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(193-256) (2,0 MB) - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein

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MN<br />

Nach Kapitel I „Allgemeine Bestimmungen“ enthält Kapitel<br />

II „Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer“<br />

mehrere Artikel zur Vereinfachung der Verfahren,<br />

über etwa erforderliche Genehmigungen und darüber, welche<br />

Anforderungen im Niederlassungsstaat aufgestellt und<br />

überprüft werden dürfen und welche nicht. Art. 15 enthält<br />

eine Liste von Beschränkungen, die von den Mitgliedsstaaten<br />

gegenüber der Kommission innerhalb von zwei Jahren<br />

nach Inkrafttreten der Richtlinie gerechtfertigt werden<br />

müssen, darunter Mindest-bzw. Höchstgrenzen in Gebührenordnungen.<br />

Kapitel III „Freier Dienstleistungsverkehr“ sieht in Art.<br />

16 für die grenzüberschreitende Dienstleistungstätigkeit mit<br />

Blick auf das Berufsrecht das Herkunftslandprinzip (Recht<br />

des Dienstleistungserbringers) vor. Davon macht jedoch<br />

Art. 17 für die Anwaltschaft eine Ausnahme, weil sich<br />

diese noch nicht schlüssig geworden ist, ob sie es bei der<br />

Parallelanwendung des Berufsrechts von Herkunftsland und<br />

Zielland, wie in der Dienstleistungsrichtlinie für Rechtsanwälte<br />

vorgesehen, belassen oder, wie in der E-Commerce-Richtlinie<br />

bereits geschehen und von mir, wie erwähnt,<br />

vorgeschlagen, auf das Herkunftslandprinzip<br />

umschwenken will.<br />

Liberalisierung auch ein Ziel des<br />

Binnenmarkts<br />

Besonders wichtig ist Kapitel IV „Qualität der Dienstleistungen“,<br />

das für die grenzüberschreitende und die niedergelassene<br />

Tätigkeit gleichermaßen gilt. Artikel 26 stellt<br />

sicher, dass dem Dienstleistungsempfänger bestimmte Informationen<br />

über den Dienstleistungserbringer zur Verfügung<br />

stehen. Auf Anfrage muss der dienstleistende Rechtsanwalt<br />

folgende Zusatzinformationen mitteilen: die<br />

Hauptmerkmale der Dienstleistung, den Preis oder, wenn<br />

kein genauer Preis angegeben werden kann, die überprüfbare<br />

Vorgehensweise zur Preisberechnung oder einen hinreichend<br />

ausführlichen Kostenvoranschlag, den Rechtsstatus<br />

und die Rechtsform der dienstleistenden Kanzlei und<br />

die Angabe, welche berufsrechtlichen Regeln im Herkunftsmitgliedsstaat<br />

für die Kanzlei gelten und wie diese<br />

zugänglich sind.<br />

Nach Art. 29 sind die in einigen Ländern für reglementierte<br />

Berufe noch bestehenden „Totalverbote der kommerziellen<br />

Kommunikation“ (d. h. insbesondere Werbeverbote)<br />

aufzuheben. Beschränkungen sind nur durch Standesregeln<br />

zulässig, die insbesondere die Unabhängigkeit, die Würde<br />

und die Integrität des Berufsstandes sowie die Wahrung des<br />

Berufsgeheimnisses des jeweiligen Berufes gewährleisten<br />

und mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind.<br />

Noch bemerkenswerter ist Art. 30. Zunächst wird den<br />

Mitgliedsstaaten vorgegeben, dass multidisziplinäre Tätigkeiten<br />

grundsätzlich zulässig sind. Sodann wird aber ausdrücklich<br />

anerkannt, dass Angehörige reglementierter Berufe<br />

(z. B. Rechtsanwälte einerseits und Wirtschaftsprüfer<br />

andererseits) Beschränkungen unterworfen werden können,<br />

die zur Einhaltung der verschiedenen Standesregeln im<br />

Hinblick auf die Besonderheiten der jeweiligen Berufe erforderlich<br />

sind. Wenn multidisziplinäre Tätigkeiten erlaubt<br />

sind, müssen die Mitgliedsstaaten dafür Sorge tragen, dass<br />

Interessenkonflikte und Unvereinbarkeiten zwischen bestimmten<br />

