02.09.2020 Aufrufe

HUK 329 Juli 2020

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Stadtgespräch<br />

„Das Monster passt<br />

nicht hierher!“<br />

Nachdem unser Kollege Benjamin Laufer in der Juni-Ausgabe über<br />

die Pläne zum Abriss und Neubau der Sternbrücke geschrieben hatte,<br />

erreichte uns dieser Brief von unserer Leserin Erika Hahn.<br />

FOTOS: DMITRIJ LELTSC<strong>HUK</strong>,<br />

DB NETZ AG/VÖSSING INGENIEUR-GESELLSCHAFT MBH,<br />

HAMBURG BILDARCHIV<br />

Erika Hahn<br />

hatte schon als<br />

Kind eine enge<br />

Beziehung zur<br />

Sternbrücke.<br />

G<br />

estern war ich seit längerer<br />

Zeit mal wieder in der<br />

Stadt, ich wollte zu Y. Rocher,<br />

aber der Laden ist<br />

leer, wird wohl umgebaut. Gleich daneben<br />

ein netter junger H&K-Verkäufer,<br />

mit dem ich ins Gespräch komme. Mich<br />

interessiert, wieso er auf die Straße gekommen<br />

ist. Er erzählt mir seine Geschichte,<br />

er sucht eine Bleibe, hat aber<br />

evtl. Aussicht, etwas Passendes zu finden.<br />

Ich sehe ihn an und denke, er wird<br />

es schaffen, wieder ein „normales“<br />

Leben zu führen. Hätte ich ihm eigentlich<br />

auch sagen sollen. Ich kaufe mir die<br />

Zeitung. Zu Hause lese ich von der<br />

Sternbrücke und bin platt, dass sie<br />

abgerissen werden soll. Nun ja, es kann<br />

ja sein, dass sie nicht mehr sicher ist.<br />

Aber wer denkt sich eigentlich diese<br />

überdimensionale Ersatzbrücke aus?<br />

Das können nur Leute sein, die keine<br />

Ahnung von Altona haben, von der<br />

Bedeutung dieser Brücke!<br />

Ich habe von 1943 bis 1964 in der<br />

Wohlersallee gelebt. Meine Eltern und<br />

ich waren, nachdem wir im <strong>Juli</strong> 1943<br />

ausgebombt wurden (in Eimsbüttel,<br />

direkt neben Beiersdorf) zur Mutter<br />

meines Vaters in die Wohlersallee gezogen.<br />

Wir waren froh, ein 12 qm<br />

großes Zimmer zu bekommen. Das war<br />

eine karge, aber schöne Zeit für mich<br />

als Kind und als Teenie.<br />

Über die Sternbrücke fuhren viele<br />

Züge und nach dem Krieg oftmals die<br />

sogenannten „Kohlenzüge“. Wir waren<br />

alle sehr arm, hatten wenig zu essen<br />

und nichts zum Heizen. Manche Leute<br />

haben die Treppengeländer verfeuert.<br />

Aber zwei- bis drei-mal pro Woche hörte<br />

man den lauten Ruf „Kohlenzug“ in<br />

der Wohlersallee. Sofort Sack oder<br />

Eimer gepackt und zur Sternbrücke<br />

gerannt. Hinauf am Anfang und Ende<br />

der Brücke, die großen Jungs sprangen<br />

auf die Waggons und warfen Kohlen,<br />

Koks, Briketts herunter. Der Zug musste<br />

hier nämlich wegen einer Steigung<br />

die Geschwindigkeit verringern und<br />

schnaufte langsam über die Brücke. Wir<br />

Kleinen sammelten auf, so viel wir<br />

konnten, und rannten nach Hause mit<br />

unserer kostbaren Last. Oft ertönte ein<br />

Pfiff, „Polizei“, sodass man evtl. alles<br />

stehen und liegen lassen musste.<br />

16

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!