HUK 329 Juli 2020
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Kunzt&Kult<br />
Da geht<br />
noch was!<br />
Als das Coronavirus Hamburg lahmlegte, holten sie das<br />
Stadtleben ins Netz: Der Social-TV-Sender One Hamburg<br />
sieht sich als Bindeglied der Gesellschaft.<br />
TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />
FOTOS: ANDREAS HORNOFF UND ONE HAMBURG<br />
E<br />
ine Backsteinwand, ein graues<br />
Sofa, Teppich, Topfpflanzen<br />
– etwa so sieht der Ort<br />
aus, an dem sich im Frühjahr<br />
<strong>2020</strong> Hamburgs Kulturszene verdichtet.<br />
Hier steigen Livekonzerte, die es anderswo<br />
nicht geben darf, hier diskutieren<br />
Menschen aus der ganzen Stadt in<br />
Echtzeit mit Politiker*innen. Es gibt<br />
Bar abende bis in die Nacht, Yogakurse<br />
und Shopping ohne Mundschutz. All<br />
das verbirgt sich hinter einer unscheinbaren<br />
Tür in einem Ottenser Hinterhof,<br />
wo der neue Social-TV-Kanal One<br />
Hamburg seit fast dreieinhalb Monaten<br />
unermüdlich dreht und sendet.<br />
„Kurz nach Hause, drei Stunden<br />
schlafen, und dann wieder hierher“, so<br />
beschreibt Maxime Billon die ersten<br />
Tage im Studio. Der 36-Jährige ist einer<br />
der sechs Gründer*innen von One<br />
Hamburg und vom ersten Moment an<br />
dabei. „Ich bin drei Stunden später dazugestoßen“,<br />
erzählt Isa Daur. Die<br />
26-Jährige sagt das, weil sich nur so die<br />
Entstehungsgeschichte des Senders erfassen<br />
lässt: in Stunden. Eine Runde<br />
hatte der Zeiger auf der Uhr gedreht,<br />
da hatte der Sender schon einen Namen.<br />
Zwei Stunden später standen die<br />
ersten Social-Media-Kanäle, Instagram,<br />
Facebook, Youtube, Twitch,<br />
Twitter, LinkedIn war in Mache. Auch<br />
die Idee für das Logo war fertig, bevor<br />
der Morgen graute. Dabei hatten sich<br />
die sechs Medienschaffenden ursprünglich<br />
gar nicht getroffen, um einen neuen<br />
Sender zu gründen. „Wir wollten eigentlich<br />
nur ein Bierchen zusammen<br />
trinken“, erzählt Billon. „Und dann<br />
kam eins zum anderen.“<br />
Denn was machen sechs kreative<br />
Köpfe, wenn gerade nichts zu tun ist?<br />
Sie hecken das nächste Projekt aus.<br />
Und diesmal war sogar absehbar, dass<br />
sie die Zeit dazu finden würden, es auch<br />
umzusetzen. Noch gab es an jenem<br />
Gründungsabend, dem 12. März, zwar<br />
keine verschärften Regeln in Hamburg.<br />
Aber dass die Coronapandemie längst<br />
im Gange war, ließ sich nicht mehr<br />
übersehen. „Shutdown hier, Shutdown<br />
dort – das konnte man schon hochrechnen“,<br />
sagt Billon.<br />
Die Stadt lebt<br />
im Digitalen<br />
wieder auf.<br />
Wo das analoge Stadtleben erstarrte,<br />
würde One Hamburg es im Digitalen<br />
wieder aufleben lassen – das ist die Idee<br />
hinter dem Social-TV-Sender. Sie funktioniert<br />
bis heute: Musiker*innen spielen<br />
live vor den Kameras und erreichen<br />
so ihre Fans zu Hause, lokale Bars und<br />
Geschäfte führen das Fernsehpublikum<br />
durch ihre Räume und erzählen, was<br />
bei ihnen gerade los ist. Auch Kunsthalle,<br />
Museen und Theater luden zu<br />
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