Tätigkeiten vermieden werden, dass die Unabhängigkeit<br />

und die Unparteilichkeit, die bestimmte Tätigkeiten<br />

AnwBl 4/2004<br />

erfordern, gewährleistet sind und dass die Anforderungen<br />

der Standesregeln für die verschiedenen Tätigkeiten miteinander<br />

vergleichbar sind, insbesondere im Hinblick auf<br />

das Berufsgeheimnis.<br />

Nach Art. 31 sollen die Mitgliedsstaaten zusammen mit<br />

der Kommission Maßnahmen ergreifen, um die Dienstleistungserbringer<br />

zu ermutigen, freiwillig Maßnahmen zur Sicherung<br />

der Qualität der Dienstleistungen zu ergreifen, insbesondere<br />

durch Zertifizierung und Evaluierung oder durch<br />

die Einführung von Qualitätssicherungssystemen und Gütesiegeln<br />

der Berufsorganisationen. Dabei ist die Entwicklung<br />

von freiwilligen europäischen Standards angestrebt.<br />

Als geradezu sensationell empfinde ich Kapitel VI<br />

„Konvergenzprogramm“. Nach Art. 39 haben die Mitgliedsstaaten<br />

die Ausarbeitung gemeinschaftsrechtskonformer<br />

Verhaltenkodices auf Gemeinschaftsebene zur Regelung<br />

insbesondere folgender Fragen zu fördern:<br />

9 Inhalt und Modalitäten kommerzieller Kommunikation<br />

(d. h. insbesondere Werbung) von Angehörigen der reglementierten<br />

Berufe und Berücksichtigung der Besonderheiten<br />

des jeweiligen Berufs, womit an Art. 29 angeknüpft<br />

wird, und<br />

9 die Standesregeln der reglementierten Berufe, die unter<br />

Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Berufs<br />

vor allem die Unabhängigkeit, die Unparteilichkeit<br />

und die Wahrung des Berufsgeheimnisses gewährleisten<br />

sollen.<br />

Die Mitgliedsstaaten müssen die nationalen Berufsorganisationen<br />

ermutigen, die in dieser Weise auf Gemeinschaftsebene<br />

verabschiedeten Verhaltenskodices auf nationaler<br />

Ebene anzuwenden. Aus den Gesprächen mit der<br />

Kommission ist bekannt, dass Vorbild für diesen Vorschlag<br />

der CCBE Code of Conduct gewesen ist. Dessen Geltungsbereich<br />

ist bisher, wie ich ausgeführt habe, auf die grenzüberschreitende<br />

Anwaltstätigkeit beschränkt. Nach Art. 39<br />

ist dieser Regelungsbereich auf die rein nationale Anwaltstätigkeit<br />

auszudehnen.<br />

III. Vergleicht man die wettbewerbsrechtliche Sicht und die<br />

Sicht des Binnenmarktes, so ergeben sich manche Gemeinsamkeiten,<br />

aber auch Unterschiede. Monti wie Bolkestein<br />

verlangen, dass Gebührenordnungen gerechtfertigt und totale<br />

Werbeverbote aufgehoben werden müssen. Aufzuheben<br />

sind auch per se-Verbote multidisziplinärer Zusammenschlüsse.<br />

Monti und Bolkestein im Vergleich<br />

Thema<br />

Anders als Bolkestein sieht Monti qualitative und quantitative<br />

Zugangsbeschränkungen und Vorbehaltsaufgaben<br />

(Monopole) als kritisch an. Hier besteht für die deutsche<br />

Anwaltschaft Handlungsbedarf. Monti hat mehrfach erklärt,<br />

das Qualitätsargument für Zugangsschranken zum Beruf sei<br />

wenig glaubwürdig, wenn der betreffende Beruf für die anschließende<br />

Aufrechterhaltung der Qualität keine Sorge<br />

trage. Aus Kreisen der GD Wettbewerb war hierzu zu<br />

hören, wenn die Berufsorganisationen Schwierigkeiten haben<br />

sollten, die Fortbildungspflicht einzuführen oder effektiv<br />

durchzusetzen, dann spreche dies nicht gegen die Fortbildungspflicht,<br />

sondern gegen die Berufsorganisationen<br />

(und für die Übertragung dieser Aufgaben auf den Staat)<br />

oder gegen das Qualitätsargument beim Zugang zum Beruf.<br />

Wesentliche Unterschiede bestehen in systematischer<br />

Hinsicht. Bolkestein will mit seinem Richtlinienvorschlag

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