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(193-256) (2,0 MB) - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein

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246<br />

MN HAFTPFLICHTFRAGEN<br />

Anforderungen im Rahmen<br />

der vorläufigen<br />

Vollstreckbarkeit<br />

Assessorin Jacqueline Bräuer<br />

Allianz Versicherungs-AG München<br />

1. Einleitung<br />

Der Weg zum Titel ist oftmals lang und beschwerlich.<br />

Aber eigentlich ist es nicht der Titel, den der Mandant erstrebt<br />

hat, sondern ihm geht es um die Erfüllung eines Anspruchs,<br />

die Begleichung einer Schuld im weiteren Sinne.<br />

Leistet der Schuldner angesichts des Tenors „im Namen des<br />

Volkes“ nicht von selbst und freiwillig, so bedarf es bei der<br />

Durchsetzung des titulierten Anspruchs wiederum der Inanspruchnahme<br />

staatlicher Hilfe. Das System der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen<br />

ist komplex und birgt aus anwaltlicher<br />

Sicht manche Fehlerquelle. Dies soll uns aber an<br />

dieser Stelle nicht näher beschäftigen. Denn für den Anwalt<br />

– und natürlich für den Mandanten – stellt sich zuvor<br />

zwangsläufig die Frage nach dem Ob und Wann der Vollstreckung.<br />

Kann zunächst nur ein vorläufig vollstreckbarer<br />

Titel erlangt werden, so sind hinsichtlich dessen Durchsetzung<br />

diverse Formalien zu beachten. Der Schuldner-Anwalt<br />

ist ebenfalls gefordert, stehen doch seinem Mandanten bestimmte<br />

(Abwehr)-Rechte zu. Dieses Wechselspiel der Instrumentarien<br />

soll im Folgenden näher beleuchtet werden.<br />

2. Das gesetzliche System der endgültigen und der vorläufigen<br />

Vollstreckbarkeit<br />

Die Vollstreckung erfordert immer einen Titel. Dies<br />

können Endurteile sein, § 704 ZPO oder andere Titel, die<br />

in § 794 Abs. 2 ZPO aufgelistet sind. In der Praxis relevant<br />

sind hiervon insbesondere<br />

9 der Vergleich (Ziff. 1),<br />

9 der Kostenfestsetzungsbeschluss (Ziff. 2),<br />

9 der Vollstreckungsbescheid (Ziff. 4) und<br />

9 die vollstreckbare Urkunde (Ziff. 5).<br />

Endgültig vollstreckbar sind alle diejenigen Titel, die<br />

grundsätzlich nicht mehr abgeändert werden können, die<br />

also im weiteren Sinne rechtskräftig sind. Da hier im normalen<br />

Verlauf der Dinge eben keine Abänderung des Titels<br />

mehr zu befürchten steht, besteht auch kein Grund, dem<br />

Gläubiger etwa nur eine vorläufige Vollstreckung zu erlauben,<br />

um den Schuldner vor Nachteilen zu schützen. Titel<br />

dagegen, die noch keinen endgültig sicheren Bestand haben,<br />

können nur für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.<br />

Dies entspricht einer Abwägung der Interessen von Gläubiger<br />

und Schuldner. Der Gläubiger soll nicht übermäßig bevorzugt<br />

werden, der Schuldner nicht unnötig benachteiligt,<br />

indem vollendete Tatsachen geschaffen werden.<br />

Beide, sowohl Schuldner als auch Gläubiger, brauchen, sofern<br />

sie anwaltlich vertreten sind, auch zur Vollstreckungsthematik<br />

anwaltliche Beratung. Diese sollte möglichst frühzeitig<br />

erfolgen, also nicht erst dann, wenn das Urteil zugestellt ist,<br />

sondern möglichst schon, wenn sich die Notwendigkeit eines<br />

Verfahrens an sich abzeichnet. Schließlich braucht der Mandant<br />

zumindest potentiell die Möglichkeit, sich auf das Kom-<br />

AnwBl 4/2004<br />

mende einzustellen. Er muss<br />

wissen, dass bis zur endgültigen<br />

Durchsetzung seines Anspruchs<br />

im schlimmsten Fall<br />

viele Jahre vergehen können,<br />

er muss auch wissen, dass er<br />

unter Umständen zumindest<br />

vorübergehend eine Sicherheitsleistung<br />

wird erbringen<br />

müssen. Gerade der Zeitfaktor<br />

spielt bei vielen Überlegungen<br />

eine entscheidende<br />

Rolle. Hat etwa der Gläubiger<br />

seinem Anwalt einen<br />

Auftrag zur Durchführung<br />

der Zwangsvollstreckung aus � Jacqueline Bräuer<br />

einem vorläufig vollstreckbaren<br />

Urteil erteilt, führt der<br />

Anwalt diesen Auftrag aber<br />

nicht zeitnah aus und ist später beim Schuldner nichts mehr<br />

zu erlangen, so macht sich der Anwalt schadenersatzpflichtig,<br />

wenn die zeitnahe weisungsgemäße Vollstreckung erfolgreich<br />

gewesen wäre (OLG Köln NJW-RR 86, 222).<br />

3. Die gesetzliche Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit<br />

a) Vorläufige Vollstreckbarkeit entweder ohne oder gegen<br />

Sicherheitsleistung<br />

Als lediglich vorläufig vollstreckbare Titel kommen nur<br />

Endurteile in Betracht, §§ 704 Abs. 1, 300 ZPO. Die ZPO<br />

unterscheidet solche Endurteile, die grundsätzlich von<br />

Amts wegen ohne Sicherheitsleistung für vollstreckbar zu<br />

erklären sind, § 708 ZPO, und solche, die grundsätzlich<br />

von Amts wegen nur gegen Sicherheitsleistung für vollstreckbar<br />

zu erklären sind, § 709 ZPO. § 708 ZPO enthält<br />

eine abschließende Aufzählung der in Betracht kommenden<br />

Endurteile, § 709 ZPO betrifft alle Fälle von Endurteilen,<br />

die in § 708 ZPO nicht genannt sind. Hinzu kommt, dass<br />

Urteile der Arbeitsgerichte bereits mit ihrer Verkündung<br />

ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar sind, und zwar von<br />

Gesetzes wegen, ohne Vollstreckungsausspruch im Tenor,<br />

§ 62 Abs. 1 S. 1 ArbGG. Für den Gläubiger, der das ihm<br />

günstige Urteil nun zumindest einmal vorläufig vollstrecken<br />

möchte, macht es natürlich einen erheblichen Unterschied,<br />

ob er zuvor noch eine Sicherheit stellen muss oder<br />

nicht, verständlicherweise vor allem bei größeren Beträgen.<br />

Die geleistete Sicherheit dient jedoch den Interessen des<br />

Schuldners genau für den Fall, dass der vorläufig vollstreckbare<br />

Titel abgeändert/aufgehoben wird, also als Vollstreckungsgrundlage<br />

entfällt. Hier stünde sonst der Schuldner,<br />

der die Vollstreckung über sich ergehen lassen musste,<br />

hinterher mit leeren Händen da, wenn er das Vollstreckte<br />

vom Gläubiger nicht zurückerlangen kann.<br />

b) Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung<br />

Die in der Praxis wichtigsten Fälle des § 708 ZPO dürften<br />

sein<br />

9 das Anerkenntnisurteil (Ziff. 1),<br />

9 das Versäumnisurteil (Ziff. 2),<br />

9 das Urteil im Urkundenprozess (Ziff. 4),

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