Welt des Vergessens - Demenz-Ratgeber Hildesheim
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REPORTAGE: Besuch in einer Selbsthilfegruppe für Angehörige<br />
Austausch ist wichtig: Teilnehmerinnen<br />
der Angehörigengruppe im Gespräch<br />
Maximal acht bis zehn Mitglieder seien<br />
in den Gruppen, damit jeder und jede zu<br />
Wort komme. Sie steuere Fachinformationen<br />
bei, zum Beispiel über Hilfen, die<br />
Angehörige aus Mitteln der Pflegever -<br />
sicherung erhalten können oder neue<br />
Erkenntnisse zur Krankheit sowie The -<br />
rapie- und Behandlungsmöglichkeiten.<br />
Auch Hinweise auf Veranstaltungen gehören<br />
dazu.<br />
Manchmal, sagt eine Teilnehmerin,<br />
platze ihr der Geduldsfaden im Umgang<br />
mit ihrem Mann. Wenn er sich beispielsweise<br />
vehement dagegen wehre,<br />
sich morgens anzuziehen, werde sie<br />
schon mal sauer und regiere über. „Das<br />
ist normal!“, entgegnen die anderen<br />
verständnisvoll. „Der ganz normale Alltagswahnsinn“,<br />
wie es Christa T. ausdrückt,<br />
ist das, was sie verbindet. Wenn<br />
die Kranken immer mehr die Orientierung<br />
verlieren, wenn sie nicht mehr<br />
wissen, wo der Kleiderschrank steht<br />
oder statt an Mahlzeiten teilzunehmen<br />
mit dem Essen spielen. Der Nachmittag<br />
ist gefüllt mit solchen Beispielen. „Viele<br />
warten sehr lange, bis sie sich an uns<br />
wenden. Oft erst, wenn es wegen der<br />
Überforderung durch die Pflege zu<br />
Hause zu eigenen gesundheitlichen Problemen<br />
gekommen ist“, erklärt die<br />
Gruppen leiterin.<br />
Ute H. hat mit ihrem Mann andere<br />
Sorgen. Er sei zwar noch sehr mobil und<br />
könne seine Körperpflege auch noch<br />
weitgehend selbst bewältigen, sein Verhalten<br />
habe sich aber sehr verändert<br />
und er sei oft sehr getrieben und un -<br />
ruhig. „Nur beim Fernsehgucken entspannt<br />
er sich“, berichtet Ute H. Helga<br />
Kassebom erklärt der Gruppe: „Herr H.<br />
leidet an einer besonderen Form der<br />
Krankheit, einer so genannten Frontotemporalen<br />
<strong>Demenz</strong>.“ Diese äußere sich<br />
meist zunächst in Wesensveränderungen,<br />
erst später seien auch das Kurzzeitgedächtnis<br />
und die Mobilität be -<br />
troffen.<br />
Aber nicht nur Belasten<strong>des</strong> steht im<br />
Raum. Später geht es um das Thema<br />
Musik. Christa T. hat die Erfahrung gemacht,<br />
dass ihre Partnerin darauf sehr<br />
positiv reagiert. Sie gucke mit ihr jetzt<br />
sogar Sendungen mit Florian Silber -<br />
eisen, gesteht sie schmunzelnd, „obwohl<br />
das eigentlich nicht so mein Geschmack<br />
ist!“. Alle lachen. „Und wenn sie einen<br />
guten Tag hat, steht sie auf und beginnt<br />
sogar zu tanzen!“ Rita H. knüpft an die<br />
morgendlichen Konflikte mit ihrem<br />
Mann an: „Wenn ich das Radio im Bad<br />
einschalte, ist die Stimmung sofort entspannter!“<br />
Helga Kassebom bestätigt,<br />
dass Musik bei vielen <strong>Demenz</strong>erkrankten<br />
eine beruhigende oder stimulierende<br />
Wirkung habe. Sie schlägt vor:<br />
„Erstellen Sie Playlisten mit Musiktiteln,<br />
die Ihre Partner mögen!“ und schlägt<br />
Christa T. vor, doch einmal am monat -<br />
lichen Tanzcafé teilzunehmen.<br />
Die offene Selbsthilfegruppe der Alzheimer<br />
Gesellschaft für pflegende Ange -<br />
hörige findet einmal monatlich jeweils<br />
am ersten Montag von 16:00 bis 18:00<br />
Uhr statt. Eine spezielle Gruppe für<br />
Töchter und Söhne wird jeweils am<br />
zweiten Montag von 19:00 bis 20:30<br />
Uhr angeboten.<br />
Kontakte/Adressen (auch KIBIS) siehe Kapitel 23,<br />
Seite 79<br />
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