SPORTaktiv Juni 2020
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UMKEHREN<br />
IST KEIN VERZICHT<br />
„SICH AUF WENIGE, WESENTLICHE DINGE ZU KONZENTRIEREN,<br />
KANN SEHR ERLEICHTERND, ÖFFNEND UND BEFREIEND SEIN“<br />
– SAGT ÖSTERREICHS BESTE BERGSTEIGERIN ALLER ZEITEN,<br />
GERLINDE KALTENBRUNNER. EIN INTERVIEW IM ZEICHEN<br />
EINER AUSSERGEWÖHNLICHEN ZEIT.<br />
VON CHRISTOF DOMENIG<br />
Fotos: Gerlinde Kaltenbrunner, Roland Haschka<br />
ie 14 höchsten Berge der<br />
Welt hat Gerlinde Kaltenbrunner<br />
hinter sich gelassen,<br />
die Berge wie auch die<br />
Natur sind ihre Welt geblieben.<br />
„Ein achtsamer, respekt- und liebevoller<br />
Umgang mit der Natur und allen<br />
Wesen ist der Grundpfeiler ihres<br />
Lebens“, so steht es in der Biografie auf<br />
ihrer Webseite. Und das spürt man<br />
auch, wenn man bloß als Wanderer mit<br />
ihr unterwegs ist. Im letzten Dezember<br />
konnte <strong>SPORTaktiv</strong> die erste Höhenbergsteigerin<br />
der Welt, die alle 14 Achttausender-Gipfel<br />
ohne künstlichen Sauerstoff<br />
besteigen konnte, bei einer einfachen<br />
Winterwanderung in der Region<br />
Seefeld in Tirol begleiten.<br />
Kaltenbrunner erzählte damals unter<br />
anderem von ihren Plänen einer sechswöchigen<br />
Unternehmung in Indien im<br />
April und Mai <strong>2020</strong>. Aufgrund der Covid19-Pandemie<br />
konnte die Oberösterreicherin<br />
dieses Ziel logischerweise nicht<br />
verwirklichen. Das damals vereinbarte<br />
Interview ging jetzt natürlich auch in<br />
eine andere Richtung: über den Wert<br />
von Verzicht im Bergsport und im Leben,<br />
Respekt vor der Natur und Zukunftspläne<br />
in einer Zeit, die Planbarkeit<br />
kaum zulässt.<br />
Mit dem Erreichen des K2-Gipfels haben<br />
Sie den letzten der 14 Achttausender<br />
vor knapp neun Jahren erreicht<br />
und damit diesen Teil Ihres Lebens abgeschlossen.<br />
Rückblickend: Inwiefern<br />
würden Sie sagen, hat sich Ihr Leben<br />
seither verändert?<br />
Nach meiner Zeit an den Achttausendern<br />
hat sich mein Leben insofern verändert,<br />
als ich nicht mehr insgesamt bis<br />
zu fünf bis sechs Monaten im Jahr auf<br />
Expedition bin. Seither verbringe ich<br />
mehr Zeit in den heimischen Bergen<br />
und auch meine persönliche Weiterentwicklung<br />
auf mental-emotionaler Ebene<br />
hat sich verstärkt. Yoga, Bergsteigen,<br />
Klettern, mit meinen Erfahrungen andere<br />
Menschen inspirieren: Das alles liegt<br />
mir sehr am Herzen.<br />
Unter gewöhnlichen Umständen hätten<br />
Sie im heurigen April und Mai eine<br />
Expedition auf einen „schönen 6000er“<br />
unternommen. Welcher Berg wäre genau<br />
das Ziel gewesen? Und warum<br />
gerade dieser – was macht einen Berg<br />
für Sie „schön“?<br />
Wir wären am technisch unschwierigen<br />
Kedar Dome (6831 m) im Garhwa-<br />
Himalaya im Norden von Indien, der<br />
inmitten anderer großartiger Berge wie<br />
zum Bespiel des Shivling liegt, unterwegs<br />
gewesen. Mit einigen Freunden<br />
wollte ich dort auf Skiern unterwegs<br />
sein. Ganz in der Nähe entspringt der<br />
heilige Fluss Bhagirathi, der größte Zufluss<br />
des Ganges – ein sicher sehr inspirierender<br />
Platz.<br />
Wir wollten einen Berg mit Skiern besteigen,<br />
der technisch unschwierig ist,<br />
sodass wir in dem Team, wie wir eben<br />
starten wollten, auch gemeinsam unterwegs<br />
sein können. Es sollte ein Sechstausender<br />
sein und möglichst in Indien<br />
– dort waren die meisten aus unserem<br />
Team und auch ich noch nie zum Bergsteigen<br />
unterwegs.<br />
Wie verbringen Sie in der „Corona-Zeit“<br />
jetzt stattdessen Ihre Zeit,<br />
wie halten Sie sich fit?<br />
Auch in dieser sehr außergewöhnlichen<br />
Zeit war und bin ich so oft als möglich<br />
draußen unterwegs. Der Wald und die<br />
<strong>SPORTaktiv</strong><br />
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