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Man muss sich das vorstellen: Im Deutschen Reich wüteten <strong>Hitler</strong>s Parteigenos<strong>se</strong>n gegen<br />
die Warenhäu<strong>se</strong>r, riefen zum Boykott auf, stellten SA-Posten vor die Eingänge,<br />
denunzierten im „Stürmer“ und anderen NS-Organen Leute, die noch in den<br />
Warenhäu<strong>se</strong>rn <strong>ein</strong>kauften – und in Berlin gewährt ihr großer Führer den Großkapital<strong>ist</strong>en<br />
Millionenkredite, ohne die gerade Hermann Tietz und, wie wir später <strong>se</strong>hen werden, auch<br />
<strong>Karstadt</strong> nicht überlebt hätten.<br />
Ebenso wenig wie dem Staat war den deutschen Großbanken an <strong>ein</strong>er Liquidierung der<br />
Warenhäu<strong>se</strong>r gelegen. Im Fall von Hermann Tietz wären auf <strong>ein</strong>en Schlag Warenkredite im<br />
Wert von 150 Millionen RM fällig geworden. Für die Banken wäre damit nicht nur <strong>ein</strong>e<br />
lukrative Einnahmequelle versiegt, sondern auch <strong>ein</strong>e ernste Kri<strong>se</strong> entstanden.<br />
Die<strong>se</strong>r Entscheidung vorausgegangen war bei Hermann Tietz allerdings die Gründung <strong>ein</strong>er<br />
neuen Ge<strong>se</strong>llschaft unter dem Namen ‚Hertie Kaufhaus-Beteiligungsge<strong>se</strong>llschaft‘. Die<br />
beiden Hauptge<strong>se</strong>llschafter waren der frühere Leiter des Textil<strong>ein</strong>kaufs von Hermann<br />
Tietz, Georg Karg, und Helmuth Friedel, zu dem nichts Näheres bekannt <strong>ist</strong>. Weder Karg<br />
noch Friedel standen in <strong>ein</strong>em Vertrauensverhältnis zur Familie Tietz.<br />
Georg Tietz, der Sohn von Oscar<br />
Tietz, wurde wie <strong>se</strong>in Bruder Martin<br />
1934 aus dem Warenhaus-Konzern<br />
hinausgedrängt. Abbildung: aus<br />
Georg Tietz: Hermann Tietz –<br />
Geschichte <strong>ein</strong>er Familie und ihrer<br />
Warenhäu<strong>se</strong>r, DVA Stuttgart, 1966<br />
Aus Hermann Tietz wurde nach 1935 auch bei der Berliner Filiale in<br />
der Frankfurter Allee der Firmenname „Hertie“. Abbildung:<br />
Sammlung Serger<br />
Mit <strong>ein</strong>er Eigenbeteiligung von jeweils nur 50.000<br />
Reichsmark gelang es ihnen, <strong>wichtig</strong>e Positionen in der<br />
Unternehmensleitung <strong>ein</strong>zunehmen. Zum „Zwecke der Gleichschaltung“, also „zum<br />
Zwecke der Herstellung <strong>ein</strong>es arischen Übergewichts und der Beschaffung <strong>ein</strong>es<br />
langfr<strong>ist</strong>igen Kredits“, mussten sie auf Druck der Banken in die Geschäftsführung<br />
aufgenommen werden. Karg und Friedel wurden zu Garanten der Interes<strong>se</strong>n der<br />
deutschen Großbanken in der Firmenspitze.<br />
Mit dem neuen Ge<strong>se</strong>llschaftsvertrag (vom 29.7.<strong>1933</strong> zwischen der Hermann Tietz OHG und<br />
Hertie) musste <strong>ein</strong>er der bisherigen Geschäftsführer, der zur Familie gehörende Hugo<br />
Zwillenberg, aus dem Unternehmen ausscheiden. Ein Jahr später folgten ihm nach<br />
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