(193-256) (2,0 MB) - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein
(193-256) (2,0 MB) - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein
(193-256) (2,0 MB) - Anwaltsblatt - Deutscher Anwaltverein
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
242<br />
MN<br />
folgshonorar) führen hingegen nicht zur Gewerbsmäßigkeit11<br />
;<br />
9 Beschäftigung einer Vielzahl von angestellten Anwälten,<br />
sodass der Berufsträger nicht mehr leitend und eigenverantwortlich<br />
tätig ist12 . Beispiel: Rechtsanwalt A hat in<br />
seiner Einzelpraxis zehn angestellte Rechtsanwälte und<br />
fünf Referendare beschäftigt, die weitestgehend selbstständig<br />
arbeiten. A beschränkt sich auf die Akquise und<br />
die Betreuung einiger weniger Großmandate;<br />
9 die rein kapitalmäßige Beteiligung an einer Sozietät13 .<br />
Beispiel: wie eben, nur ist A auch noch an anderen Sozietäten<br />
beteiligt. Ist er dort nicht zumindest teilweise aktiv<br />
tätig, erzielen auch diese Gesellschaften gewerbliche<br />
Einkünfte. Die Gewerblichkeit droht u. E. nicht, wenn A<br />
seine Tätigkeit auf interne Geschäftsführungsmaßnahmen<br />
beschränkt;<br />
9 Beteiligung eines Berufsfremden an einer Sozietät14 ; die<br />
interprofessionelle Zusammenarbeit von Freiberuflern ist<br />
gewerbesteuerrechtlich unschädlich, selbst wenn sie standeswidrig<br />
ist15 ;<br />
9 die letzte richterliche Ausweitung der Gewerblichkeit bei<br />
Rechtsanwälten betrifft deren Tätigkeit als Insolvenzverwalter.<br />
Der BFH hat in seiner Entscheidung vom<br />
12.12.200116 die gesamte Tätigkeit einer Rechtsanwalts-<br />
GbR, die überwiegend Gesamtvollstreckung betrieben<br />
hat, der Gewerbesteuer unterworfen17 .<br />
Aufgrund dieser Entscheidung und der vom BFH verwendeten<br />
Argumentation wird zum Teil befürchtet, dass<br />
sich die Gewerblichkeit auf weitere Tätigkeitsbereiche der<br />
Rechtsanwälte ausdehnt. Ernst zu nehmen sind diese Überlegungen<br />
in allen Fällen, in denen der Rechtsanwalt vermögensverwaltend<br />
tätig wird (z. B. als Testamentsvollstrecker,<br />
Treuhänder, Vormund, Pfleger). Bindet der Rechtsanwalt<br />
hierbei mehr als einen qualifizierten Mitarbeiter ein, besteht<br />
ein hohes Risiko der Gewerblichkeit.<br />
Gefährdet sollen auch die Bereiche sein, die nicht mehr<br />
dem Rechtsanwalt vorbehalten sind (z. B. M & A, Strafverteidigung,<br />
Vertretung vor dem Arbeitsgericht, Schiedsverfahren)<br />
18 . Die Finanzverwaltung will diesen Teilbereich bisher<br />
zu Recht nicht aufgreifen, da es sich hierbei trotz der<br />
teilweisen Öffnung für Dritte um typische – freiberufliche<br />
– Anwaltstätigkeiten handelt.<br />
Häufig stellt sich die Frage, wie es sich auswirkt, wenn<br />
man gelegentlich gewerbesteuerschädliche Tätigkeiten<br />
ausübt (sog. gemischte Tätigkeit). Bei einer Einzelpraxis<br />
lässt sich der Schaden leicht begrenzen, da freiberufliche<br />
und gewerbliche Einkünfte getrennt ermittelt und besteuert<br />
werden19 . So infiziert z. B die gelegentliche Vermittlung<br />
von Vermögensanlagen i. d. R. nicht die sonstigen Einkünfte<br />
aus der Rechtsanwaltspraxis.<br />
Sehr viel gefährlicher ist die teilweise gewerbliche Tätigkeit<br />
innerhalb der Sozietät. Ist einer der Partner auch nur<br />
teilweise gewerblich tätig, wird die gesamte Tätigkeit der<br />
Gesellschaft gewerblich (sog. Abfärbewirkung nach § 15<br />
Abs. 3 Nr. 1 EStG). Eine Trennung wie bei der Einzelpraxis<br />
ist nicht möglich. Allein bei äußerst geringfügiger gewerblicher<br />
Tätigkeit sieht der BFH von der Abfärbung ab20 . Beispiel:<br />
In einer Sozietät mit 15 Partnern ist ein Partner<br />
schwerpunktmäßig als Insolvenzverwalter tätig. Hierbei<br />
setzt er fünf qualifizierte Angestellte ein. Sein Anteil am<br />
Gesamtumsatz beträgt 10 %. Nach Ansicht des BFH wären<br />
