(193-256) (2,0 MB) - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein
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Im Auftrag des<br />
Deutschen <strong>Anwaltverein</strong>s<br />
herausgegeben von den<br />
Rechtsanwälten:<br />
Felix Busse<br />
Dr. Michael Kleine-Cosack<br />
Wolfgang Schwackenberg<br />
Die staatliche<br />
Inanspruchnahme des<br />
Rechtsanwalts durch das<br />
neue Geldwäschegesetz *<br />
Rechtsanwältin und Privat-Dozentin Dr. Petra Wittig,<br />
München<br />
Der Beitrag informiert über das neue Geldwäschegesetz,<br />
das den Rechtsanwälten weit gehende und bisher<br />
nicht gekannte Pflichten zur Identifizierung und zur geheimen<br />
Anzeige auferlegt. Gleichzeitig wird die Sanktionierung<br />
von Verstößen als Ordnungswidrigkeiten und als<br />
Straftaten dargestellt. Der Rechtsanwalt wird zwangsweise<br />
zum Informanten und verdeckten Ermittler des Staates.<br />
Jenseits aller rechtspolitisch sinnvollen Kritik an diesem<br />
Zustand versucht dieser Aufsatz die Vereinbarkeit dieser<br />
Regelungen mit dem Grundgesetz, die oft ohne nähere Begründung<br />
bestritten wird, zu beleuchten.<br />
I. Einleitung<br />
Q<br />
Redaktion:<br />
Dr. Nicolas Lührig (Leitung)<br />
Dr. Peter Hamacher<br />
Udo Henke<br />
Rechtsanwälte<br />
Jahrgang 54<br />
April 2004<br />
Spätestens seit der Novellierung des Geldwäschegesetzes<br />
(GwG) 2002 betrifft das Thema Geldwäsche nicht nur<br />
mehr im Umfeld der Organisierten Kriminalität tätige<br />
Strafverteidiger. Von vielen Rechtsanwälten unbemerkt<br />
nimmt das am 15.8.2002 in Kraft getretene GwG durch die<br />
Normierung von Identifizierungs-, Aufzeichnungs- und geheimzuhaltenden<br />
Anzeigepflichten bei bestimmten Kataloggeschäften<br />
unter Sanktionsdrohung den gesamten Berufsstand<br />
in die Pflicht 1 . Der Rechtsanwalt wird dadurch –<br />
zugespitzt formuliert – kraft Gesetzes zum Informanten<br />
und verdeckten Ermittler des Staates 2 .<br />
Die rechtliche Zulässigkeit der staatlichen Inanspruchnahme<br />
des Rechtsanwalts zum Zwecke der effektiven Bekämpfung<br />
der Geldwäsche durch das GwG ist Thema dieses<br />
Beitrags. Damit soll zugleich die massive Kritik, vor<br />
allem der Standesvereinigungen, an der Neuregelung einer<br />
rechtlichen Überprüfung unterzogen werden. Kritiker sehen<br />
den Anwalt in verfassungsrechtlich nicht hinnehmbarer<br />
Weise zum Spitzel gegen seine Mandanten degradiert 3 .Der<br />
Präsident der RAK Köln spricht gar von einer „Perversion<br />
des anwaltlichen Berufsbildes“ 4 . Dabei möchte ich mich an<br />
dieser Stelle wegen der Vielzahl der mit der Inanspruchnahme<br />
des Rechtsanwaltes zu Zwecken der Strafverfolgung<br />
verbundenen rechtlichen Probleme und deren Komplexität<br />
auf einen Problemabriss beschränken.<br />
II. Gesetzgebungsgeschichte<br />
1. Die völker- und gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen 5<br />
Zu Recht wird Geldwäsche als ein zu bekämpfendes<br />
grenzüberschreitendes Phänomen angesehen, das koordinierte<br />
internationale Gegenmaßnahmen erfordert.<br />
Erstmals wurde durch die Wiener Drogenkonvention<br />
der Vereinten Nationen vom 20.12.1988 6 die strafrechtliche<br />
Bekämpfung der Geldwäsche auf internationaler Ebene kodifiziert.<br />
Schutzzweck war die Bekämpfung der weltweit<br />
organisierten Drogenkriminalität. Neben der Wiener Drogenkonvention<br />
hatte vor allem das Straßburger Übereinkommen<br />
des Europarates 7 Einfluss auf die Kodifizierung auf eu-<br />
* Erweiterte und überarbeitete Fassung des von der Verfasserin am 9.7.2003 vor<br />
der Juristischen Fakultät der Universität Passau gehaltenen Habilitationsvortrages.<br />
1 Vgl. dazu Busch/Teichmann, Das neue Geldwäscherecht, Baden-Baden 2003;<br />
Große-Wilde, MDR 2002, 1288; v. Galen, NJW 2003, 117.<br />
2 Hübsch und zugleich aussagekräftig ist auch die Formulierung „Eidgenössisch<br />
konzessionierter Sherlock Holmes“ im Zusammenhang mit dem Schweizer<br />
Geldwäscherecht, vgl. den Beitrag von H. Dietzi, Der Bankangestellte als eidgenössisch<br />
konzessionierter Sherlock Holmes? Der Kampf gegen die Geldwäscherei<br />
aus der Optik des Ersten Rechtskonsulenten einer Grossbank, in Pieth<br />
(Hrsg.), Bekämpfung der Geldwäscherei. Modellfall Schweiz? Basel u. a. 1992,<br />
S. 62 ff.<br />
3 Vgl. z. B. Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen zu dem Entwurf eines<br />
Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und der Bekämpfung<br />
der Finanzierung des Terrorismus (Geldwäschebekämpfungsgesetz),<br />
Bundestagsdrucksache 14/8739 vom 23.5.2002. Ähnlich die Pressemitteilung<br />
der Bundesrechtsanwaltskammer vom 4.12.2000 allerdings schon zur erweiterten<br />
EU-Geldwäscherichtlinie: „Damit wird der Anwalt vom Staat verpflichtet,<br />
als Spitzel gegen seine Mandanten tätig zu sein. Nicht einmal totalitäre Diktaturen<br />
haben dies von ihren Anwälten verlangt.“<br />
4 Inhaltlich zustimmend zitiert bei v. Galen, NJW 2003, 117.<br />
5 Ein Überblick zu den einschlägigen Rechtsakten auf internationaler und EU-<br />
Ebene findet sich Busch/Teichmann (Fn. 2), S. 15 ff. Umfassend zu der Geldwäschebekämpfung<br />
auf EU-Ebene Gentzik, Die Europäisierung des deutschen und<br />
englischen Geldwäschestrafrechts, Berlin 2002.<br />
6 Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20.12.1988 gegen den unerlaubten<br />
Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (Gesetz zu dem Übereinkommen<br />
der Vereinten Nationen vom 20.12.1988 gegen den unerlaubten Verkehr<br />
mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen (Vertragsgesetz Suchtstoffübereinkommen<br />
1988) vom 22.7.1993, BGBl. II 1993, S. 1136).<br />
7 Übereinkommen über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung<br />
von Erträgen aus Straftaten vom 8.11.1990 (Gesetz zu dem Übereinkommen<br />
vom 8.11.1990 über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme<br />
und Einziehung von Erträgen aus Straftaten vom 8.4.1998 (BGBl. II 1998,<br />
S. 519).