(193-256) (2,0 MB) - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein
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MN HAFTPFLICHTFRAGEN<br />
Anforderungen im Rahmen<br />
der vorläufigen<br />
Vollstreckbarkeit<br />
Assessorin Jacqueline Bräuer<br />
Allianz Versicherungs-AG München<br />
1. Einleitung<br />
Der Weg zum Titel ist oftmals lang und beschwerlich.<br />
Aber eigentlich ist es nicht der Titel, den der Mandant erstrebt<br />
hat, sondern ihm geht es um die Erfüllung eines Anspruchs,<br />
die Begleichung einer Schuld im weiteren Sinne.<br />
Leistet der Schuldner angesichts des Tenors „im Namen des<br />
Volkes“ nicht von selbst und freiwillig, so bedarf es bei der<br />
Durchsetzung des titulierten Anspruchs wiederum der Inanspruchnahme<br />
staatlicher Hilfe. Das System der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen<br />
ist komplex und birgt aus anwaltlicher<br />
Sicht manche Fehlerquelle. Dies soll uns aber an<br />
dieser Stelle nicht näher beschäftigen. Denn für den Anwalt<br />
– und natürlich für den Mandanten – stellt sich zuvor<br />
zwangsläufig die Frage nach dem Ob und Wann der Vollstreckung.<br />
Kann zunächst nur ein vorläufig vollstreckbarer<br />
Titel erlangt werden, so sind hinsichtlich dessen Durchsetzung<br />
diverse Formalien zu beachten. Der Schuldner-Anwalt<br />
ist ebenfalls gefordert, stehen doch seinem Mandanten bestimmte<br />
(Abwehr)-Rechte zu. Dieses Wechselspiel der Instrumentarien<br />
soll im Folgenden näher beleuchtet werden.<br />
2. Das gesetzliche System der endgültigen und der vorläufigen<br />
Vollstreckbarkeit<br />
Die Vollstreckung erfordert immer einen Titel. Dies<br />
können Endurteile sein, § 704 ZPO oder andere Titel, die<br />
in § 794 Abs. 2 ZPO aufgelistet sind. In der Praxis relevant<br />
sind hiervon insbesondere<br />
9 der Vergleich (Ziff. 1),<br />
9 der Kostenfestsetzungsbeschluss (Ziff. 2),<br />
9 der Vollstreckungsbescheid (Ziff. 4) und<br />
9 die vollstreckbare Urkunde (Ziff. 5).<br />
Endgültig vollstreckbar sind alle diejenigen Titel, die<br />
grundsätzlich nicht mehr abgeändert werden können, die<br />
also im weiteren Sinne rechtskräftig sind. Da hier im normalen<br />
Verlauf der Dinge eben keine Abänderung des Titels<br />
mehr zu befürchten steht, besteht auch kein Grund, dem<br />
Gläubiger etwa nur eine vorläufige Vollstreckung zu erlauben,<br />
um den Schuldner vor Nachteilen zu schützen. Titel<br />
dagegen, die noch keinen endgültig sicheren Bestand haben,<br />
können nur für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.<br />
Dies entspricht einer Abwägung der Interessen von Gläubiger<br />
und Schuldner. Der Gläubiger soll nicht übermäßig bevorzugt<br />
werden, der Schuldner nicht unnötig benachteiligt,<br />
indem vollendete Tatsachen geschaffen werden.<br />
Beide, sowohl Schuldner als auch Gläubiger, brauchen, sofern<br />
sie anwaltlich vertreten sind, auch zur Vollstreckungsthematik<br />
anwaltliche Beratung. Diese sollte möglichst frühzeitig<br />
erfolgen, also nicht erst dann, wenn das Urteil zugestellt ist,<br />
sondern möglichst schon, wenn sich die Notwendigkeit eines<br />
Verfahrens an sich abzeichnet. Schließlich braucht der Mandant<br />
zumindest potentiell die Möglichkeit, sich auf das Kom-<br />
AnwBl 4/2004<br />
mende einzustellen. Er muss<br />
wissen, dass bis zur endgültigen<br />
Durchsetzung seines Anspruchs<br />
im schlimmsten Fall<br />
viele Jahre vergehen können,<br />
er muss auch wissen, dass er<br />
unter Umständen zumindest<br />
vorübergehend eine Sicherheitsleistung<br />
wird erbringen<br />
müssen. Gerade der Zeitfaktor<br />
spielt bei vielen Überlegungen<br />
eine entscheidende<br />
Rolle. Hat etwa der Gläubiger<br />
seinem Anwalt einen<br />
Auftrag zur Durchführung<br />
der Zwangsvollstreckung aus � Jacqueline Bräuer<br />
einem vorläufig vollstreckbaren<br />
Urteil erteilt, führt der<br />
Anwalt diesen Auftrag aber<br />
nicht zeitnah aus und ist später beim Schuldner nichts mehr<br />
zu erlangen, so macht sich der Anwalt schadenersatzpflichtig,<br />
wenn die zeitnahe weisungsgemäße Vollstreckung erfolgreich<br />
gewesen wäre (OLG Köln NJW-RR 86, 222).<br />
3. Die gesetzliche Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit<br />
a) Vorläufige Vollstreckbarkeit entweder ohne oder gegen<br />
Sicherheitsleistung<br />
Als lediglich vorläufig vollstreckbare Titel kommen nur<br />
Endurteile in Betracht, §§ 704 Abs. 1, 300 ZPO. Die ZPO<br />
unterscheidet solche Endurteile, die grundsätzlich von<br />
Amts wegen ohne Sicherheitsleistung für vollstreckbar zu<br />
erklären sind, § 708 ZPO, und solche, die grundsätzlich<br />
von Amts wegen nur gegen Sicherheitsleistung für vollstreckbar<br />
zu erklären sind, § 709 ZPO. § 708 ZPO enthält<br />
eine abschließende Aufzählung der in Betracht kommenden<br />
Endurteile, § 709 ZPO betrifft alle Fälle von Endurteilen,<br />
die in § 708 ZPO nicht genannt sind. Hinzu kommt, dass<br />
Urteile der Arbeitsgerichte bereits mit ihrer Verkündung<br />
ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar sind, und zwar von<br />
Gesetzes wegen, ohne Vollstreckungsausspruch im Tenor,<br />
§ 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG. Für den Gläubiger, der das ihm<br />
günstige Urteil nun zumindest einmal vorläufig vollstrecken<br />
möchte, macht es natürlich einen erheblichen Unterschied,<br />
ob er zuvor noch eine Sicherheit stellen muss oder<br />
nicht, verständlicherweise vor allem bei größeren Beträgen.<br />
Die geleistete Sicherheit dient jedoch den Interessen des<br />
Schuldners genau für den Fall, dass der vorläufig vollstreckbare<br />
Titel abgeändert/aufgehoben wird, also als Vollstreckungsgrundlage<br />
entfällt. Hier stünde sonst der Schuldner,<br />
der die Vollstreckung über sich ergehen lassen musste,<br />
hinterher mit leeren Händen da, wenn er das Vollstreckte<br />
vom Gläubiger nicht zurückerlangen kann.<br />
b) Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung<br />
Die in der Praxis wichtigsten Fälle des § 708 ZPO dürften<br />
sein<br />
9 das Anerkenntnisurteil (Ziff. 1),<br />
9 das Versäumnisurteil (Ziff. 2),<br />
9 das Urteil im Urkundenprozess (Ziff. 4),