die gesamten Einkünfte der Gesellschaft gewerblich, auch<br />
AnwBl 4/2004<br />
Mitteilungen<br />
wenn die anderen Partner sich auf die klassische Anwaltstätigkeit<br />
beschränken.<br />
Rechtsfolge: Gewerbesteuerpflicht<br />
Primäre Rechtsfolge der Gewerblichkeit ist die Gewerbesteuerpflicht<br />
der Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 2 GewStG<br />
i. V. m. § 15 EStG. Der Gewerbesteuermessbescheid wird<br />
vom Finanzamt erlassen (§§ 14 ff. GewStG). Die Gemeinde<br />
setzt auf Grund ihrer individuellen Hebesatzautonomie die<br />
Gewerbesteuer fest (§§ 16 ff. GewStG). Die Gewerbesteuer<br />
ist abzugsfähige Betriebsausgabe.<br />
Für Veranlagungsjahre ab 2001 ist eine weitere Entlastung<br />
eingetreten. Als Neuerung der am 1.1.2001 wirksam<br />
gewordenen Unternehmenssteuerreform sieht § 35 Abs. 1<br />
EStG eine pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer<br />
auf die Einkommensteuer vor. Abhängig vom jeweiligen<br />
Hebesatz der Gemeinde und unter der Voraussetzung, dass<br />
ein entsprechendes Einkommensteuerpotenzial zur Verfügung<br />
steht, kann eine Neutralisierung der Gewerbesteuerlast<br />
erfolgen. Eine Neutralisierung tritt bei einem Hebesatz<br />
von 360 von Hundert und einem Höchststeuersatz von<br />
48,5 % annähernd ein. Bei einem Steuersatz von 42 % ist<br />
die Gewerbesteuer bei einem Hebesatz von 310,5 % neutralisiert.<br />
Bei höheren Hebesätzen verbleibt eine effektive<br />
Steuerbelastung. Bei niedrigeren Gewerbesteuerhebesätzen<br />
führt die Anrechnung zu einer Überkompensierung und damit<br />
zu einem steuerlich positiven Effekt.<br />
Allerdings birgt die Anrechnung gem. § 35 EStG auch<br />
Probleme. Die Gewerbesteuer ist i. d. R. quartalsweise im<br />
Voraus zu entrichten. Die Anrechnung nach § 35 EStG<br />
erfolgt zeitlich versetzt erst bei der späteren Einkommensteuerveranlagung.<br />
Hier entstehen Liquiditäts- und Zinsnachteile.<br />
Zudem ist bei Sozietäten Schuldner der Gewerbesteuer<br />
die Gesellschaft, anrechnungsberechtigt der<br />
einzelne Gesellschafter. Da sich die Verteilung des anrechenbaren<br />
Betrags gem. § 35 EStG nach dem allgemeinen<br />
Gewinnverteilungsschlüssel richtet und dabei Sondervergütungen<br />
und Gewinnvorabs unberücksichtigt bleiben 21 ,<br />
kann es zu einer ungerechten Verteilung der Gewerbesteuerlast<br />
und der Begünstigung durch die Anrechnung kommen<br />
22 .<br />
Beispiel: Zehn Rechtsanwälte haben sich zu einer Sozietät<br />
zusammengeschlossen. Alle Partner sind zu je 1/10 am<br />
Gewinn beteiligt, die beiden geschäftsführenden Seniorpartner<br />
erhalten einen Gewinnvorab i. H. v. jeweils 15 %<br />
des Gewinns. Ein Partner ist überwiegend als Insolvenzverwalter<br />
tätig. Wird die Sozietät dadurch gewerblich, erhalten die<br />
11 Vgl. Wacker, in:Schmidt, aaO, § 18 Rz. 101.<br />
12 Vgl. dazu Wacker, in: Schmidt, EStG, 22. Aufl. 2003, § 18 Rz. 25, m. w. N; speziell<br />
für die Rechtsanwälte Streck, NJW 1991, 2252, 2254.<br />
13 FG Saarland 1 K 227/98 vom 3.8.1998, EFG 1998, 1583, vgl. dazu auch<br />
Kamps/Alvermann, NJW 2001, 2121, 2127 f.<br />
14 BFH IV R 48/99 vom 23.11.2000, BStBl. 2001 II, 241 (Zusammenschluss eines<br />
Arztes mit einem Diplom-Dokumentar).<br />
15 Wacker in: Schmidt, aaO, Rz. 43.<br />
16 XI R 56/00, BStBl. 2002 II, 202.<br />
17 Vgl. dazu Frystatzki, EStB 2003, 102; Korn, KÖSDI 2003, 13605, 13610; Olbing/Kamps,<br />
AnwBl. 2002, 168.<br />
18 Vgl. dazu Frystatzki, EStG 2003, 106, 108, m. w. N.<br />
19 Vgl. dazu Wacker in: Schmidt, aaO, § 18 Rz. 50 m. w. N.<br />
20 So waren nach BFH XI R 12/98 vom 11.8.1999, BStBl. 2000 II, 229, ein gewerblicher<br />
Anteil i. H. v. 1,25 % unschädlich; vgl. dazu auch Wacker in<br />
Schmidt, aaO, § 18 Rz. 44.<br />
21 Vgl. dazu Tz. 18 ff. des BMF-Schreibens IV A 5 – S 2296 a – 16/02 vom<br />
15.5.2002, DB 2002, 1077.<br />
22 Korn, KÖSDI 2002, 13196.