(193-256) (2,0 MB) - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein
(193-256) (2,0 MB) - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein
(193-256) (2,0 MB) - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
210<br />
MN<br />
Letztlich ist dies auch der Grund fçr die geplante Novellierung<br />
der Handwerksordnung. Nach der Begrçndung 14<br />
wird der so genannte Meistervorbehalt nur noch fçr die<br />
Handwerke aufgestellt, die im Hinblick auf Leben und Gesundheit<br />
gefahrgeneigt sind. Qualitåt, so heiût es in der Begrçndung<br />
weiter, regele sich çber den Markt. Hierauf vertraut<br />
man etwa auch im Bereich der Anlageberater und der<br />
Versicherungsmakler.<br />
b) Folgeprobleme eines Verbotes<br />
Weitere Nachteile des Verbotsmodells treten hinzu: Jedes<br />
Verbot muss durchgesetzt werden. Sofern in der<br />
Bevælkerung ein entsprechendes Unrechtsbewusstsein besteht,<br />
das Verbot also gångigen Wertungen der Gesellschaft<br />
entspricht, ist dies meist weniger aufwåndig. Die Verbote,<br />
die das Rechtsberatungsgesetz enthålt, werden nicht von einer<br />
solchen allgemeinen Ûberzeugung getragen. Auch die<br />
Befçrworter mahnen neue Ausnahmen von dem Grundtatbestand<br />
des Verbotes an 15 . Diese Ausnahmen sind genauso<br />
wie die bereits bestehenden einzelfallbezogen und ohne<br />
Systematik, was zu immer neuen Abgrenzungsschwierigkeiten<br />
fçhrt. Dem entspricht, dass trotz 70-jåhriger Gçltigkeit<br />
des Gesetzes immer noch Sachverhaltsgestaltungen aufgespçrt<br />
werden, die nach Ansicht des BGH jahrzehntelange<br />
Verstæûe gegen das Rechtsberatungsgesetz offenbaren 16 .<br />
c) Entwicklungen in Europa<br />
Ein weiterer Nachteil des Verbotsmodells tritt hinzu:<br />
Der Rechtsberatungsmarkt wird sich europaweit æffnen.<br />
Manche Interpretationen des RBerG (wie etwa das Verbot<br />
der Testamentsvollstreckung fçr auslåndische Kreditinstitute)<br />
werden sogar schon jetzt als unzulåssige Beschrånkung<br />
des Dienstleistungsverkehrs und damit als nicht europarechtskonform<br />
angesehen 17 . Es liegt daher nahe, eine<br />
Regelung zu suchen, die zum einen sicher EU-rechtskonform<br />
ist und zum anderen vielleicht sogar als Vorbild fçr<br />
eine gesamteuropåische Vorschrift dienen kann. Es bestehen<br />
in Europa zwar die unterschiedlichsten Formen der Reglementierung<br />
des Rechtberatungsmarktes und Deutschland<br />
steht mit seiner relativ strikten Marktzutrittsschranke auch<br />
keineswegs allein 18 . Eine von der Generaldirektion Wettbewerb<br />
der Europåischen Kommission in Auftrag gegebene<br />
Studie vom Januar diesen Jahres hat allerdings ergeben,<br />
dass Deutschland im Bereich des Zutritts zum Rechtsberatungsmarkt,<br />
was die Intensitåt der Regelungen betrifft, im<br />
Spitzenfeld (hinter Ústerreich, Frankreich und Luxemburg<br />
auf Platz 4) liegt 19 . Auch wenn die Aussagekraft dieser Studie<br />
mit guten Grçnden angezweifelt worden ist 20 , so kann<br />
doch nicht in Abrede gestellt werden, dass sie zumindest<br />
Indizien fçr eine Ûberreglementierung enthålt 21 . Das gibt<br />
zu denken, zumal nicht bekannt ist, dass in den anderen<br />
Låndern der Europåischen Union die Qualitåt der Rechtsberatung<br />
zu wçnschen çbrig lieûe 22 . Die Studie empfiehlt<br />
daher auch keineswegs den Ausbau, sondern den Abbau<br />
von Marktzutrittschancen 23 .<br />
2. Vor- und Nachteile des Informationsmodells<br />
Die Nachteile des Verbotsmodells sind zugleich die Vorteile<br />
des Informationsmodells: Je mehr Anbieter am Markt<br />
zugelassen werden, desto breiter wird die Angebotspalette.<br />
Der Verbraucher kann selber entscheiden, welches Gut er<br />
wåhlt. Fçr die Rechtsschutzversicherer hieûe dies etwa: Entweder<br />
hat der Nachfrager das Recht, einen Rechtsanwalt<br />
frei zu wåhlen, muss dann aber auch eine hæhere Pråmie be-<br />
AnwBl 4/2004<br />
Aufsåtze<br />
zahlen, oder er beauftragt den Hausjuristen des Versicherers<br />
und spart an der Pråmie. Dies wçrde in etwa dem sogen.<br />
¹Hausarztmodellª der Krankenkassen åhneln, das niemand<br />
