HUK 329 Juli 2020
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Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>329</strong>/JULI <strong>2020</strong><br />
Sie will Perspektiven schaffen<br />
Ksenija Bekeris (SPD)<br />
42 Jahre, verheiratet, ein Kind,<br />
Berufsschullehrerin und stellvertretende<br />
Fraktionsvorsitzende; seit 2003 bei der SPD,<br />
seit 2008 in der Bürgerschaft<br />
Wenn Ksenija Bekeris aktuell die Berichte<br />
über Rassismus in den USA verfolgt,<br />
schweifen die Gedanken der<br />
42-Jährigen gelegentlich zurück in ihre<br />
Vergangenheit. Anfang der 2000er-Jahre<br />
absolvierte die junge Soziologiestudentin<br />
ein Auslandsjahr in Detroit.<br />
„Auch damals war die Spaltung in Arm<br />
und Reich, in Weiß und Schwarz extrem<br />
– das konnte ich nicht aushalten“,<br />
erinnert sie sich.<br />
Um Deutschland vor ähnlichen<br />
Entwicklungen zu bewahren, entschloss<br />
sich die damals Mittzwanzigerin zum<br />
Engagement in der Politik. Es waren<br />
das Programm und die Geschichte der<br />
Sozialdemokratie, die sie überzeugten.<br />
Dass sie innerhalb weniger Jahre der<br />
Weg gleich in die Bürgerschaft führte,<br />
verdanke sie dem damals neu eingeführten<br />
Wahlsystem, erzählt Bekeris<br />
und schmunzelt. Überraschend erhielt<br />
sie 2008 ein Direktmandat.<br />
Zwölf Jahre später zählt Ksenija<br />
Bekeris bereits zu den Routiniers. Als<br />
sie ins Parlament einzog, musste sie anfangs<br />
auf die Oppositionsbank – der<br />
Bürgermeister hieß noch Ole von Beust<br />
(CDU). So wie heute die Linke forderte<br />
Bekeris damals die Einzelunterbringung<br />
aller Wohnungslosen. Heute darauf<br />
angesprochen, räumt sie ein: „Da<br />
muss ich ihnen ganz ehrlich sagen: ‚Ja,<br />
das wäre spitze‘. Aber sie müssen sehen,<br />
dass wir da über 32.000 Plätze in der<br />
öffentlich-rechtlichen Unterbringung<br />
reden. Da können wir nicht alle umwandeln.<br />
Es besteht aber noch<br />
Handlungsbedarf.“<br />
Aber mal abgesehen von der Einzelunterbringung:<br />
Hätten nicht andere<br />
Projekte längst umgesetzt werden können?<br />
Nicht jede Idee sei eben sofort finanzierbar,<br />
entgegnet Bekeris. Wobei<br />
die Diplomsoziologin stolz hervorhebt,<br />
dass zwei Projekte jetzt im Koalitionsvertrag<br />
fest verankert sind, die auch Experten<br />
aus der Wohnungslosenhilfe seit<br />
Jahren fordern: ein Housing-First-Projekt<br />
für Obdachlose und eine Pension<br />
für obdachlose Wanderarbeiter*innen.<br />
Selbstverständlich werde dadurch erst<br />
einmal wenigen geholfen und nicht generell<br />
die Obdachlosigkeit beseitigt.<br />
„Aber ich will den Menschen eine andere<br />
Perspektive als die öffentlich-rechtliche<br />
Unterbringung eröffnen“, erläutert<br />
Bekeris. „Und dafür kann ich<br />
Kompromisse eingehen und mich darauf<br />
einlassen, dass nicht alles sofort<br />
kommt.“<br />
Sie müsse immer wieder abwägen,<br />
„an welcher Stelle ich für was kämpfe“.<br />
Und sie ergänzt augenzwinkernd:<br />
Wenn sie dann gegenüber den<br />
Kolleg*innen mal nachgebe, „habe ich<br />
an anderer Stelle vielleicht auch mal einen<br />
gut“. JOF<br />
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