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Die „Arisierung“ von Hermann Tietz und Wertheim<br />
<strong>Wie</strong> es Mitte des Jahres <strong>1933</strong> in Berlin zuging, haben Erica Fischer und Simone Ladwig-<br />
Winters in ihrem 2004 erschienen Buch „Die Wertheims – Geschichte <strong>ein</strong>er Familie“ so<br />
dargestellt:<br />
„Als Kaufleute, die sich im Verband, aber auch allgem<strong>ein</strong> politisch engagierten, standen die<br />
Tietzes (Hermann Tietz, <strong>se</strong>) von Anfang an stärker in der Schusslinie (als die Wertheims,<br />
<strong>se</strong>). Der 1. April <strong>1933</strong> war für sie <strong>ein</strong> Albtraum. ‚Achtung, Lebensgefahr‘, ‚Judas raus‘,<br />
‚Achtung Itzig‘, ‚Auf nach Palästina‘ und ‚Juden nach Jerusalem‘ war mit brauner Farbe auf<br />
Tietz-Scheiben gepin<strong>se</strong>lt worden. Vor manchen Häu<strong>se</strong>rn kam es zu blutigen<br />
Zusammenstößen.<br />
Am Alexanderplatz in Berlin hatte der Warenhaus-Konzern Hermann<br />
Tietz <strong>se</strong>it 1904 <strong>ein</strong> Warenhaus, das über die Jahrzehnte durch<br />
Anbauten immer größer wurde. Nach und nach eröffnete die Firma in<br />
der Reichshauptstadt zehn Warenhäu<strong>se</strong>r und verfügte damit in Berlin<br />
im Jahr <strong>1933</strong> über die größte Verkaufsfläche.<br />
Fotos: Sammlung Serger, rechts: aus Georg Tietz: Hermann Tietz –<br />
Geschichte <strong>ein</strong>er Familie und ihrer Warenhäu<strong>se</strong>r, DVA Stuttgart, 1966<br />
Der Gründer des Warenhaus-<br />
Konzerns Hermann Tietz war Oscar<br />
Tietz (1858-1923). Als Gründer und<br />
Vorsitzender des Verbands<br />
Deutscher Waren- und Kaufhäu<strong>se</strong>r<br />
bestimmte er <strong>se</strong>it 1903 auch den<br />
Kurs in der Branche.<br />
Anders als Wertheim hatte die Firma Hermann Tietz viele Filialen in der Provinz, die<br />
we<strong>se</strong>ntlich härter von Übergriffen betroffen waren. Wegen der größeren sozialen<br />
Kontrolle konnte der Boykott in kl<strong>ein</strong>eren Städten leichter durchge<strong>se</strong>tzt werden.<br />
Die Firma Wertheim hatte im April <strong>1933</strong> k<strong>ein</strong>e Umsatz<strong>ein</strong>bußen zu verzeichnen.<br />
Offensichtlich befolgten die Kunden den staatlich organisierten Boykott k<strong>ein</strong>eswegs zur<br />
Gänze, in Berlin soll es sogar zu Solidarität<strong>se</strong>inkäufen in jüdischen Geschäften gekommen<br />
<strong>se</strong>in.“<br />
Bereits im späten Frühjahr <strong>1933</strong> mehrten sich die Anzeichen, dass das<br />
Warenhausunternehmen Hermann Tietz in <strong>ein</strong>e bedrohliche Liquiditätskri<strong>se</strong> geraten war:<br />
wiederholt konnten ausstehende Gelder an Lieferanten nicht gezahlt werden und die<br />
Hausbanken weigerten sich, weitere Kredite zu gewähren. Am 23. Juni <strong>1933</strong> beschäftigte<br />
sich das Reichskabinett mit der prekären Situation des jüdischen Unternehmens.<br />
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