als anstæûig empfindet und das daher eigentlich auch fçr<br />
den Beratungsmarkt tragbar sein mçsste 24 .<br />
Das Informationsmodell wçrde es auch ermæglichen, die<br />
mit dem Rechtsberatungsgesetz zwangslåufig verbundene<br />
Rechtsunsicherheit einzudåmmen. Unsystematische Ausnahmen<br />
wåren obsolet. Auch hierzu ein Beispiel: Vielfach<br />
wird gefordert, dass die kostenlose Erteilung von Rechtsrat<br />
uneingeschrånkt zulåssig sein sollte 25 . Demgegençber ist<br />
mit guten Grçnden darauf hingewiesen worden, dass auch<br />
diese Personen schutzwçrdig sind 26 . Allerdings hat Qualitåt<br />
ihren Preis. In das Informationsmodell låsst sich die Zulåssigkeit<br />
kostenloser Rechtsberatung daher problemlos integrieren:<br />
Denn natçrlich muss auch derjenige, der ohne Gegenleistung<br />
beråt, auf die Art seiner Beratung hinweisen.<br />
Zugleich erçbrigt sich die mit der Schaffung einer Ausnahme<br />
fçr kostenlosen Rechtsrat stets verbundene Frage,<br />
wann dieser Rat kostenlos erteilt wird und wann nicht doch<br />
vielleicht mittelbare Vorteile erwartet und gewåhrt werden.<br />
Das heiût nicht, dass die Beratungshilfe eingeschrånkt oder<br />
gar auf nicht anwaltliche Rechtsberater çbertragen werden<br />
sollte. Denn auch Personen, die die Beratungskosten nicht<br />
selber tragen kænnen, sollen Zugang zu qualifiziertem Rat<br />
erhalten. Aber wer die Beratung selber bezahlt, sollte zwischen<br />
verschiedenen Marktsegmenten wåhlen kænnen.<br />
Auf die Vorteile mit Blick auf Europa wurde schon hingewiesen:<br />
Das Informationsmodell entspricht gångiger Gestaltungspraxis<br />
der Europåischen Union und kann daher als<br />
Modell fçr ein Gemeinschaftsrecht auch in diesem Bereich<br />
dienen.<br />
Das Informationsmodell ist allerdings auch nicht ohne<br />
Nachteile: So wurde bereits darauf hingewiesen, dass von<br />
der Beratung betroffene Dritte, insbesondere Behærden und<br />
Gerichte, mit Informationen nicht geschçtzt werden. Auch<br />
bleibt zu prçfen, wie sich eine Beseitigung der Zugangsschranken<br />
zum Rechtsberatungsmarkt auf die wirtschaftliche<br />
Situation der Anwaltschaft auswirken wçrde. Niemandem<br />
wåre mit einer Proletarisierung der Rechtsanwaltschaft<br />
14 Begrçndung zum Entwurf eines dritten Gesetztes zur Ønderung der Handwerksordnung<br />
und anderer gewerberechtlicher Vorschriften.<br />
15 Etwa Henssler AnwBl. 2001, 525, 529: Ehrenamtliche Beratungståtigkeit; åhnlich<br />
Zuck BRAK-Mitt. 2001, 105, 108; Henssler NJW 2003, 241, 248: Diplompsychologen<br />
und Sozialpådagogen fçr Familienmediation; Zuck BRAK-Mitt.<br />
2001, 105, 109 f. fçr Rechtsberatung in den Medien durch Rechtsanwålte.<br />
16 Siehe etwa zu Treuhandmodellen BGH NJW 2003, 1594, BGH NJW 2003,<br />
2088 kritisch dazu Kleine-Cosack BB 2003, 1737; zur Zusammenarbeit von Inkassobçros<br />
und Mietwagenunternehmen bei Schadensregulierungen BGH ZIP<br />
2003, 1608.<br />
17 Lange, ZEuP 2003, 51.<br />
18 Dazu etwa Dombeck AnwBl. 2001, 98, 100; Henssler AnwBl. 2001, 525, 530.<br />
19 Siehe Seite 50 der Studie des Instituts fçr hæhere Studien, Wien, Iain Paterson,<br />
Marcel Fink, Anthony Ogust.<br />
20 Siehe Henssler/Kilian in einem von DAV und BRAK veranlassten Positionspapier<br />
zu dieser Studie.<br />
21 Die Kritik von Henssler/Kilian (s. o. Fn. 20) bezieht sich in erster Linie auf die<br />
Bewertung Deutschlands im Zusammenhang mit der Reglementierung des Zugangs<br />
zur Anwaltschaft (hier ist Deutschland in der Tat liberal). Im vorliegenden<br />
Zusammenhang geht es aber um den Zugang zum Beratungsmarkt.<br />
22 Siehe den Hinweis von Kleine-Cosack NJW 2000, 1593, 1597; in Bezug auf<br />
die Liberalisierung der Handwerksordnung wird dieses Argument auch in der<br />
Begrçndung (s. o. Fn. 14) angefçhrt.<br />
23 AaO (s. o. Fn. 19) S. 127 ff.<br />
24 Kritisch in Bezug auf ein Verbot der Rechtsberatung durch Versicherer auch<br />
Kleine-Cosak NJW 2003, 3003, 3012.<br />
25 Henssler AnwBl. 2001, 525, 530; Lehmann NJ 2000, 337.<br />
26 Scharf BRAK-Mitt. 2001, 98.