsmediator leitet die Gespräche;<br />

dabei gibt er keine rechtlichen<br />

Hinweise und macht auch keine Lösungsvorschläge.<br />

Wenn sich die Beteiligten<br />

einigen, wird dies in einem<br />

Ergebnisprotokoll festgehalten. Prozessbeendigende<br />

Erklärungen müssen<br />

gegenüber der zuständigen Kammer<br />

abgegeben werden; der Gerichtsmediator<br />

gibt die Streitakte – zumeist mit<br />

diesem Protokoll – an die Kammer zurück.<br />

Einigen die Beteiligten sich nicht,<br />

bedarf es auch keiner Protokollierung.<br />

Der Mediator gibt die Streitakte, mit<br />

dem Hinweis auf die Nichteinigung zurück.InbeidenFällensagterdenzuständigen<br />

Richtern nichts über den Inhalt<br />

der Mediationsverhandlung.

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