SPORTaktiv Juni 2020
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Alexander, wann hast du in den Bergen<br />
das letzte Mal Angst gehabt?<br />
Bergsteigen ist etwas, das durchaus gefährlich<br />
ist. Man kann es ganz gemütlich machen,<br />
einen Wanderberg ersteigen. Aber ich<br />
bin ein engagierter Bergsteiger und immer,<br />
wenn ich engagiert unterwegs bin, bin ich<br />
im Absturzgelände unterwegs. Und in so einem<br />
Gelände hat man berechtigterweise<br />
Angst im Falle eines Sturzes sein Leben zu<br />
verlieren. Die Frage ist: Wie reagiert man<br />
auf diese Angst?<br />
Und wie reagierst du?<br />
Typischerweise – und so sollte es sein – löst<br />
die Angst in mir nichts anderes als Konzentration<br />
aus, sodass ich in dem Moment voll<br />
auf die Aufgabe fixiert und fokussiert bin<br />
und sie sauber durchschreite. Dann hat<br />
man alles unter Kontrolle! Ist man dagegen<br />
der Aufgabe nicht gewachsen oder stimmen<br />
die äußeren Umstände nicht, dann wird<br />
man allerdings nervös. Und auch dann ist<br />
die Angst mein bester Freund, weil sie mir<br />
was mitteilen will. Dass ich überfordert bin,<br />
dass das Risiko unkontrollierbar ist. Die logische<br />
Konsequenz lautet umkehren.<br />
Wann bist du denn draufgekommen,<br />
dass die Angst etwas<br />
Wichtiges ist. Hat es da ein<br />
auslösendes Moment gegeben?<br />
Sehr früh. Ich hab in der Schule Handball<br />
gespielt und mein wichtigster Mitspieler ist<br />
bei einem Skitourenausflug in eine Lawine<br />
gekommen, verschüttet und erst vier Tage<br />
später geborgen worden. Das war in einem<br />
Alter von 10 Jahren und das prägt. Jetzt ist<br />
die Lawine eine sehr tückische Gefahr, weil<br />
die Gefahr nur sehr schwer wahrnehmbar<br />
ist. Da sieht man: Es wird dann richtig brisant,<br />
wenn einem die Kompetenz fehlt, die<br />
Gefahr richtig einzuschätzen. Auf dem<br />
wunderschönen Tiefschneehang steht ja<br />
nicht drauf: „Ich bin sehr gefährlich“, sondern<br />
es ist einfach nur sehr verlockend.<br />
Und dann geht vielleicht schon eine Spur<br />
rein und dann fährt man halt hinterher.<br />
BEI<br />
MIR<br />
WAR<br />
ES<br />
KURZ<br />
VOR<br />
KNAPP<br />
Wirklich gefährlich wird es immer dann,<br />
wenn die Leute die Gefahr überhaupt nicht<br />
erkennen. Das Erkennen der Gefahr sichert<br />
uns das Überleben. An der Straße werde ich<br />
vor dem Überqueren nicht nervös, sondern<br />
für einen kurzen Moment konzentriert,<br />
dann analysiere ich und wenn die Straße<br />
frei ist, geh ich drüber. Ich werde nicht nervös,<br />
weil ich der Aufgabe gewachsen bin.<br />
Du schreibst in deinem neuen Buch auch,<br />
wie wichtig es ist, die Angst zuzugeben.<br />
Wie viel Mut gehört denn dazu, in der harten<br />
Welt der Bergsteiger seine Angst zuzugeben?<br />
Fotos: Alexander Huber<br />
146 <strong>SPORTaktiv</strong>